Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen. Gerstäcker Friedrich

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Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen - Gerstäcker Friedrich

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Heimgekehrten zu begrüßen.

      Die gefangenen Matrosen hoben wohl die Köpfe und blickten dort hinüber, aber der Jubel galt ihnen nicht, das wußten sie recht gut, und mißmuthig, und Manche wohl mit ängstlich pochendem Herzen sanken sie in ihre früheren Stellungen zurück, die Landung und damit den Befehl zum Aufstehen zu erwarten.

      Die Indianer, in deren Gewalt sie sich befanden, hatten sich übrigens die ganze Zeit entsetzlich wenig um sie gekümmert, und nur nicht gelitten, daß sie sich bewegten. Außerdem hatten die Gefangenen aber auch keine Ahnung, was aus ihrem Capitain und der übrigen Mannschaft geworden sein konnte. Ob die Wilden ihre Kameraden gefangen oder sämmtlich erschlagen und nur sie vielleicht für ein ganz besonderes Festmahl aufgespart hatten, oder ob sie von dem Schiff, dessen Schüsse sie gehört, gerettet worden – sie wußten's nicht und – kümmerten sich auch in der That nicht viel darum. In diesem Augenblicke hatte Jeder zu viel mit sich selber und seiner eigenen Haut zu thun, um besonders viel auf den Nachbar zu denken.

      Von der frischen Brise getrieben, schossen die wackeren Canoes indeß dem Landungsplatze entgegen, und der Federschmuck, mit dem die hochgeschwungenen Buge geziert waren, flatterte lustig im frischen Winde. Jetzt formten sie sich in langer Reihe, das Boot ihres jungen Häuptlings mit Hua in seinen Armen voran, die anderen ihm folgend in wildem Jubel und mit Siegesliedern, und als die scharfgebauten Schnäbel den Corallensand berührten, da stießen die am Ufer versammelten Insulaner ein solches tolles entsetzliches Geschrei aus, daß die Luft ordentlich erbebte und die Gefangenen in banger Ahnung zusammenschauderten.

      2

      Wohl waren sie an dem Raub des Mädchens vollkommen unschuldig, würden aber diese Barbaren darauf Rücksicht nehmen? Sie gehörten mit zu dem Schiff, das die Gastfreundschaft der Eingeborenen in so undankbarer, böser Weise vergolten, und was der Capitain gesündigt, konnte jetzt wahrscheinlich die Mannschaft entgelten.

      Im Anfang nahm aber Niemand von ihnen auch nur die mindeste Notiz. Die Mannschaft der Canoes sprang, so wie ihre Fahrzeuge Grund berührten, über Bord und an Land, und schaute sich nicht einmal nach den Europäern um. Diese blieben auch noch immer, eines weiteren Befehls gewärtig, im Boote und richteten sich nur jetzt halb auf, dem wilden Toben am Lande zuzusehen.

      „Guten Morgen, Lemon,“ sagte da Jonas, als er den also benannten Kameraden dicht neben sich erblickte – „auch mit angekommen? – und Spund, Pfeife und Lord Douglas sind auch mit da?“

      „Die ganze blutige Gesellschaft,“ knurrte Lemon mit einem Gesicht, als ob er sich und die ganze übrige Welt hätte vergiften können. „Jetzt haben wir die Bescheerung!“

      „Und wo ist unser zweiter Harpunier?“ fragte Jonas, sich nach diesem unter den Gefangenen umsehend, „denn unser Boot ist doch wenigstens hier beisammen.“

      „Das ist dem zweiten Harpunier seine Sache!“ knurrte Lemon. „Wahrscheinlich frühstückt er heute Morgen mit irgend einem Haifisch – hol' ihn der Teufel!“

      „Hallo, Mates, an Land!“ rief da der Schotte Mac Kringo seinen Kameraden zu – „seht ihr nicht, wie uns das dicke Rothfell da drüben zuwinkt und schreit? – Sie wollen die Canoes wahrscheinlich auf die Corallen ziehen.“

      „Na dann look out for a squall!“ murmelte Jonas vor sich hin, indem er langsam den voransteigenden Gefährten folgte. „Jetzt wird die Bombe platzen.“

      Seine Befürchtung zeigte sich indessen, wenigstens für den Augenblick, unbegründet, denn die Insulaner, die für jetzt noch viel zu sehr mit dem geretteten Mädchen, der Tochter des Häuptlings, zu thun hatten, thaten gar nicht, als ob die weißen Männer auch nur auf der Welt wären. Ohne selbst bei dem Aufslandziehen der Boote ihre Hülfe in Anspruch zu nehmen, ließ man den kleinen Trupp der eingebrachten Europäer unbeachtet, selbst unbewacht am Ufer stehen, und Alles drängte sich jetzt nur um Hua her, Männer, Frauen und Kinder, sie zu bewillkommnen, sie zu umarmen.

      In vielen Augen standen sogar Freudenthränen, mit denen sie das geliebte und schon fast verloren gegebene Kind begrüßten.

      Während aber noch ein Theil der Insulaner so umhersprang und jubelte oder sich wieder und wieder die Abenteuer der letzten Nacht von den Freunden erzählen ließ, gingen andere mehr praktisch auf die nächsten Bedürfnisse der Neuangekommenen ein, die jedenfalls nach ihrer langen gefährlichen Fahrt Hunger haben mußten. Im Schatten der nächsten Palmen wurden ihre gewöhnlichen Kochgruben zum Rösten der Ferkel rasch hergerichtet, Brotfrüchte, Bananen und Fische herzugeschafft und Alles geordnet, ein baldiges und reichliches Mahl zu versprechen.

      Die Frauen verrichteten dabei gar keine oder nur die leichteste Arbeit, pflückten breite Blätter, besonders von den Hibiscusbäumen, die zu Tischtüchern und Servietten dienen sollten, holten in leeren Cocosnüssen Seewasser herbei, das die Stelle des Salzes vertrat, und pflückten Früchte von den nächsten Büschen, welche dann die Knaben zu den beabsichtigten Eßplätzen trugen.

      Die Europäer standen indessen noch immer auf einem Trupp und leise flüsternd zusammen, sahen zu, wie die Ferkel ausgenommen und geröstet wurden, und wie die Gäste schon Miene machten, ihre verschiedenen, ihnen durch den Rang angewiesenen Plätze einzunehmen.

      Da trat plötzlich Toanonga, der Häuptling der Insel und Vater Hua's, aus dem Kreis der Seinen, wackelte gemüthlich auf die Matrosen zu, vor denen er, beide Hände auf seine Hüften legend, stehen blieb, und sagte:

      „Chio do fa, ihr Männer – chio do fa – ihr seid nicht lange fortgeblieben und habt schöne Streiche mit eurem großen Canoe gemacht. Wi23! – Wi, ihr Burschen, war das der Dank, daß ihr so viel Brotfrucht und Cocosnüsse und Bananen und Ferkel hier bekommen habt und so freundlich von uns aufgenommen worden seid? – Wi! schämt euch – und wie ihr jetzt da steht! – Toanonga möchte nicht in eurer Haut stecken, nicht um alle Glasperlen der ganzen Welt.“

      Wenn die Meisten der Schaar auch nicht die Worte verstanden, fühlten doch Alle deutlich genug, was der Mann eigentlich zu ihnen sagte, was er sagen und denken mußte – und er hatte Recht. Die armen Teufel befanden sich so unbehaglich wie möglich und sahen, nach einem spätern Vergleich Spund's, wirklich gerade so aus, wie ein Hund, den man beim Stehlen erwischt.

      Der alte würdige Insulaner war dabei sehr ernst und finster geworden, und Spund, der Furchtsamste der Schaar, that schon einen Schritt vor, ihm wo möglich zu Füßen zu fallen und um Gnade zu bitten. Mac Kringo jedoch, der Einzige von ihnen, der die Landessprache verstand und darin verkehren konnte, während die Übrigen bis jetzt nur Worte davon begriffen, trat da vor und sagte:

      „Du hast Recht, Toanonga, es war ein schlechter Streich, den dir der Capitain gespielt – aber was können wir dafür? Waren wir in dem Boot, das deine Tochter vom Lande stahl? Nicht ein Einziger. Frag sie selber, und sie muß dir meine Worte bestätigen. Du bist deshalb auch zu vernünftig, uns das entgelten zu lassen, was ein Anderer verbrochen hat.“

      „Schweig du, bis du gefragt wirst, mein Bursche,“ rief aber Toanonga, der es für unter seiner Würde hielt, sich mit einer untergeordneten Person – und er wußte recht gut, daß die Matrosen das an Bord der Schiffe waren – in ein Argument einzulassen. „Ihr steckt alle mit einander unter einer Decke, und wenn du in dem Boote gewesen wärest, würdest du eben so gut gerudert haben, und wie die Anderen es gethan, sobald es dir dein Capitain befohlen.“

      „Tai halla! tai halla! – gewiß!“ schrieen jetzt eine Menge junger Burschen, die sich herbeigedrängt, so wie sie sahen, daß ihr Häuptling mit den Papalangis sprach, und wilde Ausrufe, hier und da auch mit Verwünschungen gemischt, kreuzten toll und laut durch einander.

      Da hob Toanonga nur den Arm auf, und

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<p>23</p>

Wie: Pfui – schäme dich.