Winnetou 4. Karl May
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Читать онлайн книгу Winnetou 4 - Karl May страница 17
»Hörst du es?« fragte Hariman seinen Bruder. »Er ist ehrlich!«
Da stand Sebulon von seinem Platz wieder auf und stellte sich gerade vor mich hin. Seine Augen brannten, und seine Lippen bebten.
»Mr. Burton«, sagte er, »zeigt mir Eure Uhr!«
Ich erfüllte ihm diesen Wunsch.
»Nur noch zwei Minuten; dann ist die Viertelstunde zu Ende!« nickte er. »Ihr seht, ich gehe auf die Zeitportionen, die Ihr uns zuteilt, ein. Ich mache es genauso kurz, wie Ihr es wollt. Die Folgen aber kommen dann nicht über uns, sondern über Euch und Euer Gewissen! ja, wir heißen Sander, und unser Vater war der, den Ihr kennt. Verkauft Ihr uns den Winnetou?«
»Nein!«
»Fertig mit dem Schriftsteller! Die Zeit ist vorüber, genau bis auf die Sekunde. Nun fünfzehn weitere Minuten für den Westmann! Ich frage Euch: Was haben wir Euch dafür zu zahlen, daß Ihr uns Beide nach dem Nugget-tsil und nach dem ,Dunkeln Wasser‘ führt?«
»Ich tue das überhaupt nicht; ich bin kein Fremdenführer.«
»Aber wenn man es gut, sehr gut bezahlt?«
»Auch dann nicht. Ich brauche kein Geld. Ich tue niemals etwas für Geld.«
»Auch für die höchsten Summen nicht?«
»Nein!«
Da fragte Sebulon seinen Bruder.
»Soll ich? Darf ich?«
Nun nickte dieser, und Sebulon fuhr, zu mir gewendet, fort:
»Ihr werdet es dennoch tun, wenn auch nicht für Geld; darauf könnt ihr Euch verlassen! Kennt Ihr die Sioux?«
»Ja.«
»Und die Apatschen?«
»Welche Frage! Wenn Ihr meinen ,Winnetou‘ wirklich gelesen habt, so wißt Ihr ebensogut wie ich, wie überflüssig sie ist!«
»So hört, was ich Euch sage! Für die Wahrheit dieser meiner Worte legen wir beide unsere Hände in das Feuer. Nämlich die Häuptlinge der Sioux sind von den Häuptlingen der Apatschen eingeladen. Weshalb und wozu, das weiß ich nicht; ich habe nur so viel gehört, es soll Friede sein zwischen ihnen. Nur Häuptlinge sollen erscheinen, Niemand weiter. Die Sioux aber haben beschlossen, diese Gelegenheit zu benutzen, sich mit sämtlichen Gegnern der Apatschen zu vereinigen, um die letzteren zu vernichten. Glaubt Ihr das?«
»Man muß es prüfen«, antwortete ich kalt.
»So fahre ich fort: Es ist ein Ort bestimmt, an welchem sich die Feinde der Apatschen zusammenfinden, um den Kriegs- und Vernichtungsplan zu besprechen. Ich kenne diesen Ort.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Woher? Von wem?«
»Das ist Geschäftssache; Euch aber will ich es sagen, weil ich annehme, daß Ihr mir dann dankbar seid. Ich kenne die Sioux, und sie kennen mich. Unser Beruf als Pferde- und Rinderhändler hat uns häufig zu ihnen geführt. Jetzt haben sie uns ein Geschäft angeboten, welches so groß und so gewinnbringend ist, wie niemals eines zuvor. Wir sollen die Beute, die sie bei den Apatschen machen, übernehmen. Versteht Ihr, was ich meine?«
»Sehr wohl.«
»Und Ihr glaubt also, daß wir gut unterrichtet sind?«
»Auch das hat sich erst noch zu zeigen!«
»Es soll zum Kampf kommen, zu einem beispiellosen Blutvergießen. Ich weiß, daß Ihr ein Freund der Apatschen seid. Ich will sie retten. Ich will Euch Gelegenheit geben, die Pläne ihrer Feinde zunichte zu machen. Ich will Euch an den Ort bringen, an welchem diese Feinde sich beraten. Ich will auf allen Gewinn, der uns in Aussicht gestellt worden ist, verzichten. Und ich verlange dafür nur das eine, daß ihr uns zu den beiden Orten führt, die ich Euch bezeichnet habe. Nun sagt, ob Ihr das wollt! Aber sagt es schnell, bestimmt und deutlich heraus! Wir haben keine Zeit!«
Er hatte sehr rasch gesprochen, um möglichst wenig Zeit zu verbrauchen. Das klang doppelt »ängstlich und doppelt eindrucksvoll. Ich erkundigte mich trotzdem in langsamer, gemächlicher Weise:
»An den Ort, wo die Beratung stattfindet, wollt Ihr mich führen? Wohin geht dieser Weg?«
»Hinauf nach Trinidad.«
»Welches Trinidad meint Ihr? Es gibt ihrer mehrere.«
»Im Kolorado.«
In diesem Trinidad wohnte ein alter, guter Bekannter von mir, namens Max Pappermann, einst ein sehr brauchbarer Präriejäger, jetzt aber Besitzer eines sogenannten Hotels. Er war von deutscher Abstammung und hatte die Eigentümlichkeit, seinen Namen für die Quelle alles Unheils, welches ihn traf, zu halten. Er sprach seinen Vornamen nicht mit dem englischen e, sondern noch mit dem deutschen a aus, konnte aber infolge eines Sprachfehlers mit dem x nicht fertig werden; sein Max wurde stets zum Maksch. Obgleich er sich hierüber tief, tief unglücklich fühlte, kam es ihm doch gar nicht in den Sinn, das zu tun, was jeder Andere an seiner Stelle getan hätte, nämlich diesen Namen möglichst zu vermeiden; er gab ihn ganz im Gegenteile bei jeder Gelegenheit zu hören und wurde darum aus diesem und noch einem anderen Grund von jedermann »der blaue Maksch« genannt. Er hatte nämlich auf einem seiner Streifzüge durch den Westen das Unglück gehabt, sich die linke Seite des Gesichtes durch explodierendes Pulver zu verbrennen. Dabei war ihm zwar kein Auge verloren gegangen, aber die von dem Pulver getroffene Hälfte des Gesichtes hatte sich für immer blau gefärbt. Er war unverheiratet geblieben, aber ein lieber, prächtiger, treuer und aufopferungsvoller Kamerad, mit dem ich einige Male für nur kurze Zeit zusammengetroffen war. Ich hatte dabei im Verein mit Winnetou Gelegenheit gefunden, ihm bei einem Überfall durch die Sioux helfend beizustehen, und er vergrößerte diesen doch nur gelegentlichen Dienst in der Weise, daß er sich uns, wie er sich auszudrücken pflegte, zur »ewigen und eternellen Dankbarkeit« verpflichtet fühlte. Er war einer von den Westmännern, die ich wirklich und herzlich liebgewonnen hatte.
Zur Vervollständigung will ich hinzufügen, daß dieses Trinidad die Hauptstadt der Grafschaft Las Animas im nordamerikanischen Staate Kolorado ist, den Knotenpunkt mehrerer Bahnen bildet und noch heutigen Tages einen nicht unbedeutenden Viehhandel treibt. Dieser letztere Umstand war wohl die Ursache, daß auch die beiden Enters sowohl die Stadt als auch ihre Umgegend sehr gut kannten. Sebulon fuhr in seiner Auskunftserteilung fort, indem er mich fragte:
»Seid Ihr schon einmal da oben in Trinidad gewesen, Mr. Burton?«
Ich antwortete ausweichend:
»Muß mich erst besinnen. Bin an so vielen Orten gewesen, daß ich nicht wenige von ihnen aus dem Gedächtnis verloren habe. Also da oben liegt das Rendezvous aller Feinde der Apatschen?«
»Ja, aber nicht etwa in Trinidad selbst, sondern ein bedeutendes Stück von da in die Berge hinein.«
»So?! Ihr scheint mich für einen Abcschützen zu halten, weil Ihr mir zumutet, anzunehmen, daß die Roten, deren Absichten doch wohl geheim bleiben sollen, eine so belebte Stadt zum Stelldichein wählen. Diese Eure Ansicht über mich ist wohl nicht geeignet, mich zu einem Anschluß an Euch zu bewegen. Ich will nun nur noch fragen, wann man da oben einzutreffen hätte.«
»Wir reisen schon