Marsch der Könige. Морган Райс
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Marsch der Könige - Морган Райс страница 4
Thor trat ein paar Schritte in die Kammer hinein, hörte das Knistern der Fackeln an den Wänden, als er sich dem Körper näherte, der als Haufen auf dem Boden lag. Er konnte bereits spüren, dass es sich um den König handelte, und dass er ermordet worden war—dass er, Thor, zu spät gekommen war. Thor musste sich wundern, wo die Wachen waren; warum niemand hier war, um ihn zu retten.
Thors Knie wurden schwach, während er die letzten Schritte zum Körper zurücklegte; er kniete sich auf den Steinboden, packte die schon kalten Schultern und drehte den König herum.
Da lag MacGil, sein einstiger König, mit weit offenen Augen, tot...
Thor blickte hoch und sah plötzlich den Tischdiener des Königs über ihnen stehen. Er hielt einen großen, juwelenbesetzten Kelch aus massivem Gold mit Reihen von Rubinen und Sapphiren, den Thor vom Festmahl her erkannte. Den Blick starr auf Thor gerichtet, goss der Diener ihn langsam auf die Brust des Königs. Der Wein spritzte Thor ins Gesicht.
Thor hörte ein Kreischen und erblickte seinen Falken, Estopheles, auf der Schulter des Königs sitzen; sie leckte den Wein von seinen Wangen.
Thor hörte ein Geräusch und sah Argon, der über ihn gebeugt war und streng auf ihn hinab blickte. In einer Hand hielt er die glänzende Krone. In der anderen seinen Stab.
Argon kam auf Thor zu und setzte ihm die Krone fest aufs Haupt. Thor konnte sie spüren, ihr Gewicht, das sich gegen seinen Kopf drückte; sie passte wie angegossen, und das Metall schmiegte sich an seine Schläfen. Er blickte staunend zu Argon hoch.
„Du bist nun König“, verkündete Argon.
Thor blinzelte, und als er die Augen öffnete, standen vor ihm sämtliche Mitglieder der Legion, der Silbernen; hunderte Männer und Jungen waren in die Kammer gepfercht, ihre Gesichter ihm zugewandt. Wie eine Einheit knieten sie nieder und verbeugten sich vor ihm, ihre Köpfe tief zu Boden geneigt.
„Unser König“, ertönte ein Chor an Stimmen.
Thor schreckte aus dem Schlaf hoch. Er saß aufrecht da, keuchend, und blickte sich in alle Richtungen um. Hier drin war es dunkel und feucht, und er erkannte, dass er auf einem Steinboden saß, mit dem Rücken gegen die Wand. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Dunkelheit, sah eiserne Gitterstäbe in der Ferne, dahinter eine flackernde Fackel. Dann erinnerte er sich: der Kerker. Sie hatten ihn nach dem Festmahl hier heruntergeschleppt.
Er erinnerte sich an den Wachmann, der ihm die Faust ins Gesicht geschlagen hatte, und ihm wurde klar, dass er bewusstlos gewesen sein musste; er wusste nicht, wie lange. Er setzte sich auf, keuchte schwer und versuchte, den entsetzlichen Traum fortzuwischen. Er hatte sich so echt angefühlt. Er betete, dass es nicht wahr war, dass der König nicht wirklich tot war. Der Anblick des toten Königs war in seine Gedanken gebrannt. Hatte Thor wirklich etwas vorhergesehen? Oder war das alles nur seine Phantasie?
Thor spürte jemanden gegen seine Fußsohle treten und sah eine Gestalt über ihm stehen.
„Wird ja langsam Zeit, dass du aufwachst“, ertönte eine Stimme. „Ich warte schon seit Stunden.“
Im schwachen Licht erkannte Thor das Gesicht eines Jungen in etwa seinem Alter. Er war dünn, kurz, mit hohlen Wangen und pockennarbiger Haut—und doch lag Freundlichkeit und Scharfsinn in seinen grünen Augen.
„Ich bin Merek“, sagte er. „Dein Zellengenosse. Wofür sitzt du?“
Thor richtete sich im Sitzen auf und versuchte, zu klarem Verstand zu kommen. Er lehnte sich gegen die Wand, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, sich zu erinnern, seine Gedanken zu sammeln.
„Sie sagen, du hast versucht, den König zu ermorden“, setzte Merek fort.
„Das hat er auch, und wir werden ihn dafür in Stücke reißen, falls er jemals wieder hinter diesen Gittern hervorkommt“, knurrte eine Stimme.
Ein tosendes Geklapper brach aus, Zinnbecher schlugen gegen metallene Gitterstäbe, und Thor sah, wie überall entlang des mit Zellen gesäumten Korridors grotesk aussehende Gefangene ihre Köpfe zwischen den Gitterstäben herausstreckten und ihm im flackernden Licht der Fackeln wütende Blicke zuwarfen. Die meisten von ihnen waren unrasiert, hatten Zahnlücken, und manche sahen aus, als wären sie schon jahrelang hier unten. Es war ein grauenerregender Anblick, und Thor zwang sich, seinen Blick abzuwenden. War er wirklich hier unten? Saß er für immer hier unten fest, mit diesen Kerlen?
„Mach dir nichts aus denen“, sagte Merek. „In dieser Zelle gibt es nur dich und mich. Sie können nicht herein. Und mir ist es egal, ob du den König vergiftet hast. Ich würde ihn selbst gern vergiften.“
„Ich habe den König nicht vergiftet“, sagte Thor beleidigt. „Ich habe gar niemanden vergiftet. Ich habe versucht, ihn zu retten. Ich habe nichts getan, außer seinen Kelch umzuwerfen.“
„Und woher hast du gewusst, dass der Kelch vergiftet war?“, kreischte eine Stimme aus dem Korridor, die gelauscht hatte. „Hexerei, nehme ich an?“
Ein Chor zynischen Gelächters erhob sich aus dem Zellenschacht.
„Er ist ein Hellseher!“, rief einer von ihnen spöttisch aus.
Die anderen lachten.
„Aber nein, es war reines Rateglück!“, grölte noch jemand zur Erheiterung aller.
Thor blickte finster drein. Er mochte die Anschuldigungen nicht, er wollte sie alle berichtigen. Doch er wusste, es wäre Zeitverschwendung. Außerdem brauchte er sich vor diesen Verbrechern nicht zu rechtfertigen.
Merek beobachtete ihn mit einem Blick, der nicht so skeptisch war wie die anderen. Er sah aus, als würde er abwägen.
„Ich glaube dir“, sagte er leise.
„Wirklich?“, fragte Thor.
Merek zuckte mit den Schultern.
„Ist doch so: wenn du den König vergiften wolltest, wärst du dann wirklich so dumm und erzählst ihm davon?“
Merek drehte sich um und ging die paar Schritte hinüber zu seiner Seite der Zelle. Er lehnte sich gegen die Wand und setzte sich hin, Thor zugewandt.
Nun war Thor neugierig.
„Wofür sitzt du denn?“, fragte er.
„Ich bin ein Dieb“, antwortete Merek mit einem Hauch von Stolz.
Thor war überrascht; er hatte noch nie mit einem Dieb zu tun gehabt, einem echten Dieb. Ihm selbst war es noch nie in den Sinn gekommen, zu stehlen, und es hatte ihn immer schon erstaunt, dass manche Menschen so etwas taten.
„Warum tust du es?“, fragte Thor.
Merek zuckte mit den Schultern.
„Meine Familie hat nichts zu essen. Sie brauchen Nahrung. Ich habe keine Schulbildung oder sonst etwas, was ich kann. Aber stehlen kann ich. Keine großen Sachen. Meistens nur Essen. Was immer sie brauchen, um durchzukommen. Ich bin jahrelang damit davongekommen. Dann haben sie mich erwischt. Genau gesagt ist dies