Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen. Rosette
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Читать онлайн книгу Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen - Rosette страница 12
„Musik. Das ist keine schlechte Idee. Ich hab‘ ja nichts Besseres zu tun, nicht wahr?“ Er zeigte auf einen Plattenspieler, auf dem obersten Brett des Regals. „Nehmen Sie ihn runter, bitte.“
Ich kletterte auf den Stuhl und hob ihn nach unten, während ich die Details bewunderte. „Das ist wunderschön. Ein Original, nicht wahr?“
Er nickte, während ich den Plattenspieler auf den Schreibtisch setzte. „Ich bin schon immer ein Liebhaber von alten Dingen gewesen, auch wenn dies hier eher zum modernen Antiquariat gehört. In der roten Schachtel finden Sie Vinyl-Schallplatten.“
Ich stand vor dem Regal, die Arme ließ ich kraftlos hängen. Da waren zwei dunkle Schachteln von ähnlicher Größe auf dem gleichen Regalbrett, wo vorher der Plattenspieler stand. Ich befeuchtete meine trockenen Lippen mit der Zunge, meine Kehle war ausgedörrte.
Er rief mich voller Ungeduld. „Nun machen Sie schon, Miss Bruno. Klar, gehe ich nirgendwo hin, aber das rechtfertigt nicht Ihre Langsamkeit. Was ist los? Sind Sie eine Schnecke? Oder er haben Sie das Kyle abgeguckt?“
Ich würde mich nie an seinen Sarkasmus gewöhnen können, dachte ich wütend, als ich eine eilige Entscheidung traf. War es vielleicht an der Zeit, mich zu meiner sonderbaren Anomalie zu bekennen, oder sollte ich den Weg des geringsten Widerstands gehen, so wie in der Vergangenheit? Das heißt, einfach eine Schachtel zufällig greifen und hoffen, es wäre die richtige? Ich konnte sie nicht vorher öffnen und den Inhalt erspähen, sie waren mit großen Stücken Klebeband verschlossen. Mit dem Gedanken an die schrecklichen Kommentare, die ich über mich ergehen lassen müsste, wenn ich die Wahrheit sagen würde, traf ich eine Entscheidung. Ich kletterte auf den Stuhl und hob eine Schachtel nach unten. Ich stellte sie auf den Tisch ohne ihn anzusehen.
Ich hörte schweigend zu, wie er darin wühlte. Überraschenderweise war es die richtige. Und ich fing wieder an zu atmen.
„Hier ist sie!“ Er reichte mir eine Platte. Debussy.
„Warum diese?“ fragte ich.
„Weil ich Debussy mit neuen Augen sehe, seit ich weiß, dass Ihr Namen als Tribut an ihn gewählt wurde.“
Die primitive Einfachheit seiner Antwort nahm mir den Atem, mein Herz wand sich zwischen den Qualen der Hoffnung. Und diese waren einfach zu schön um wahr zu sein.
Ich konnte nicht träumen. Vielleicht, weil mein Geist bei der Geburt bereits das erkannt hatte, was mein Herz nicht zu tun gedachte. Dass Träume niemals Wirklichkeit werden. Zumindest nicht meine.
Die Musik nahm an Volumen zu und füllte den Raum. Zuerst sanft, dann etwas energischer, bis sie sich in ein aufregendes verführerisches Crescendo steigerte.
Mc Laine schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sog das Tempo und den Rhythmus auf, machte diese zu seinen eigenen und beging somit einen autorisierten Diebstahl.
Ich beobachtete ihn, und nutzte so die Tatsache aus, dass er mich nicht sehen konnte. In diesem Moment schien er mir furchtbar jung und zerbrechlich, als ob ihn eine einfache Windböe erfassen und davon tragen könnte. Auch ich schloss die Augen bei diesem unglaublichen und lächerlichen Gedanken. Er gehörte mir nicht. Er würde mir nie gehören. Rollstuhl hin oder her. Je früher ich dies erkannt hätte, desto eher würde ich meinen gesunden Menschenverstand wiederfinden, meinen tröstliche Aufgabe, mein seelisches Gleichgewicht. Ich konnte nicht den Käfig aufs Spiel setzen, in dem ich mich absichtlich eingeschlossen hatte, und das Risiko eingehen, schrecklich für eine bloße Fantasie, die eher einer Jugendlichen zustand, zu leiden.
Die Musik hörte auf, feurig und mitreißend.
Wir öffneten die Augen im gleichen Augenblick. Seine spiegelten die übliche Kälte wieder. Meine waren beschlagen und schläfrig.
„Das Buch wird so nichts“ verfügte er. „Lassen Sie den Plattenspieler verschwinden, Melisande. Ich würde gern ein wenig schreiben, oder besser gesagt, alles neu schreiben.“
Er wendete sich mit einem strahlenden Lächeln an mich. „Die Idee mit der Musik war brillant. Danke.“
„Aber ich denke ... Ich habe doch nichts Besonderes getan“, stammelte ich, wich seinem Blick und jenen Tiefen aus, in denen ich regelmäßig Gefahr lief, mich zu verlieren.
„Nein, sie haben wirklich nichts Besonderes getan“, gab er zu, und meine Moral sank in den Keller, weil er mich auf so schnelle Weise verabschiedet hatte. „Sie sind das Besondere, Melisande. Sie, nicht das, was Sie sagen oder tun.“
Sein Blick kreuzte den meinen, fest entschlossen, ihn, wie üblich, zu erfassen. Er hob die Augenbrauen, mit dieser Ironie, die ich mittlerweile so gut kannte.
„Danke, Sir“, antwortete ich zerknirscht.
Er lachte, als ob ich einen Witz erzählt hätte. Ich verübelte es ihm nicht. Er fand mich amüsant. Immerhin, besser als nichts. Ich dachte an unser Gespräch vor ein paar Tagen zurück, als er mich fragte, ob ich aus Liebe meine Beine oder meine Seele gegeben hätte. Ich antwortete damals, dass ich nie geliebt hatte, und deshalb nicht wüsste, wie ich gehandelt hätte. Jetzt wurde mir bewusst, dass ich diese Fangfrage jetzt vielleicht beantworten könnte.
Er zog den Computer vor sich und begann zu schreiben, und schloss mich aus seiner Welt aus. Ich nahm meine Arbeit wieder auf, obwohl mein Herz aufs Heftigste flatterte. Mich in Sebastian Mc Laine zu verlieben glich einem Selbstmord. Und ich hatte keine Ambitionen ein Selbstmordattentäter zu werden. Richtig? Ich war ein Mädchen mit gesundem Menschenverstand, praktisch, vernünftig, das nicht in der Lage war, zu träumen. Nicht einmal mit offenen Augen. Oder zumindest war es bisher so gewesen, musste ich mich selbst korrigieren.
„Melisande?“
„Ja, Sir?“ Ich drehte mich zu ihm, und war darüber erstaunt, dass er mit mir gesprochen hatte. Wenn er mit dem Schreiben begann, vergaß er alles und alle um sich herum.
„Ich habe Lust auf Rosen“, sagte er und deutete auf die leere Vase auf dem Schreibtisch. Bitten Sie bitte Millicent sie zu füllen.“
„Natürlich, Sir.“ Ich packte die Keramikvase mit beiden Händen. Ich wusste, wie schwer sie war.
„Rote Rosen“ präzisierte er. „Wie dein Haar.“
Ich wurde rot, auch wenn nichts Romantisches in dem war, was er gesagt hatte.
„Wie Sie wünschen, Sir.“
Ich konnte fühlen, wie sein Blick meinen Rücken durchdrang während ich vorsichtig die Tür vorsichtig öffnet und in den Flur trat. Ich ging ins Erdgeschoss hinunter mit der Vase fest in den Händen.
„Mrs. Mc Millian? Hallo?“ Es war keine Spur von der älteren Haushälterin zu finden und dann erinnerte ich mich entfernt an etwas, aber es war zu schwach, um es greifen zu können. Die Gouvernante hatte mir beim Frühstück etwas gesagt… über ihren freien Tag ... Hatte sie sich auf heute bezogen? Schwer zu sagen. Die Mc Millian war eine Quelle von verwirrenden Informationen, und nur selten gelang es mir, ihr von Anfang bis zum Ende zuzuhören. Auch in der Küche war kein Zeichen von ihr. Untröstlich stellte ich die Vase auf den Tisch neben eine Schale mit frischem Obst.
Wundervoll.