Briefe an Ludwig Tieck 3. Various

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Briefe an Ludwig Tieck 3 - Various

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im eigentlichsten Sinne genialen, hochbegeisterten Gelehrten und Alterthumsforschers heißen die bekanntesten: Geschichte hellenischer Stämme und Staaten, 3 Bde. (1820–24). – Handbuch der Archäologie der Kunst (1830). – Die Etrusker, 2 Bde. (1828). – Geschichte der griechischen Litteratur bis auf das Zeitalter Alexanders, 2 Bde. (1841) u. s. w.

      Galt es dem kurzen, aber ruhmgekrönten Leben und Streben des herrlichen Mannes für ein vielsagendes Vorzeichen, daß er an Goethe’s Geburtstage geboren ward, so haben wir auch wohl ein Anrecht, mit ernster tiefer Rührung darauf hinzuweisen, daß Er – Ottfried Müller – in Griechenland, in seiner eigentlichen Heimath gestorben ist; daß, da der Tod ihn dort ereilte, noch nicht alle Hoffnungen zerstört waren, die sein warmschlagendes Herz für die Auferstehung jenes Volkes hegte. —

      Und möchten die Mißklänge barbarischer Zwietracht, welche sich neuerdings in und um Athen erhoben, den Frieden des Haines nicht stören, welchen einst Sophokles gepriesen; in dessen aus Lorbeer, Weinstock, Oel- und Feigenbaum gewobenem Dickicht heute wie damals Nachtigallen singen; des Haines, den die vom Kephissos herabrieselnden Wasserquellen immer frisch und grün erhalten. – Wo er sich nach der Höhe hinauf zieht, steht eine Säule von weißem Marmor. Sie bezeichnet Ottfried Müllers Grab.

      I

5. Dec. 19.Verehrtester Herr Doktor

      Wenn zwei zuvorkommende Herrn, Hofrath Reuß und mein Freund Max, beide gleich bemüht Ihnen zu dienen, mir alle Gelegenheit abgeschnitten haben, mich durch eine Gefälligkeit oder kleine Gabe bei Ihnen beliebt zu machen, so rechnen Sie mir das gewiß nicht an, sondern nehmen nach Ihrer Güte den guten Willen für die That. Wie danke ich dieser Güte alle Annehmlichkeiten meines Aufenthalts in Dresden, und wie selten kann ich an die zwei Monate denken, ohne Sie zugleich im Herzen preisen zu müssen.

      Die Zeit ist nun leider vorbei, und auf die saumseelig hingetändelten Tage und Wochen sind nun andre recht schlimme gefolgt, wo es scharf hergeht und alle Kräfte erbarmungslos mitgenommen werden. Doch hält mich das Interesse der Wissenschaft aufrecht, in der mir so Vieles noch sehr neu ist, wie ich überhaupt merke, daß jetzt erst das Lernen recht angeht, und ich nach dem akademischen Triennium, wo ich blos gegessen, nun ein andres Triennium brauche, um einigermaßen zu verdauen, eh’ es ordentlich in’s Blut gehn kann.

      Zu diesem stillen Insichhineinarbeiten ist Göttingen ein ganz trefflicher Ort, ganz geeignet, um was an andern Orten excentrisch und polarisch hervortritt, ruhig zu verarbeiten und hübsch ins Gleiche zu bringen. Ein ähnlicher Ton herrscht in den Gesellschaften, ohne Liebe und Haß, ohne sonderliches Anziehn und Abstoßen, dabei aber doch ein allgemeines Wohlwollen, und eine freundliche Schonung fremder Schwächen. Besonders wohl fühle ich mich in Heerens Familie, wo noch Heyne’scher Geist weht, auch die Frau Hofräthin, eine treffliche Frau, hat mich in ihren besondern Schutz und unter ihre Aufsicht genommen. – Auch mein nächster Kollege, Dissen, ist ein trefflicher Mann, so gelehrt wie anspruchslos, und mit seinem richtigen und durchdringenden Urtheil, der Bestimmtheit und Sicherheit seines Wissens, und dem unfehlbaren Treffen auf den Punkt in allem, was er thut, grade der, an dem ich mich heranbilden muß. Aber ein Mann von eigentlich ergreifender Kraft der Seele und des Worts, der ein wirkliches Schauen an die Stelle aller Schulbegriffe und Distinktionen setzte, fehlt hier ganz. Wie würde sich Steffens Genius hier ausnehmen.

      Aber wie bin ich nach Göttingen gekommen, ich werde nie ohne Schaudern an diesen Weg denken. Ich fuhr über Merseburg; wäre ich nur auf der Chaussee über Erfurt gefahren. Ich hatte von Leipzig nur einen halbbedeckten Wagen mit einem Pferde genommen, aber auf den grundlosen Wegen, die bald steil bergan gingen, bald sich in den tiefsten Hohlwegen verloren, brauchte ich oft Vorspann und kam kaum von der Stelle. Dazu beständiger Regen, der in der Nähe des Gebirgs halb zu Schnee wurde, eine Mischung, die ganz vorzüglich geeignet ist bis auf die Haut zu durchnässen und zu erkälten, und mit der man selbst griechisches Feuer auslöschen könnte. Daß ich nicht eben wohl verwahrt war, denken Sie gewiß, ohne daß ich es sage. Ich kroch alle Abende zitternd und starr vor Kälte unter Dach, und es kostete Stunden mich zu erwärmen. In einem Dorfwirthshaus, wo ich einmal, nachdem ich mich mit dem Wege gänzlich verrechnet hatte, bei einbrechender Nacht einkehren mußte, traf ich zu meinem Vergnügen die Wirthin, die Sie in der Novelle so schön gezeichnet haben, freilich nicht so veredelt wieder. Es war Hessenrode hinter Nordhausen, und unglücklicher Weise daselbst Kirchmeß, so daß ich mich mitten unter dem lustigen Bauer- und Soldatenvolk vor Aerger kaum zu lassen wußte: aber die Wirthin entzückte mich. Indem sie mich auf Hochdeutsch begütigte und meine Forderungen freundlich herabzustimmen suchte, warf sie zugleich auf plattdeutsch einen Schnapsbruder, der wild geworden und von aller Welt verlangte, sie sollte mit ihm: O du lieber Augustin, singen, zur Thüre hinaus, fuhr einige misvergnügte Musketiere mit vieler Herzhaftigkeit an, und stiftete überall Ruhe und Friede, so daß alle sonst Zwistigen doch in ihrem Lobe übereinstimmten. – Für Geschichtsschreiber der Menschheit ist eine solche Nacht ein wahres Studium, besonders für solche, die sich vorher das Bier immer haben in den Wagen bringen lassen.

      Bei solchen Fährlichkeiten mußte nun das Andenken an Dresden vorhalten, um mich einigermaßen munter und heiter zu erhalten. Göttingen sah’ ich zuerst vom Heimberge, über den ich mußte, und indem die Sonne aus dem trüben Himmel auf ein paar Minuten hervorbrach, und auf den dicken Nebel des Kessels herunterleuchtete, kam mir wieder zuerst etwas Hoffnung für die Zukunft.

      Darf ich Sie erst bitten, mich der Frau Gräfin von Finkenstein, Ihrer Frau Gemahlin und allen den Ihrigen zu Gunsten wohl zu empfehlen. Ich würde unendlich glücklich sein, wenn in Ihrem Kreise auch nur einmal meiner mit einem Wörtchen gedacht würde; so sehr verehrt Sie

IhrgehorsamsterKarl O. Müller.

      II

Göttingen, 17. Jul.Nach Ausweis des Poststempels 1820.

      Schon lange hatte ich vor, verehrtester Herr, mich durch einen Brief wieder in Ihr gütiges Andenken zurückzurufen: aber ich kann so selten einen ruhigen Augenblick gewinnen, wo ich mit einer gewissen Behaglichkeit vorwärts und rückwärts blicken und mich einem Manne vor Augen stellen möchte, dem ich gern nicht in gelehrter Zerstreuung und Zerfaserung, sondern in einer gesammelten Existenz erscheinen möchte. Aber wirklich kann ich’s nicht bergen, daß ich von einem Taumel und Strudel ergriffen selten eigentlich Selbst bin, sondern immer nur das, wozu mich momentanes Studium macht, daß ich mit krampfhafter Lebhaftigkeit in mich hineinreiße, was mir in den Weg kommt, und am allerwenigsten darüber nachdenke, was ich eigentlich will. Wenn ich diesen Herbst einige Wochen in Dresden zubringen könnte, möchte ich wieder etwas zu Ruhe und Besinnung kommen, aber leider ist es darauf angelegt, daß ich mit Couriergeschwindigkeit nach Hause und wieder zurück reise, und sobald wie möglich wieder in den Irrsal und Zauberkreis der hiesigen Bibliotheks-Studien zurückkehre.

      Mein Freund Max hat mich durch Nachrichten und Grüsse von Ihnen höchlich erfreut, wie er mich überhaupt durch seinen Besuch recht beglückt hat. Wenn er nur nicht den dritten Tag wieder fortgefahren wäre. Wir brachten einen der schönsten Nachmittage auf der Plesse zu, die mich immer entzückt, so oft ich sie besuche. Ich hatte sie schon im Vorfrühling lieb gewonnen, als man sich vor dem starken Sturm noch hinter dem alten Thurm bergen mußte, und die sanften Umrisse der schwarzbraunen Hügel einen mehr düstern als anmuthigen Eindruck machten. Mit Max strich ich einen halben Tag bis zur sinkenden Nacht an den Abhängen des waldigen Grundes umher, und war, ohne auf einzelne Schönheiten sonderlich zu merken oder aufmerksam zu machen, durch den gesammten Eindruck fast bacchisch begeistert. Weil ich aber immer meine Spaziergänge auf den einen Punkt richte, habe ich von der übrigen Umgegend noch so gut wie gar nichts gesehen. Nur das Weserthal bin ich bei Anbruch des Frühjahrs bis Pyrmont hinuntergewandert, aber doch noch zu früh im Jahre. Auch in Cassel war ich einmal kurze Zeit. Die schöngebaute Stadt, in der man nichts als schulternde Musketiere sieht und hört, macht einen traurigen Eindruck. Auch die Gallerie beklagt empfindlich den Verlust einiger schöner Claude-Lorrain’s, die Kaiser Alexander in Paris ihren unrechtmäßigen Besitzern

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