«1906». Der Zusammenbruch der alten Welt. Grautoff Ferdinand Heinrich

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«1906». Der Zusammenbruch der alten Welt - Grautoff Ferdinand Heinrich

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werden. Die Boote wurden schleunigst zurückgerufen. Nichtsdestoweniger nahm der Feind mit anerkennenswerter Fixigkeit das neue Gefecht auf. Schlimm stand es nur um die „Wallaroo“, die wie ein gestrandeter Pottwal auf dem Korallenriff hing.

      Ungefähr stand die Partie gleich. „Tauranga“ und „Thetis“ waren gleichwertig und der kleinere „Cormoran“ konnte es mit der havarierten „Wallaroo“ aufnehmen. Nun kam der starke Mannschaftsverlust auf seiten des Feindes hinzu.

      Ein glücklicher Schuß traf die zurückkehrende Dampfpinasse, durchschlug den Kessel, der explodierte, und in einer halben Minute war das Fahrzeug von den Wogen verschlungen; auch ein anderes Boot ward von einer Granate getroffen. Das voreilige Landungsmanöver kostete dem Feinde in 5 Minuten über 60 Mann, da die rasch näher kommenden Deutschen das Feuer der leichten Geschütze auf die Boote konzentrierten. Die Einzelheiten des Gefechtes ließen sich infolge des Pulverdampfes, – „Thetis“ und „Cormoran“ waren mit ihrer rauchschwachen Munition sehr im Vorteil – den die englischen Geschütze entwickelten, nicht genau verfolgen.

      „Wallaroo“ litt furchtbar. Die Geschosse vom „Cormoran“ fegten das Deck, die ohnehin spärliche Bedienungsmannschaft der Geschütze wurde niedergemäht. Deckaufbauten und Schornstein wurden heruntergeschossen. Doch die Engländer zeigten, daß man unter dem Union Jack noch zu sterben wisse. Gegen ½2 Uhr ward es still auf der „Wallaroo“, die wie ein totes Werk, eine qualmende Ruine auf dem Riff lag. Der Wind drückte den Pulverdampf nieder, rastlos klapperten die Maschinengeschütze, in kaum sekundenlangen Pausen entsandten die 10 cm Geschütze ihre heulenden Projektile. Aber schon wurden die Zwischenräume zwischen den feindlichen Schüssen größer. Die „Tauranga“ hatte nur noch einen Schornstein; vom „Cormoran“, der mehrere Volltreffer aufwies, war ein Mast über Bord gegangen. Scheinwerfer und Peilkompaß glichen einem wüsten Gewirr von Eisenstäben. Weiter tobte der Kampf. Jetzt verließ die „Tauranga“ ihre Position, sie machte eine brillante Wendung nach Steuerbord und schrammte in fliegender Fahrt mit dem Heck fast den „Cormoran“. Dieser Augenblick wurde mit scharfem Blick von einem englischen Kanonier erfaßt. Ein Geschoß traf die Mündung des Backbordtorpedorohres des „Cormoran“. Ein weißer Blitz, eine betäubende Detonation – hoch stob der Gischt empor, in der Breitseite des „Cormoran“ klaffte bis unter die Wasserlinie ein meterbreiter Riß, durch den gurgelnd und brandend das Wasser in das Innere stürzte. Außerdem war einer der Backbordkessel zertrümmert, und weißer Dampf brach aus allen Decksöffnungen.

      Das Schiff lag gefährlich nach Backbord über; die Situation war kritisch. Kurz entschlossen gab daher der Kommandant das Kommando in die Maschine: „Volldampf voraus“. In voller Fahrt passierte der „Cormoran“ die drohenden Korallenbänke, erreichte die innere Bucht von Apia und lief sicher gesteuert auf dem weichen Schlickgrund des Hafens auf, just an derselben Stelle, wo 1889 die „Olga“ durch ein ähnliches Manöver einer anderen Gefahr entging. Sowie der Schiffsboden so einen Stützpunkt gefunden hatte, pendelte der Kreuzer wieder in die horizontale Lage zurück und lag jetzt ruhig wie ein Block in der leichten Brandung. Der Choc warf eine mächtige Welle auf den Strand.

      Freilich schied der „Cormoran“ so aus dem Gefechte aus, aber Schiff und Besatzung waren gerettet, und die „Thetis“ hatte ja auch nur noch mit der arg zusammengeschossenen „Tauranga“ zu tun, deren Maschinenleistung durch Versagen eines Kessels und durch Zerstörung eines anderen durch eine deutsche Granate, die das schwache Panzerdeck durchschlagen hatte, erheblich reduziert war. In dem Moment der Explosion auf dem „Cormoran“ hatte die „Tauranga“ einen kurzen Vorsprung vor der „Thetis“ gewonnen. Diese folgte ihr jetzt und es entspann sich ein laufendes Feuergefecht, das aber nicht lange dauern konnte, da die „Thetis“ noch ziemlich intakt war.

      Die Absicht des englischen Kommandanten war klar; er wollte das aussichtslose Gefecht mit Ehren zu Ende führen. Er hielt den Kurs eine Seemeile vom Lande parallel der Küste.

      Die „Thetis“ folgte unter voller Maschinenkraft und lief der „Tauranga“ schnell auf. Deren zwei Heckgeschützen gegenüber hatte die „Thetis“ sechs 10 cm-Geschütze im Gefecht und dieser Umstand entschied bereits nach 20 Minuten, zumal die Bedienung der beiden englischen Geschütze (dreimal abgelöst) unter dem Schloßenhagel der Maschinengeschütze schnell zusammenschmolz. Kurz nach 2 Uhr schor die „Tauranga“ nach Steuerbord aus und lief auf dem Korallenriff auf. Das Vorschiff bäumte sich hoch auf, das Heck fast unter Wasser drückend. Der furchtbare Anprall warf alle zu Boden.

      Der Kampf war zu Ende. Die „Thetis“ stoppte 100 m von der „Tauranga“, die den Union Jack herunterholte. Im selben Moment gingen zwei Boote der „Thetis“, die einzigen noch verwendbaren, zu Wasser, um die Überlebenden der „Tauranga“, der sämtliche Boote zerschossen waren, herüberzuholen.

      Als der englische Kommandant das Fallreep der „Thetis“ betrat, schlug der Tambour den Ehrensalut, die Mannschaft präsentierte. Kapitänleutnant Hartmann begrüßte den geschlagenen Gegner mit einem Händedruck und wies dessen Degen mit stummer Gebärde zurück. Als die „Thetis“ dann drehte und den Kurs wieder auf Apia nahm, rutschte das Wrack der „Tauranga“ von dem Riff herunter und versank in den Fluten, ein ungeheurer Sarg für die an Bord zurückgelassenen Toten.

      Brausender Jubel empfing die Sieger am Lande. Ernst und würdig war aber der Ton der Begrüßung. Dr. Solf ließ sich sofort an Bord der „Thetis“ rudern. In stummer Ergriffenheit schüttelte er Kptlt. Hartmann immer wieder die Hände. Apia war gerettet, aber unter welchen Opfern! und auf wie lange! denn das war jetzt der Krieg. In diesem Augenblicke loderten vielleicht schon überall auf dem ganzen Erdenrund die Flammen empor.

      Es ist nur noch wenig über die Ereignisse in Apia nachzutragen: Am folgenden Tage wurden die Toten, Freund und Feind, soweit sie nicht auf dem Grunde des Meeres ruhten, nebeneinander bestattet. Aus den Berichten der 5 Geretteten von der „Möwe“ ging hervor, daß das Schiff gleich in den ersten Minuten von den feindlichen Geschossen furchtbar zerfetzt worden war. Sonderbarerweise blieb die Maschine intakt. Da faßte der Kommandant den verzweifelten Entschluß, die „Wallaroo“ zu rammen. Als die „Möwe“ ungefähr noch 50 m von der „Wallaroo“ entfernt war, ließ der Engländer die Maschine rückwärts schlagen und rannte so mit voller Kraft auf das dicht hinter ihm liegende Korallenriff auf. So war die Strandung zu erklären.

      Die „Wallaroo“ aus dem die deutschen Seeleute mit eigener Lebensgefahr mehrere Verwundete geborgen hatten, brannte in der Nacht gänzlich aus, eine gigantische Todesfackel über dem Grabe der Gefallenen.

      In den nächsten Tagen ging es an das Ausflicken der „Thetis“, bei der es nur einige Schußlöcher im Rumpf und in den Schornsteinen und die Boote zu reparieren gab. Zwei stark beschädigte Maschinenkanonen wurden an Land geschafft. So war der Kreuzer schon nach zwei Tagen wieder fertig. Schlimmer sah es mit dem „Cormoran“ aus. Auf die Reparatur des Dampfkessels mußte verzichtet werden. In die zerschmetterte Bordwand fügte man einige Stahlplatten vom Wrack der „Wallaroo“ ein, die leidlich passend gemacht wurden und so war der „Cormoran“ nach einer Woche einigermaßen wieder zurechtkalfatert. Schön sah das Pflaster zwar nicht aus, aber mit Farbe läßt sich dem Auge manches verdecken. Dann wurde der „Cormoran“ geleichtert und von der „Thetis“ abgeschleppt. Nirgends zeigte sich ein Leck. Mit den Kohlenvorräten am Lande füllte man die Bunker wieder auf, und am 26. März lagen beide Schiffe vollkommen gefechtsbereit wieder auf der Reede.

      Was war inzwischen aber in der Welt vorgegangen!

      Im deutschen Reichstag

      Der Abgeordnete Stadthagen redete bereits zwei Stunden. Die meisten der spärlich erschienenen Volksvertreter hatten sich vor der alten Phrasengießkanne in die Restaurationsräume geflüchtet, denn nach dem durch jahrelange Gewohnheit geheiligten Brauch benutzte der grauhaarige Genosse die Beratung des Etatskapitels: Gehalt des Reichskanzlers, um alles das, was die sozialdemokratische Presse im Laufe des letzten Halbjahres ihren gläubigen Lesern an wirklichen und

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