Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen. Rosette

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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen - Rosette

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dass man nicht das eigenen Leben lebt, sondern das, das andere für einen entschieden haben.“

      „Sehr weise, Melisande Bruno. Du hast mit deinen zweiundzwanzig Jahren den Schlüssel zur spirituellen Gelassenheit gefunden. Das schafft nicht jeder.“

      „Gelassenheit?“ wiederholte ich bitter. „Nein, die Weisheit etwas zu verstehen, heißt nicht unbedingt, diese zu akzeptieren. Weisheit kommt aus dem Kopf, das Herz folgt anderen Wegen, unabhängige und gefährliche Wege. Es neigt dazu, fatale Umwege zu machen.“

      Er bewegt sich mit dem Rollstuhl auf meine Seite des Schreibtischs mit einem Blick, der mich durchbohrte. „Und? Was ist? Wollen Sie nun wissen, was es mit dem Namen Midnight Rose auf sich hat, oder nicht?“

      „Mitternachtsrose“, übersetzte ich, während ich mit meiner inneren Aufregung kämpfte, die mir seine Nähe verursachte. Ich vermied schon lange Zeit jede Art von männlicher Gesellschaft, seit meiner ersten und einzigen Verabredung. Dies war so katastrophal verlaufen, dass ich für immer geheilt war.

      „Genau. In dieser Gegend erzählt man sich eine Legende, seit Jahrhunderten, vielleicht auch seit Jahrtausenden, die besagt, dass wenn wir die Blüte einer Rose um Mitternacht erleben, unser größter und geheimster Wunsch wie durch einen Zauber erfüllt wird. Auch wenn es sich um einen dunklen und verfluchten Wunsch handelt.“

      Er ballte die Hände zu Fäusten, fast als ob er mich mit seinem Blick herausforderte.

      „Wenn der Wunsch, den Zweck hat, uns glücklich zu machen, dann ist er nie dunkel und verflucht“, sagte ich leise.

      Er starrte mich aufmerksam an, als ob er seinen Ohren nicht trauen könnte. Ihm entwich ein fast dämonisches Lachen. Ein Schauer lief mir eiskalt über den Rücken.

      „Sehr weise, Melisande Bruno. Das gestehe ich dir zu. Das sind abscheuliche Worte für ein Mädchen, das keiner Fliege etwas zu leid tun würde, ohne eine Träne zu vergießen.“

      „Eine Fliege vielleicht. Bei einer Stechmücke hätte ich keine Skrupel“, gab ich lapidar zu Antwort.

      Erneut wurde er aufmerksam, eine kleine Flamme, die die Kälte seiner dunklen Augen wärmte. „Was habe ich schon alles über Dich erfahren, Miss Bruno. In wenigen Stunden habe ich entdeckt, dass Du die Tochter eines Bergmanns bist, der gerne Debussy hört, dass du nicht im Stande bist zu träumen und Stechmücken hasst. Warum nur, frage ich mich. Was haben dir diese armen Geschöpfe nur angetan?“ Der Spott in seiner Stimme war nicht zu verkennen.

      „Von wegen arme Geschöpfe“, antwortete ich prompt. „Sie sind Parasiten, Blutsauger. Es sind nutzlose Insekten, im Gegensatz zu Bienen und auch nicht so nett wie Fliegen.“

      Er schlug sich auf die Schenkel und lachte. „Nette Fliegen? Du bist schon sehr seltsam, Melisande, und wirklich spaßig.“

      Launischer als jegliches Aprilwetter wechselte seine Laune drastisch. Das Lachen verendete in einem Hustenanfall und er schaute mich erneute durchdringend an. „Stechmücken sind Blutsauger, weil sie keine andere Wahl haben. Es ist ihre einzige Ernährungsquelle, kann man ihnen das etwa verdenken? Sie haben sehr feine Geschmacksnerven im Vergleich zu den vielgerühmten Fliegen, die sich in menschlichen Abfällen suhlen.”

      Ich starrte auf den mit Papier überladenen Schreibtisch, und fühlte mich unter dem Blick seiner kalten Augen unbehaglich.

      „Was würdest du anstelle der Stechmücke machen, Melisande? Würdest du darauf verzichten, dich zu ernähren? Würdest du lieber vor Hunger sterben, um nicht Parasit genannt zu werden?“ Sein Ton war fordernd, so als ob er eine Antwort erwartete.

      Und ich gab nach. „Wahrscheinlich nicht. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher. Ich müsste eine Mücke sein, um ganz sicher zu gehen. Ich würde gerne glauben, dass ich eine Alternative finden könnte. Ich vermied es sorgfältig ihn anzusehen.

      „Es gibt nicht immer Alternativen, Melisande“. Einen Augenblick lang zitterte seine Stimme unter dem Gewicht eines Leidens, von dem ich keine Ahnung hatte, mit dem er sich seit fünfzehn langen Jahre jeden Tag abfinden musste. „Wir sehen uns um zwei Uhr, Miss Bruno. Seien sie pünktlich.“

      Als ich mich zu ihm umdrehte, hatte er den Rollstuhl schon gewendet, sein Gesicht hatte er von mir weggedreht.

      Im Bewusstsein einen Fauxpas begangen zu haben, fühlte sich mein Herz an, als ob es von einem Schraubstock zerquetscht würde, aber es gab keine Möglichkeit der Abhilfe.

      Schweigend verließ ich den Raum.

      Drittes Kapitel

      Punkt zwei Uhr erschien ich im Büro. Kyle kam gerade mit einem unberührten Tablett in den Händen heraus. Er verströmte die Atmosphäre von jemandem, der alles liegen und stehen lassen und sich ans andere Ende der Welt verziehen möchte.

      „Er hat sehr schlechte Laune und will nichts essen“, murmelte er.

      Der Gedanke, dass ich die unfreiwillige Ursache seiner Stimmung sein könnte, versetzte mir einen Stich im tiefsten Inneren, in jeder Faser meines Körpers, in jeder einzelnen Zelle. Ich hatte noch nie jemandem etwas angetan, ich bewegte mich fast auf Zehenspitzen, um niemanden zu stören und achtete aufmerksam auf jedes Wort, um ja niemanden zu verletzen.

      Ich trat über die Schwelle, mit einer Hand an der Tür, die Kyle offen gelassen hatte. Als ich eintrat, hob er seinen Blick. „Ah, Sie sind es. Kommen Sie herein, Miss Bruno. Legen Sie bitte einen Zahn zu.“

      Ohne weitere Zeit zu verschwenden, gehorchte ich ihm.

      Er presste einige mit einer feinen männlichen Kalligraphie beschriebenen Blätter auf den Schreibtisch. „Versenden Sie diese Briefe. Einen an den Direktor meiner Bank und die anderen an die unten aufgeführten Adressen.“

      „Sofort, Mister Mc Laine“, antwortete ich mit Ehrerbietung.

      Als ich in sein Gesicht blickte, stellte ich mit Freude fest, dass das Lächeln zurückgekehrt war.

      „Wie sind wir auf einmal so förmlich, Miss Bruno. Es besteht keine Eile. Die Briefe sind nicht wirklich wichtig. Es geht bei ihnen nicht um Leben oder Tod. Ich führe eh' schon seit vielen Jahren das Leben eines Toten.“

      Trotz der Härte seiner Aussage schien er seine gute Laune wiedergefunden zu haben. Sein Lächeln war ansteckend und wärmte meine aufgewühlte Seele. Zum Glück schmollte er nie zu lange, auch wenn seine Wutausbrüche jähzornig und heftig waren.

      „Können Sie Auto fahren, Melisande? Ich müsste Sie in die Dorfbücherei schicken, um einige Bücher abzuholen. Sie wissen schon, Recherche.“ Das Lächeln wurde durch eine Grimasse ersetzt. „Ich kann natürlich nicht hingehen“, fügte er hinzu, als ob es eine Erklärung bedurfte.

      Verlegen ballte ich die Blätter in meinen Händen und lief Gefahr, sie völlig zu zerknittern. „Ich habe keinen Führerschein, Sir“, entschuldigte ich mich.

      Die Überraschung veränderte seine wunderschönen Gesichtszüge. „Und ich dachte, dass die heutige Jugend es nicht erwarten könnte, erwachsen zu werden nur um offiziell fahren zu dürfen. Sie tun es ja ohnehin schon vorher, heimlich halt.“

      „Ich bin anders, Sir“, sagte ich lakonisch. Und das war ich wirklich. Fast schon außerirdisch, mit meinem Anderssein.

      Er

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