Aus meinem Leben. Zweiter Teil. Bebel August

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Aus meinem Leben.  Zweiter Teil - Bebel August

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wir uns verständigt hatten, den Kongreß auf den 7. August nach Eisenach einzuberufen, erschien im „Demokratischen Wochenblatt“ vom 17.

      Juli der Ausruf, der unterzeichnet war von 66 ehemaligen Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins aus verschiedenen Orten, 114 Mitgliedern des Verbandes der deutschen Arbeitervereine – worunter ebenfalls eine Anzahl ehemaliger Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins waren —, einer Anzahl ehemaliger Mitglieder des Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, vom Zentralkomitee der deutschen Arbeitervereine der Schweiz, vom Deutsch-Republikanischen Verein in Zürich; für die Arbeiter Oesterreichs von H. Oberwinder, H. Hartung, B. Beschan, A. Macher, A. Straßer-Graz, und für die deutsche Abteilung der Internationale in Genf von Joh. Phil. Becker. Der Ausruf lautete:

      An die deutschen Sozialdemokraten!

      Parteigenossen! In der jüngsten Zeit haben sich im Schoße unserer Partei Ereignisse vollzogen, die jeden ehrlichen Sozialdemokraten mit Freude erfüllen müssen. Der Bann, welcher bisher auf der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung lastete, ist gebrochen; die Selbstsucht einzelner, welche sich wie ein spaltender Keil in das Mark, in das Herz unserer Partei geschoben, ist entlarvt und niedergeschmettert, und es gilt nun, rasch zu handeln, damit die Früchte des Sieges uns nicht wieder entrissen werden und damit aus der heilsamen Revolution, welche sich soeben vollzogen hat, die Prinzipienreinheit und die einheitliche Organisation hervorgehen mögen, ohne die unsere Partei den ihr gebührenden Einfluß nicht ausüben, die ihr innewohnende Kraft nicht entfalten kann.

      Lange, leider zu lange, war es dem Egoismus und der Bosheit einzelner möglich, die Partei in sich zu verfeinden. Doch eine neue Zeit ist angebrochen; mit ehernem Finger zeigt sie uns auf die Notwendigkeit hin, die Partei der gesamten sozialdemokratischen Arbeiter Deutschlands in sich zu einigen und dieselbe in die richtige, einzig zum Siege führende Bahn der auf internationaler Grundlage beruhenden, großen Arbeiterbewegung hinüberzuleiten.

      Wer, der ein aufrichtig denkender Sozialdemokrat ist, sollte sich dieser Notwendigkeit verschließen können? Wer sollte die unberechenbaren Vorteile für unsere Partei nicht ahnen, die sich aus einer derartigen Einigung auf Grund einer gemeinsamen Organisation, eines gemeinsamen Programms, eines gemeinsamen Auftretens in der politisch-sozialen Welt ergeben? – Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß die große, die überwältigende Mehrheit unserer Parteigenossen der besseren Erkenntnis huldigt, daß sie gern und freudig die Hand zu dem stolzen Werke bietet, das endlich unsere Partei zur großartigen und wirksamen Machtentfaltung befähigt!

      Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, haben wir uns auf einer in Braunschweig am 6. Juli dieses Jahres stattgehabten Konferenz über die hierzu zunächst erforderlichen Schritte völlig verständigt und berufen hiermit in Gemäßheit des dort gefaßten Beschlusses einen allgemeinen deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongreß auf Sonnabend den 7. August, Sonntag den 8. August und Montag den 9. August nach Eisenach.

      Auf die Tagesordnung des Kongresses sind, unbeschadet weiterer Anträge, folgende Punkte gesetzt: l. Die Organisation der Partei. 2. Das Parteiprogramm. 3. Das Verhältnis zur Internationalen Arbeiterassoziation. 4. Das Parteiorgan (Blatt). 5. Die Vereinigung der Gewerkschaften (Gewerksgenossenschaften).

      Die auf diese fünf Punkte der Tagesordnung sich beziehenden spezielleren Anträge, zum Beispiel Vorlage betreffs der Parteiorganisation usw., werden ihrem Wortlaut nach spätestens Ende dieses Monats gedruckt versandt werden.

      Die Delegierten (Abgeordneten) zum Arbeiterkongreß haben sich durch ein Mandat (Vollmacht), worin der Ort, für den sie abgeordnet sind, sowie die Zahl ihrer Wähler, die sie vertreten, angegeben sein muß, zu legitimieren. Es kann solche Legitimation erfolgen entweder durch Mandate, welche im Namen von Vereinen oder deren Mitgliedschaften, oder welche auch im Auftrag von zum Zwecke der Beschickung des Kongresses stattgehabten Volksversammlungen ausgestellt sind, oder endlich auch Mandate, welche mit den Unterschriften der an einem Orte anwesenden Parteigenossen versehen sind. Mehrere Orte, denen es zu schwer wird, je einen Delegierten zu senden, mögen zusammentreten, um mindestens gemeinsam einen Delegierten abzuordnen.

      Es ist dringend notwendig, daß der Kongreß schon am Sonnabend den 7. August, abends 8 Uhr, eröffnet wird, damit die Wahl des Bureaus und die Feststellung der Geschäftsordnung erfolgen kann, weshalb denn auch die Delegierten noch an diesem Tage (7. August) in Eisenach eintreffen wollen.

      Wir geben uns der frohen Hoffnung hin, daß von allen Orten des großen Gesamtdeutschlands, wo die Arbeit im Kampfe mit der Kapitalmacht, wo der Volkswille gegen die staatliche Reaktion tagtäglich im Ringen nach Freiheit begriffen ist, Vertreter zum Kongreß abgeordnet werden – wir hoffen es zum Wohle und Wachstum der Partei, welche die politischen und sozialen Rechte des gedrückten Volkes mit Flammenschrift auf ihre Fahne schrieb.

      Auf, Parteigenossen, zu wirken für den allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß, zu wirken durch ihn für die Größe und Einheit der Partei!

      Im weiteren berief ich im Auftrag des Vorortsvorstandes als Vorsitzender desselben für Montag den 9. August einen Vereinstag der deutschen Arbeitervereine nach Eisenach mit der Tagesordnung: 1. Bericht des Vorstandes. 2. Beratung über die Frage: Welche Stellung soll der Verband zu der neuen Organisation der sozialdemokratischen Partei einnehmen? Eventuell Auflösung des Verbandes.

      Von den Einberufern des Kongresses erhielt ich den Auftrag, die nötigen Vorkehrungen für den Kongreß in Eisenach zu treffen, ferner einen Programm- und einen Organisationsentwurf auszuarbeiten und zur gemeinsamen Beratung vorzulegen. Bracke und Geib meinten, es sei an uns, die für passend erachteten Vorschläge zu machen. Liebknecht war mit der Redaktion des „Demokratischen Wochenblattes“ und der Polemik gegen den „Sozialdemokrat“ beschäftigt, so fiel mir die erwähnte Arbeit zu.

      Ich betrachte noch heute mit einiger Heiterkeit die Schriftstücke, worin sowohl die königlich sächsische Staatsbahnverwaltung wie das Direktorium der damals privaten Thüringischen Eisenbahngesellschaft auf meine Gesuche mir anzeigten, daß sie die üblichen Fahrpreisermäßigungen für Besucher von Kongressen auch den Besuchern des in Eisenach stattfindenden sozialdemokratischen Kongresses gewährten. Heute geschähe dergleichen nicht mehr.

* * * * *

      In eine kleine Verlegenheit brachte mich ein Artikel, in dem Joh. Phil. Becker im „Vorboten“ seine Ansichten über die Organisation der neuen Partei entwickelte. Der alte Jean Philipp war ein prächtiger Kerl, opferbereit, hingebend, unermüdlich bei Tag und Nacht, ein Haudegen, der wie 1848 und 1849 in der badischen Revolution als Oberst eines Freischarenregiments jetzt wieder bereit gewesen wäre, zu Pferde zu steigen. Auch wußte er aus seinem sehr bewegten Leben eine Menge Geschichten, Schnurren und Anekdoten zu erzählen, die er in äußerst lebendiger Weise zum Vortrag brachte. Ich habe mich öfter stundenlang über seine Erzählungen amüsiert. Aber von einer Parteiorganisation verstand er nicht allzuviel, und seine lange Abwesenheit aus Deutschland hatten ihn den deutschen Verhältnissen entfremdet. Statt einer geschlossenen, möglichst zentralisierten, aber demokratisch organisierten Partei, die fähig zu kräftigem Handeln war, wollte Becker eine Verbindung, die wohl die Propagierung der sozialdemokratischen Grundsätze betreibe, aber keine feste Parteiorganisation habe; sie müsse sich, wie er es nannte, einen stets wandelbaren und entwicklungsfähigen Charakter bewahren, und diese Verbindung sollte von Genf abhängen. Einen bezüglichen Entwurf hatte er im „Vorboten“ veröffentlicht und hoffte, daß der Eisenacher Kongreß ihm zustimmen werde. Dieser Artikel Beckers veranlaßte Marx, mir zu schreiben, daß sie mit demselben nichts zu tun hätten und die Ansichten desselben nicht teilten. Darauf antwortete ich Marx unter dem 30. Juli:

      „Ihr werter Brief, den ich soeben empfangen, hat mir viel Freude gemacht. Ich habe die Vorschläge Beckers im ‚Vorboten‘ ebenfalls gelesen und muß gestehen, daß sie mich etwas unbehaglich stimmten, weil ich daraus zu ersehen glaubte, daß es Becker darum zu tun sei, die Leitung für Deutschland in bezug auf die Internationale in die Hände zu bekommen.

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