Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago. Gustave Flaubert
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Nachdem sich der Suffet eine Weile nach einem bequemen Platz für eine Anrede an die Soldaten umgesehen hatte, gab er einen Wink. Die Sänfte machte Halt, und auf zwei Sklaven gestützt, stieg er unbeholfen heraus.
Er trug schwarze Filzschuhe mit silbernen Monden besät. Seine Beine waren wie die einer Mumie mit Binden umwickelt, und das Fleisch quoll zwischen den sich kreuzenden Leinenstreifen hervor. Sein Bauch hing über den Scharlachschurz herab, der seine Schenkel bedeckte, und die Falten seines fetten Halses hingen ihm – wie einem Stier die Wampe – bis auf die Brust. Seine mit Blumen bestickte Tunika krachte in den Achselhöhlen. Er trug ein Bandolier, eine Feldbinde und einen schwarzen Mantel mit doppelten Puffärmeln. Der Pomp seines Anzuges, sein breites Halsband aus blauen Steinen, die goldenen Spangen und die schweren Ohrgehänge machten seine Mißgestalt noch abstoßender. Er sah aus wie ein aus Stein gehauenes plumpes Götzenbild. Das leblose Aussehen verlieh ihm der weiße Aussatz, der seinen ganzen Körper bedeckte. Lediglich seine Nase, krumm wie ein Geierschnabel, bewegte sich heftig, beim Einatmen, und seine kleinen Augen mit den klebrigen Wimpern schimmerten in hartem, metallischem Glanze. In der Hand hielt er einen Spatel aus Aloeholz, um sich die Haut zu kratzen.
Nunmehr stießen zwei Trompeter in ihre silbernen Hörner. Der Lärm legte sich, und Hanno fing an zu sprechen. Er begann mit einer Lobrede auf die Götter und auf die Republik. Die Barbaren sollten sich glücklich preisen, ihr gedient zu haben. Man müsse vernünftig sein, die Zeiten seien schwer – »und wenn ein Herr nur drei Oliven hat, ist es nicht recht, daß er zwei für sich behalte?«
Derart vermischte der alte Suffet seine Rede mit Sprichwörtern und Gleichnissen und nickte dabei in einem fort mit dem Kopfe, als wolle er damit Beifall hervorrufen.
Er sprach punisch, aber die Umstehenden (die Hurtigsten, die ohne ihre Waffen herbeigeeilt waren) waren Kampaner, Gallier und Griechen, so daß ihn von den vielen Leuten kein einziger verstand. Hanno bemerkte es, hielt inne und wiegte sich schwerfällig und nachdenklich von einem Bein auf das andre.
Er kam auf den Einfall, die Hauptleute zusammenzurufen, und seine Trompeter riefen diesen Befehl auf griechisch aus. Seit Xanthipp war Griechisch die Kommandosprache im karthagischen Heere.
Die Gardisten trieben die herandrängenden Söldner mit Peitschenhieben zurück, und alsbald nahten die Hauptleute der nach spartanischem Muster gebildeten Phalanx und die Offiziere der Barbarenkompagnien in ihren nationalen Rüstungen und mit ihren Rangabzeichen. Die Nacht war herabgesunken, und lautes Getöse erscholl ringsum in der Ebene. Da und dort brannten Lagerfeuer. Man ging von einem zum andern und fragte einander: »Was soll das? Weshalb zahlt der Suffet nicht das Geld aus?«
Hanno rechnete den Hauptleuten die außerordentlichen Lasten der Republik vor. Der Staatsschatz sei leer. Der Tribut an die Römer sei erdrückend … »Wir wissen nicht mehr aus noch ein … Karthago ist wirklich beklagenswert!«
Von Zeit zu Zeit kratzte er sich die Glieder mit dem Aloespatel, oder er unterbrach sich, um aus einer silbernen Schale, die ein Sklave ihm reichte, einen Trank aus Wieselasche und in Essig gekochten Spargeln zu schlürfen. Dann wischte er sich die Lippen mit einem Scharlachtuch und hub wieder an:
»Was früher einen Sekel Silber wert war, gilt jetzt drei Sekel Gold. Die während des Krieges verwahrlosten Äcker bringen nichts ein. Unsre Purpurfischereien sind fast zugrunde gerichtet, und selbst die Perlen werden äußerst selten. Kaum haben wir noch Salben genug zum Gottesdienste! Was die Nahrungsmittel anbetrifft, so will ich gar nicht davon reden … Das ist ein Elend! Aus Mangel an Galeeren bekommen wir keine Gewürze, und wegen der Aufstände an der Grenze von Kyrene kann man sich nur mit Mühe und Not Silphium verschaffen. Sizilien, das uns viele Sklaven lieferte, ist uns jetzt verschlossen. Gestern erst habe ich für einen Badeknecht und vier Küchenjungen mehr gezahlt als für ein Paar Elefanten!«
Er entrollte ein langes Papyrusstück und verlas, ohne eine einzige Ziffer zu übergehen, alle Ausgaben, die von der Regierung gemacht worden waren: so viel hatte die Wiederherstellung der Tempel gekostet, so viel die Straßenpflasterung, so viel der Bau der Kriegsschiffe, so viel die Korallenfischerei, so viel die Vergrößerung der Syssitien und so viel die Maschinen in den Bergwerken im Lande der Kantabrer.
Aber die Hauptleute verstanden ebensowenig Punisch wie die Gemeinen, wiewohl sich die Söldner in dieser Sprache begrüßten. Man pflegte in den Barbarenheeren einige karthagische Offiziere anzustellen, die als Dolmetscher dienten. Doch hatten sich diese nach dem Kriege aus Furcht vor der Rache der Söldner unsichtbar gemacht, und Hanno hatte nicht daran gedacht, welche mitzunehmen. Überdies verlor sich seine dumpfe Stimme im Winde.
Die Griechen mit ihren ehernen Waffengehenken um den Leib lauschten gespannt und bemühten sich, Hannos Worte zu erraten, während die Bergbewohner, in Pelze gehüllt wie Bären und auf ihre mit Eisennägeln beschlagenen Keulen gestützt, ihn mißtrauisch anblickten oder gähnten. Die unaufmerksamen Gallier schüttelten grinsend ihren hohen Haarschopf, und die Wüstensöhne, in graue Wollkittel gemummt, hörten unbeweglich zu. Andre kamen von hinten herzu. Die Gardisten, von dem Schwarme gedrängt, schwankten auf ihren Pferden. Die Neger hielten brennende Fichtenzweige hoch, aber der dicke Karthager, der auf einen Rasenhügel getreten war, fuhr in seiner Ansprache fort.
Indessen wurden die Barbaren ungeduldig. Murren erhob sich. Ein jeder rief Hanno etwas zu. Der gestikulierte mit seinem Spatel. Die einen wollten die andern zum Schweigen bringen, überschrien einander und vermehrten dadurch den Tumult.
Plötzlich sprang ein Mann von dürftigem Aussehen vor Hannos Füße, entriß einem Herold die Trompete und stieß hinein. Spendius war es. Er erklärte, daß er etwas Wichtiges zu sagen hätte. Auf diese Erklärung hin, die er rasch in fünf Sprachen – griechisch, lateinisch, gallisch, libysch, balearisch – wiederholte, antworteten die Hauptleute halb belustigt, halb überrascht:
»Sprich! Sprich!«
Spendius zauderte. Er zitterte. Endlich wandte er sich an die Libyer, die am zahlreichsten anwesend waren, und sagte:
»Ihr habt alle die furchtbaren Drohungen dieses Mannes gehört!«
Hanno widersprach nicht. Somit verstand er kein Libysch, und Spendius wiederholte, um die Probe fortzusetzen, den nämlichen Satz in den andern barbarischen Sprachen.
Man blickte erstaunt einander an. Sodann aber nickten alle, in der Einbildung, Hannos Rede doch verstanden zu haben, zum Zeichen ihrer Zustimmung wie in stummer Übereinkunft mit den Köpfen.
Da begann Spendius mit gewaltiger Stimme:
»Zunächst hat er gesagt, die Götter der übrigen Völker seien neben Karthagos Göttern nur Phantasiegebilde. Er hat euch Feiglinge, Gauner, Lügner, Hunde und Söhne von Hündinnen genannt! Ohne euch – so hat er gesagt – wäre die Republik nicht gezwungen, den Römern Tribut zu zahlen, und durch eure Ausschreitungen hättet ihr die Vorräte an Wohlgerüchen, Gewürzen, Sklaven und Silphium erschöpft, denn ihr wäret im Einvernehmen mit den Nomaden an der Grenze von Kyrene! Aber die Schuldigen sollen bestraft werden! Er hat das Verzeichnis dieser Strafen verlesen. Man will sie beim Straßenpflastern, beim Schiffsbau und bei der Ausschmückung der Syssitien arbeiten lassen. Die übrigen sollen im Lande der Kantabrer in den Bergwerken Frondienste tun!«
Das gleiche wiederholte er den Galliern, den Kampanern, den Baleariern. Da die Söldner mehrere von den Eigennamen, die ihr Ohr bei Hannos Rede getroffen hatte, wieder heraushörten, so waren sie überzeugt, daß Spendius die Rede des Suffeten wortgetreu wiedergegeben habe. Etliche schrien ihm zwar zu: »Du lügst!« Doch der Lärm der übrigen verschlang ihre Stimmen.
Spendius begann abermals:
»Habt