Der Räuber. Александр Конторович
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„Und… wie geht es weiter? Wir müssen doch hier herausgebracht werden!“
„Die es verdienen, haben sie gehen lassen! Los, Jungs, vor uns liegen noch zwei Punkte.“
Die Militärs verlieren jegliches Interesse an mir und drehen mir den Rücken zu.
„Moment! Aber was ist mit dem Geschäft? Wo kaufe ich jetzt was zu essen?
„Wasja, gib diesem Hungerleider was zu kauen.“
Vor meine Füße fallen ein paar Konservenbüchsen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, sind die MPi-Schützen um die Ecke verschwunden.
Das ist seltsam… immerhin haben sie gerade einen Menschen erschossen. Wo bleibt die Polizei? Untersucht niemand den Tatort oder nimmt ein Protokoll auf… Und ich? Was mache ich jetzt? Bin ich ein Zeuge? Aber ich habe ja überhaupt nichts gesehen!
Ich sammle die Konserven auf, gehe um den Toten herum und sehe durch das eingeschlagene Schaufenster. Tja, hier ist nichts zu holen. Scheinbar wurde hier alles ausgeräumt, die Regale sind leer. Nur ein paar Flaschen Mineralwasser stehen und liegen herum. Offenbar hatte der Tote keine Lust, freiwillig mit den Militärs zu teilen. Da haben sie ihn ohne viel Aufhebens umgenietet. Ein scheußliches Gefühl, das Geschäft überhaupt zu betreten… aber unvermeidlich! Den Worten der Militärs zufolge, geht es überall so zu.
Ich klettere vorsichtig über die scharfen Glassplitter auf dem Fensterbrett in den Laden. Die Flaschen packe ich in die Tasche. Was haben wir hier? Zigaretten! Ich rauche nicht, aber eine innere Stimme flüstert mir zu: „Umsonst! Es sieht doch keiner, nimm sie einfach mit!“
Ich schaue mich nach der Kasse um und halte die Kreditkarte in der Hand. „Du Blödmann! Eine Kasse? Bist du verrückt? Am Eingang liegt ein Toter!“ Tja… offenbar… steh ich wirklich neben mir. Die Karte zurück ins Portemonnaie und das Portemonnaie wieder in die Tasche. Genau wie der Block Zigaretten.
Kein Brot und auch keine Konserven mehr im Geschäft. Hier waren schon viele „Gäste“, es ist wie leergefegt. Das Wasser haben sie stehen lassen, unter diesen Umständen interessiert sich niemand für Diät. Und was ist mit der Kindernahrung? Ist die zu etwas gut? Was die Kleinen dürfen, ist auch den Großen nicht untersagt. Babybrei als Frühstücksmenü?
Ein leichtes Krachen riss mich aus den Gedanken. Oh je, hier wird scharf geschossen! Nichts wie weg!
Als ich bereits den Hauseingang betrete, fällt mir ein, was mir die ganze Zeit keine Ruhe lässt. Der Winkel am Ärmel des Kommandeurs. Bei meinem Wehrdienst habe ich im Bataillonsstab viele Besucher erlebt. Offiziere und Soldaten, einfache Infanterie und unbekannte Militärverbände, ausgestattet mit Aufnähern und Kennmarken. Sie hatten eines gemeinsam, es fanden sich keine ausländischen Buchstaben darauf. Ich hatte ausreichend Zeit, das Emblem zu studieren, das ich direkt vor der Nase hatte. Das waren englische Buchstaben! Das Schild, auf dem ein Schwert mit dem Schaft nach oben dargestellt ist, trägt die Aufschrift „BEAR“. Gibt es diesen Verband in unserer Armee überhaupt? Das bezweifle ich. Auch die Polizei hat keine Spezialeinheit mit dieser Bezeichnung, und der Geheimdienst erst recht nicht. Soweit ich weiß, sind lateinische Buchstaben bei den Geheimdiensten nicht erwünscht.
Auf dem Heimweg fiel mir auf, dass kaum noch Fahrzeuge in den Höfen stehen. Während ich auf dem Sofa saß und mir die Nachrichten ansah, waren alle anderen aus Tarkow verschwunden. Abwarten… Flüchtlinge sind nirgendwo willkommen, egal woher sie stammen. Sie werden nicht gerade freudig empfangen. Wir sind hier nicht in Europa! Selbst da ist das Flüchtlingsdasein in letzter Zeit kein Zuckerschlecken.
Kein Licht im Hauseingang. Ist der Strom ausgefallen? Der Fahrstuhl fährt. Was ist los? Mit der Taschenlampe des Handys stelle ich fest, dass die Glühbirne entfernt wurde. Soweit sind wir also gekommen. Jetzt werden schon die Glühbirnen gestohlen…
Endlich stehe ich vor meiner Wohnungstür. Ich verschließe die Tür hinter mir und lege meine Beute auf dem Sofa aus. Mein Gott, viel ist es nicht, aber immerhin. Essen für zwei bis drei Tage!
Ich stelle den Wasserkocher auf den Herd. Da klingelt es an der Wohnungstür „Miau“. Auf dem Bildschirm erscheint das Gesicht von Pascha Galperin. Was will er hier?
„Tür öffnen!“ Die Elektronik öffnet auf meinen Befehl das Schloss.
„Hallo!“
„Gleichfalls! Komm rein, ich habe gerade Wasser für den Tee aufgesetzt.“
„Danach ist mir jetzt nicht zumute! Weißt du, dass sie Mischa erschossen haben?“
Moment…
„Mischa Frolow etwa?“
„Ja!“
Unser Systemadministrator und mein Kollege. Ein gutmütiger Tollpatsch mit runder Nickelbrille, der wie John Lennon aussieht. Ein toller Kerl, der jeden Streit vermied. Wen sollte der gestört haben?
„Unsinn…“, antworte ich verunsichert. „Stopp, woher weißt du das überhaupt?“
„Und weißt du überhaupt, was hier los ist?!“ Pascha schreit mich plötzlich im O-Ton an.
Ich bin völlig perplex von diesem Gefühlsausbruch und suche nach einer Antwort.
„Chaos… Vor meinen Augen erschossen MPi-Schützen einen Menschen! Von der Polizei keine Spur!“
Er läuft aufgeregt im Zimmer hin und her. Ich entnehme seinen Worten, dass die Situation viel schlimmer ist, als ich es mir vorgestellt hatte.
Das Chaos oder besser das organisierte Chaos hat bereits die ganze Stadt erfasst. Schießereien auf offener Straße! Die Polizei ist verschwunden und in die kurzlebigen Auseinandersetzungen mischt sich niemand ein. Es ist völlig unklar, wer mit wem kämpft. Auch Pascha wurde auf dem Weg zu mir beschossen und konnte sich nur durch sein schnelles Auto in Sicherheit bringen. Er fuhr zuerst zu Frolow und fand auf der Schwelle dessen Leiche. Sie hatten ihm mehrmals in die Brust geschossen und schließlich per Kopfschuss ins Jenseits befördert.
„Ich hockte neben ihm und hörte plötzlich Lärm in der Wohnung. Da sprang ich auf und bin weggelaufen!“
„Warum ausgerechnet zu mir?“
„Weil du in der Nähe wohnst und besser Auto fährst als ich.“
Stimmt, Pawel hat sich zwar einen Führerschein gekauft, aber nicht zugleich die Fähigkeit erworben, seinen Kredit-Mazda zu steuern. Mal kurz um die Ecke kam er gerade noch, aber auf der Autobahn zu fahren…
„Es wird Zeit abzuhauen! Gleich jetzt!“
„Warte… ich muss noch packen!“
„Was willst du denn packen?! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Hast du es noch nicht begriffen? Wir müssen hier weg! Zügig!“
Er hat mich fast überzeugt. Wenigsten das kann er! Ich weiß nicht, was ich ihm entgegnen soll. Er treibt mich mit seinem Geschrei durch die Wohnung und ich stopfe hektisch in meinen Rucksack, was mir nützlich sein könnte. Dafür reicht selbst mein kleinster Rucksack dicke. Eigentlich ist alles um mich herum wichtig und nützlich, aber außerhalb der Wohnung ist es zu gar nichts nütze. Wer braucht beispielsweise einen Golfschläger? Auch wenn er mit dem Autogramm des Vize-Präsidenten der „Terra Group“ verziert ist.
Wir schlagen die Tür zu und laufen die Treppe hinunter.