Der Räuber. Александр Конторович
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Alexander Kontorowitsch
Der Räuber
Kapitel 1
Tripp. Trapp. Tropp. Das Wasser tropft in den Topf, der schon bis zu einem Drittel gefüllt ist. Keine Ahnung, woher das Rohr kommt, aber es enthält Wasser! Normales, sauberes Trinkwasser! Ich bedanke mich insgeheim bei dem unbekannten Schludrian, der schuld an der undichten Rohrverbindung ist. Wäre er ein gewissenhafter Schlosser gewesen, würde ich jetzt woanders nach Wasser suchen… Ein Problem wäre somit gelöst. Ein Problem von vielen. Wasser ist längst nicht das wichtigste. Erstens, ich muss überleben und zweites, ich muss etwas essen. Alles andere ist zweitrangig.
Mir kommen die bunten Taschenbücher mit den knalligen Einbänden in den Sinn, auf denen stets tapfere Mordskerle mit nacktem Oberkörper abgebildet sind, in einem Arm lässig sexy Blondinen haltend (warum eigentlich immer Blondinen) und im anderen ein schweres Maschinengewehr. Im Hintergrund machen miese Typen Mätzchen und obszöne Fisimatenten. Bei diesen Helden fügte sich stets alles erfolgreich. Lager und Vorräte waren rechtzeitig zur Hand und die Vergangenheit bei der Spezialeinheit half auf die Sprünge. Von der Fähigkeit, auf hundert Meter das Auge einer Mücke zu treffen, ganz zu schweigen.
Ja… Bücherhelden haben ein leichtes Leben! Schade, hier geht es nicht um Bücher und ich bin kein unversehrter SEK im Ruhestand. Ich habe weder die muskulöse Statur noch zehn Jahr Kampf unter schweren Einsatzbedingungen auf dem Buckel.
Ich kann Computerprogramme schreiben. Um ehrlich zu sein, das kann ich ganz gut. Auch Sport und Fitness waren vielleicht nicht umsonst, gehen, laufen und springen kann ich. Kann ich noch… Bei Ausflügen und beim Zelten lernte ich, wie man ein Feuer anzündet und im Wald im Schlafsack übernachtet. Es würde mir zur Not vielleicht sogar gelingen, ein Zelt aufzustellen. Was das Essen betrifft, war ich immer mein eigener Koch.
Ich schaue in den Topf. Er ist noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Schaffe ich es, nach oben zu laufen? Ich warte lieber, bis der Topf randvoll ist. Dann fülle ich die Feldflasche und den Eimer. Schade, dass er nicht unter das Rohr passt… dann müsste ich hier nicht Wache schieben.
Wer weiß, wie lange das Wasser im Rohr reicht? Vielleicht nur einen Tag, vielleicht tropft es aber auch länger. Das ist nicht vorprogrammiert. Keine Ahnung. Überhaupt ist alles unklar. Außer, dass mein Leben keinen Pfifferling wert ist. Nur die Dinge, die ich besitze, haben vielleicht einen gewissen Wert.
Was wäre das? Die Feldflasche? Keine Frage, sie ist solide und im einschlägigen Geschäft gekauft. Sie hat einen kleinen Feldkessel und der Deckel dient als Tasse. Flasche und Zubehör stecken in einem festen Tarnbezug.
Ein Taschenmesser. Auch nicht schlecht und stammt aus demselben Geschäft. Ich ärgere mich. Ausrüstung kann man nie genug haben. Warum habe ich nur die Flasche und das Messer gekauft? Damals wollte ich meine neue Kollegin beeindrucken, die ich prompt zum Essen einladen hatte. Auf diese Weise habe ich mein Geld verschwendet! Ein Esel eben… Wie hieß sie doch gleich? Nina oder Ninel? Ich kann mich nicht einmal an ihren Namen erinnern. Sie sind schnell vergessen, die großen Emotionen…
* * *
Wie es begann? Nicht unbedingt außergewöhnlich. Im Büro herrschte seit Tagen Stress. Wir hatten einen dringenden Auftrag von ganz oben zu erledigen, direkt aus der Chefetage der „Terra Group“. Boten mit Aktenordnern liefen hektisch auf dem Flur hin und her. Die Geschäftsführung erwartete von uns eine Inventur aller Lagervorräte und der Industrieanlagen. Da die Holding recht groß ist, wurden alle Mitarbeiter eingesetzt. Es wäre naiv zu glauben, dass wir mit Listen durch die Werkhallen und Lager liefen. Wozu gibt es die Lagerwirtschaft per Computer? Aber wie sich herausstellte, waren Dokumente und Aktenordner dadurch keineswegs überflüssig geworden.
Um den Arbeitsprozess zu beschleunigen, wurde das gesamte Team, einschließlich Computer und Dokumente, mit dem Bus ausgelagert. Nicht irgendwohin, sondern direkt ins Côte d’Azur Hotel. Uns stand ein eigener Gebäudekomplex zur Verfügung. Der bewaffnete Sicherheitsdienst machte mich allerdings stutzig. Die Türen und das Gelände bewachten Einsatzkräfte der USEC mit komplettem Sturmgepäck. Wir staunten nicht schlecht! Auf unsere bestürzten Fragen erhielten wir die Antwort, dass es in Tarkow zu einzelnen Übergriffen von Kriminellen gekommen sei. Man wolle das Leben und die Gesundheit des wertvollen Personals nicht aufs Spiel setzen, bis die Behörden die Situation unter Kontrolle hätten. Wir könnten froh sein, denn hier seien wir im Gegensatz dazu in Sicherheit. Außerdem gehe die Arbeit ohne weitere Ablenkungen schneller voran. Sogar die Handys mussten wir abgeben. Das störte uns am wenigsten, denn es war übliche Praxis.
In der letzten Woche blieb keine Zeit zur Erholung. Wir verbrachten Tag und Nacht am Arbeitsplatz. Fast hätten wir Feldbetten am Computer aufgebaut. Wasser, Kaffee, Büchsensuppe und Instant-Gerichte wurde ausreichend zur Verfügung gestellt. Für die Frauen wurden sogar spezielle Duschkabinen eingerichtet, komfortabel wie Whirlpools. Hauptsache die Arbeit kam voran! Wir legten uns ins Zeug und erledigten schließlich unseren Job! Immerhin hatte man uns außerdem einen Sonderbonus versprochen. Der übrigens nicht sofort ausgezahlt würde, sondern per Banküberweisung. Später…
Nach der Kampagne setzten sie uns in Autobusse und brachten uns in Begleitung des Sicherheitsdienstes zurück in die Stadt. Sie setzen uns am Bürogebäude ab… und waren auffällig schnell verschwunden.
Seltsam war auch, dass die IT-Mitarbeiter und die Administratoren anfangs nicht mitfahren sollten, angeblich weil noch viel zu tun wäre. Es war aber zu einem unerwarteten Zwischenfall gekommen und der Chef des Sicherheitsdienstes wurde abberufen. Wir nutzten die Gelegenheit und stiegen in den Bus der Buchhalter, die niemand aufhielt. Unser Kleinbus blieb am Gebäudeeingang zurück.
Nach der Ankunft gingen wir wie gewöhnlich in die Kneipe bzw. in das Kaffee, in dem wir in der Regel zu Mittag aßen. Einige wollten aber auch gleich nach Hause, was verständlich war. Maschas Kater hatte wahrscheinlich seit Ewigkeiten keiner gefüttert! Bei wem zu Hause niemand zu versorgen war, blieb im Kaffee. Wir schoben mehrere Tische zusammen und setzten uns. Erst da fiel uns auf, dass hier etwas nicht stimmte. Die Kellner hatten es nicht eilig, uns zu bedienen. Das war sonderbar, denn wir sind hier seit langem gern gesehene Gäste. Wir sind keine hergelaufenen Habenichtse, sondern geben stets großzügig Trinkgeld. Aber es erschien kein Kellner, nur in der Küche schepperten die Schränke.
„Hallo, ist hier überhaupt eine Menschenseele?“, ruft Pascha Galperin ungeduldig.
Da schaute einer aus der Küche heraus und brüllte:
„Was willst du?“ Das klingt alles andere als freundlich.
„Was zu essen, wäre nicht schlecht!“
„Dann geh und iss was“, zuckt das Gegenüber mit den Schultern. „Warum schreist du hier herum?“
„Wo sind denn die Kellner?“
„Woher soll ich das wissen…“, antwortet der Unbekannte und verschwindet.
Was soll das heißen? Was ist denn hier los?
Die Suche blieb vergeblich. Das Personal war nicht aufzufinden. In den Wirtschaftsgebäuden sahen wir zwei Typen, die uns unfreundliche Blicke zuwarfen. Angesichts unserer zahlenmäßigen Überlegenheit schwiegen sie aber und waren urplötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Was geht hier eigentlich vor? Dieser Unsinn verdarb uns die Stimmung und an ein Kaffeekränzchen war nicht mehr zu denken. Jeder wollte nach Hause.
Nachdem ich eine halbe Stunde auf den Bus gewartet hatte, rief ich ein Taxi. Aber auch das ging schief. „Leider ist Ihr Gesprächspartner nicht erreichbar.“ Das kann vorkommen, aber das gleich alle Taxiunternehmen schweigen? Zum Teufel mit ihnen, Fußmärsche