Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May

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Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May

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dürfen auch nicht unverständig sein.« – »Nun wohl. Warum seid denn Ihr da unverständig?«

      Cortejo tat, als ob er ihn nicht verstehe, und fragte:

      »Unverständig? Ich? Inwiefern denn?« – »Insofern, als Ihr mir nichts geben wollt.« – »Wer hat Euch denn dies gesagt?« – »Ich sehe es ja.« – »Pah! Ich bin zu einer Gratifikation bereit, aber zwei mal hunderttausend Dollar sind mir denn doch zu viel.« – »Nun, wieviel bietet Ihr?« – »Fünfzigtausend.« – »Unsinn!« – »Mehr kann ich nicht geben.« – »Wie? Ihr könnt nicht? Seid Ihr so arm? Ich denke, daß Euch die reiche Grafschaft Rodriganda gehört.« – »Das ist richtig. Ihr versteht mich falsch. Wenn ich sage, daß ich nicht mehr als fünfzigtausend geben kann, so meine ich nicht, daß ich arm bin, sondern daß ich überhaupt nicht mehr geben mag.« – »Warum?« – »Weil Ihr die Arbeit nicht allein machen werdet, könnt Ihr auch nicht den vollen Lohn erhalten.« – »Ah! Wer soll sich denn noch mit beteiligen?« fragte Landola sehr erstaunt. – »Ich«, antwortete Cortejo. – »Ihr?« rief Landola noch erstaunter als vorher. »Ihr wollt die Arbeit mit tun? Wie habe ich das zu verstehen?« – »Nun, sehr einfach. Ihr geht nach Mexiko, nicht wahr?« – Ja.« – »Ich gehe mit.«

      Landola trat einen Schritt zurück und fragte, beinahe betroffen:

      »Ihr?«

      Cortejo nickte.

      »Ihr wollt mitgehen?« – »Ja.« – »Nach Mexiko?« – »Ja doch!« – »Das ist unmöglich! Das kann ich gar nicht glauben!« – »Warum nicht?« – »Ihr könnt hier ja nicht abkommen. Man braucht Euch zu nötig.« – »Wer sagt Euch das?« – »Ich denke es mir.« – »Nun, so will ich Euch eines anderen und Besseren belehren. Don Alfonzo wird mir gern einen Urlaub geben, wenn es sich darum handelt, ihm seine Besitzungen zu erhalten.« – »Aber was wollt Ihr in Mexiko?«

      Cortejo machte ein sehr eigentümliches Gesicht.

      »Zunächst liegt mir daran, meinen lieber Bruder Pablo einmal zu besuchen«, sagte er. – »Warum jetzt?« – »Sodann«, fuhr Cortejo unbeirrt fort, »möchte ich meine liebe Nichte Josefa einmal kennenlernen.« – »Aber warum soll dies gerade jetzt sein?« – »Weil es mir so paßt! Ihr habt mich betrogen. Pablo hat mich betrogen. Glaubt Ihr, daß ich mich abermals betrügen lasse?« – »Ah! So meint Ihr es?« – »Ja, so und nicht anders.« – »Ihr wollt uns beaufsichtigen?« – »Freilich.« – »Glaubt Ihr, daß Euch das Nutzen bringt?« – »Versteht sich.« – »Und daß wir auch diejenigen sind, die sich beaufsichtigen lassen?« – »Ich habe nicht gesagt, daß ich nur beaufsichtigen will. Ich werde selbst mitarbeiten.« – »Das gibt der Sache allerdings eine kleine Wendung«, versetzte Landola nachdenklich. – »Das meine ich auch. Übrigens werdet Ihr später sehen, daß Ihr ohne Hilfe nicht auskommen könntet.« – »Hm! Ich sehe allerdings ein, daß es wirklich besser ist, wenn Ihr selbst mit dabei seid.« – »Also endlich?« – »Aber wie die Sachen stehen, gilt es, keine Zeit zu verlieren.« – »Das versteht sich von selbst. Wir reisen bei nächster Gelegenheit ab. Ich werde mich sofort erkundigen, was für Schiffe im Hafen liegen.« – »Ich weiß das bereits. Es wurde mir denn doch zu schwül.« – »Ihr habt Euch erkundigt?« – »Ja, aber es paßt verteufelt schlecht nach Mexiko.« – »Wieso?« – »Es gibt kein Schiff dorthin. Ein einziger Dampfer liegt da, der übermorgen in See sticht, aber er geht nach Rio de Janeiro.« – »Das ist ja gut.« – »Wieso?« – »Wenn wir an Bord kommen, entgeht Ihr hier den Augen der Polizei, und in Rio finden wir allemal Gelegenheit nach Mexiko.« – »Das mag sein. Aber wie an Bord kommen? Man kennt mein Signalement, besonders hier in Barcelona.« – »Nichts leichter als das. Wißt Ihr, was eine Perücke ist?« – »Eine Kopfbedeckung für Kahlköpfige«, lachte Landola. – »Und wißt Ihr, was ein falscher Bart ist?« – »Eine Gesichtsbedeckung für Spitzbuben.« – »Und wißt Ihr, was man unter colle de face versteht?« – »Ah, das ist jener berühmte französische Gesichtskleister, mit dessen Hilfe sich eine alte Frau in ein junges Mädchen verwandeln kann. Man füllte damit sogar die tiefsten Falten aus.« – »Und wißt Ihr, was ein falscher Paß ist?« – »Eine Erfindung des Teufels, zum Besten seines Familienzirkels.« – »Nun gut, das alles werde ich Euch verschaffen.« – »Eine Perücke?« – »Ja.« – »Die mir paßt?« – »Ja. Meine Auswahl ist groß genug.« – »Auch in falschen Bärten?« – »Ja.« – »Und Gesichtsschmiere?« – »Habe ich topfweise.« – »Und falsche Pässe?« – »Ein ganzes Ries.« – »Señor Cortejo, man sieht wirklich, daß Ihr ein Spitzbube seid!« – »Danke! Ich werde alle diese Sachen auch für mich brauchen.« – »Ihr wollt Euch auch verkleiden?« – »Natürlich!« – »Aber warum?« – »Könnt Ihr das nicht begreifen? Wir treffen da drüben jedenfalls Sternau und andere Bekannte, die nicht wissen dürfen, wer wir sind.« – »So hat es mit der Verkleidung Zeit, bis wir drüben sind?« – »O nein. Wir haben vielleicht gar keine Gelegenheit, Namen, Gestalt und Pässe zu wechseln. Wir können doch kein Schiff, kein Haus, keinen Ort anders verlassen, als wie wir da angekommen sind.« – »Das würde allerdings Verdacht erwecken.« – »So hört! Ich reise als Don Antonio Veridante, Advokat und Bevollmächtigter des Grafen Alfonzo de Rodriganda.« – »Donnerwetter! Ich begreife.« – »Ich habe die Verhältnisse der mexikanischen Besitzungen dieses Herrn zu inspizieren.« – »Natürlich!« – »Und bin mit ausreichenden Vollmachten versehen.« – »Die Ihr Euch selbst ausstellt.« – »Auch der Paß macht keine Schwierigkeiten. Ferner nehme ich Legitimationen auf meinen echten Namen mit, um für alle Fälle gerüstet zu sein.« – »Ihr seid sehr umsichtig.« – »Natürlich brauche ich einen Sekretario.« – »Wo werdet Ihr ihn finden?« – »Ich habe ihn bereits.« – »Ah, so ist der Plan schon längst fertig?« – »Nein, er wird im Gegenteil eben erst entworfen.« – »Sapperment! Der Sekretär oder Schreiber soll wohl ich sein?« – »Natürlich!« – »Auf diese Standeserhöhung kann ich mir viel einbilden.« – »Ihr habt recht. Ein Sekretario ist jedenfalls mehr wert als ein Spitzbube, wie Ihr Euch vorhin genannt habt.« – »Aber dieser Sekretario kann auch einer sein.« – »Möglich.« – »Und sein Herr, der Advokat, ein noch größerer.« – »Nehmt Euch in acht, sonst lasse ich Euch hier sitzen, und Ihr mögt sehen, wie Ihr mit der Polizei fertig werdet. Habt Ihr noch etwas zu fragen?« – »Nein. Es genügt mir, zu wissen, wann und wo wir uns treffen.« – »Getraut Ihr Euch, am Tag die Stadt zu verlassen?« – »Nein, zumal ich einiges Gepäck bei mir habe.« – »So bin ich gezwungen, bis zur Dunkelheit hierzubleiben. Sobald sie eingetreten ist, begebt Ihr Euch bis zum Anfang des ersten Wäldchens an der Straße nach Manresa. Kommt eine Kutsche, so pfeift Ihr den Anfang der Marseillaise, woran ich Euch erkennen werde. Ich will in den Hafen, um mich zu erkundigen. Adieu!« – »Adieu!«

      Die beiden Söhne des Verbrechens gingen auseinander.

      »Verdammt!« murmelte Landola, als er sich allein befand. »Sind diese Kreaturen glücklich entkommen. Welch eine Unvorsichtigkeit, mich während dieser langen Zeit nicht einmal zu erkundigen. Freilich, mir kann ihre Rückkehr weniger schaden. Ich brauche mich einfach nur zu verbergen. Aber dieser Cortejo und seine Sippe, sie sind verloren, sobald es ihm nicht gelingt, der Gefahr gleich anfangs zu begegnen. Fünfzigtausend Dollar. Ah, ich habe noch nicht ja gesagt! Er soll bluten, er soll zahlen! Und dann suche ich mir irgendeinen schönen, verborgenen Erdenwinkel, wo ich meine Reichtümer in Freude und Ruhe genießen kann.«

      Cortejo fand den Dampfer, den Landola meinte. Die Falltür war herabgelassen; er stieg an Bord und traf den Kapitän auf Deck.

      »Sie gehen nach Rio?« fragte er ihn. – »Ja«, antwortete der Seemann. – »Sie nehmen Passagiere auf?« – »Nur anständige.« – »Ich heiße Cortejo …«

      Der Kapitän verbeugte sich.

      »Bin Verwalter sämtlicher Besitzungen des Grafen Alfonzo de Rodriganda.«

      Zweite, noch tiefere Verneigung des Kapitäns.

      »Wir

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