Für Immer und Einen Tag . Sophie Love
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Aber bevor Emily eine Chance dazu hatte, erschien Daniel mit einem Tablett, auf dem die Kaffeekanne, Sahne, Zucker und die Tassen standen. Er stellte es auf den Couchtisch. Stille breitete sich aus, als er die Getränke einschenkte.
Roy räusperte sich. „Emily Jane, wenn du Fragen hast, kannst du sie mir stellen.“
Emilys Fähigkeit, höflich und herzlich zu bleiben, verlor sich. „Warum hast du mich verlassen?“, platzte sie heraus.
Daniels Kopf fuhr überrascht hoch. Seine Augen waren so groß wie Untertassen. Er hatte wahrscheinlich nicht bemerkt, dass Emilys Freude, Roy zurück zu haben, auch ihren Ärger aufgebracht hatte und dass sie ihre Gefühle während der gesamten Hausführung zurückgehalten hatte. Er stand auf.
„Ich sollte euch beiden etwas Zeit geben“, sagte er höflich.
Emily richtete ihre Augen auf ihn. Er sah so peinlich berührt aus, als wäre er plötzlich in eine private Angelegenheit reingeplatzt. Emily fühlte sich ein wenig schuldig, dass sie die Unterhaltung in seiner Gegenwart so schnell unangenehm werden ließ, ohne ihm die Chance zu geben, sich höflicher zurück zu ziehen.
„Danke“, sagte sie, als er aus dem Raum eilte.
Sie wandte ihren Blick wieder ihrem Vater zu. Roy schien von ihrem offensichtlichen Schmerz verletzt zu sein, aber er atmete ruhig und sah sie mit sanften Augen an.
„Ich war gebrochen, Emily Jane“, begann er. „Nach dem Verlust von Charlotte war ich ein gebrochener Mann. Ich trank. Ich hatte Affären. Ich habe meine Freunde in New York City verprellt, bis ich es nicht mehr ertragen konnte, dort zu sein. Deine Mutter und ich haben uns getrennt, obwohl das lange gebraucht hatte. Ich bin hierhergekommen, um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.“
„Du hast es nicht gemacht“, erwiderte Emily heftig. „Du bist weggelaufen. Du hast mich verlassen.“
Sie spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen. Die ihres Vaters wurden ebenfalls rot und verhangen. Er sah verschämt in seinen Schoß.
„Ich habe die Dinge einfach ignoriert“, sagte er traurig. „Ich dachte, ich könnte so tun, als wäre alles in Ordnung. Selbst noch Jahre später nach Charlottes Tod, habe ich keine Gefühle zugelassen. Ich bin nie in den Raum gegangen, den ihr euch geteilt habt, und ich habe dich in ein anderes Zimmer gesteckt, daran erinnerst du dich sicherlich.“
Emily nickte. Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie ihr Vater ihr den Zugang zu Teilen des Hauses versperrte und ihr während ihrer Sommerbesuche den Zugang zu bestimmten Bereiche verboten hatte - den Dachausguck, den dritten Stock, die Garagen, sein Arbeitszimmer, den Keller -, bis sie fast vergessen hatte, dass sie jemals existierten hatten oder was sie enthielten. Sie erinnerte sich an sein zunehmend unberechenbares Verhalten, seine Besessenheit, Antiquitäten zu sammeln, die ihr weniger als Hobby und eher als ein Zwang erschienen war, und sein Hortungsverhalten. Aber darüber hinaus erinnerte sie sich auch an den schwindenden Kontakt, die Phase bis sie fünfzehn wurde und in der sie immer weniger Zeit mit ihm in Maine verbrachte. Und an den einen Sommer, indem er nicht aufgetaucht war, um sie abzuholen. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
Emily wollte Verständnis für die Handlungen ihres Vaters aufbringen. Aber obwohl ein Teil von ihr verstand, dass er ein gebrochener Mann war, der eines Tages zerbrochen war, konnte die Qualen, die seine Handlungen verursacht hatten, damit nicht erklärt werden.
„Warum hast du dich nicht einmal verabschiedet?“, fragte Emily, während ihr die Tränen in Strömen über die Wangen liefen. „Wie konntest du einfach so gehen?“
Auch Roy schien von Emotionen überwältigt zu werden. Emily bemerkte, dass seine Hände zitterten. Auch seine Lippen zitterten, als er sprach. „Es tut mir so leid! Diese Entscheidung hat mich seitdem immer verfolgt.“
„Dich verfolgt?“ Emily weinte. „Ich wusste nicht, ob du tot oder lebendig bist! Du hast mich mit dieser Unwissenheit zurückgelassen. Hast du eine Ahnung, was das mit einer Person anstellt? Mein ganzes Leben hat wegen dir stillgestanden! Nur, weil du zu feige warst, auf Wiedersehen zu sagen!“
Roy empfand ihre Worte wie wiederholte Schläge ins Gesicht. Sein Gesichtsausdruck war schmerzerfüllt, als wären es wirklich körperliche Schläge, die sie auf ihn losließ.
„Es war unentschuldbar“, sagte er mit kaum mehr als einem Flüstern. „Also werde ich nicht versuchen, es zu entschuldigen.“
Emily spürte, wie wild ihr Herz in ihrer Brust raste. Sie war so wütend, dass sie nicht mehr klarsehen konnte. All diese Jahre der Emotionen überfluteten sie mit der Kraft eines Tsunami.
„Hast du überhaupt darüber nachgedacht, wie sehr es mich verletzen würde?“ Sie weinte und ihre Stimme schwoll in Tonhöhe und Lautstärke noch mehr.
Roy schien vor Angst gelähmt zu sein, sein ganzer Körper war angespannt, sein Gesicht vor Reue verzerrt. Emily war froh, ihn so zu sehen. Sie wollte, dass es ihm genauso weh tat wie ihr.
„Zuerst nicht“, gestand er. „Weil ich nicht ganz bei Sinnen war. Ich konnte an nichts und niemanden außer mich selbst denken, an meinen eigenen Schmerz. Ich dachte, du wärst ohne mich besser dran.“
Dann brach er zusammen. Schluchzer durchfuhren seinen Körper, bis er von Emotionen überwältig zitterte. Ihn so zu sehen war wie ein Stich ins Herz. Emily wollte ihren Vater nicht vor ihren Augen brechen und zerbröseln sehen, aber er musste es wissen. Es würde keine Zukunft geben, keine Wiedergutmachung, ohne dass alles ausgesprochen wurde.
„Also dachtest du, dass du mir einen Gefallen tun würdest, wenn du mich verlässt?“, schnappte Emily und verschränkte schützend die Arme vor ihrer Brust. „Weißt du wie mies das ist?“
Roy weinte bitterlich in seine Hände. „Ja. Ich war damals so durch den Wind und das Durcheinander in meinem Kopf hielt sehr lange an. Als ich realisierte, welchen Schaden ich angerichtet hatte, war zu viel Zeit vergangen. Ich wusste nicht, wie ich wieder dahin zurück gelangen konnte, wie es einmal war, wie ich den Schmerz ungeschehen machen konnte.“
„Du hast es nicht einmal versucht“, beschuldigte Emily ihn.
„Ich habe es versucht“, sagte Roy, und das Flehen in seinem Tonfall ärgerte Emily noch mehr. „So oft. Ich kam mehrmals zum Haus zurück, aber jedes Mal überwältigte mich die Schuld an dem, was ich getan hatte. Es gab zu viele Erinnerungen. Zu viele Geister.“
„Sag das nicht“, blaffte Emily, und in Gedanken stellte sie sich sofort Charlotte vor, die als Geist das Haus heimsuchte. „Wag es nicht.“
„Es tut mir leid“, wiederholte Roy keuchend vor Schmerz.
Er sah auf seinen Schoß, indem seine alten Hände zitterten.
Auf dem Tisch vor ihnen wurden der unangerührte Kaffee in den Tassen kalt.
Emily atmete tief durch. Sie wusste, dass ihr Vater Depressionen gehabt hatte - sie hatte die Medikamentenverschreibung in seinem Hab und Gut gefunden - und dass er nicht er selbst war, dass die Trauer ihn dazu brachte, sich auf unverzeihliche Weise zu benehmen. Sie sollte ihm dafür keine Vorwürfe machen, und doch konnte