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vorgestreckten Lippen lustlos das Soja-Gemisch, das Nadja ihr mit einem Holzklötzchen zermalmte.

      Wegen des Geldmangels war der Zoo verwaist. Einen Großteil der Tiere hatte man auf Tierzuchtfarmen im Moskauer Umland untergebracht und auf Grasfutter gesetzt. Besucher gab es fast keine – der Anblick leerer Gehege machte keinen Spaß. Nur am Wochenende trafen sich Jugendliche vom Stadtrand im Zoo, setzten sich auf die Bänke und tranken Bier.

      Die kahle Bärin streifte durch das Betonbecken. Die herabhängenden Falten, die runzelige Haut, der schmale Kopf, die runden, ledernen Ohren weckten Mitleid, doch der Ekel überwog. Als die Bärin vollends geschwächt war, scheuchte Nadja sie nachts in den hinteren Teil des Geheges, auf einen Zwischenboden, der mit Heu ausgelegt war. Warf ihren Mantel über sie und legte sich daneben. Die Bärin ruckelte herum, näher zu ihr hin. So wärmten sie einander.

      Morgens schob Nadja ein Brett zur Seite und schaute nach ihren Ersparnissen. Zählte sie nach, steckte sie wieder zurück und saß dann noch lange verlegen mit rotem Kopf da.

      Nachts war es im Zoo unheimlich. Die Bärin schnarchte immer wieder laut auf, wälzte ihren großen schlaffen Körper von einer Seite auf die andere, ihr stinkender Atem streifte über Nadjas Hals. Es war, als würden überall Amphibien aus den Terrarien herumkriechen. Nadja hatte gesehen, wie eng zusammengedrängt die Schlangen lebten – in Pappkartons mit Glühbirnen. Klar, dass sie ins Freie krochen, wenn es dunkel war. Schakale heulten, Yaks keuchten und stießen Dampfwolken aus, die den Nebel, der ihnen bis zu den Knien stand, in Wallung brachten. Zebras rannten trappelnd von einer Ecke in die andere und donnerten gegen die Stangen der Einzäunung. Enten rackerten wie bekloppt am Wasser. Otter spritzten herum. Walrosse schnauften. In den Futtertrögen raschelten und schmatzten Hamster – Hamster gab es im Zoo überall, Ratten gar nicht.

      Bei ihrer letzten Übernachtung im Zoo überfiel Nadja in der Morgendämmerung Schüttelfrost. Sie öffnete die Augen. Es war still. Durch die Ritzen glomm dämmernd der graue Himmel.

      Sie schlug den Mantel zurück und schaute sich um. Den ganzen ungestalten kahlen Körper entblößt, lag die Bärin mit starren feuchten Äuglein ausgestreckt auf dem Rücken.

      Die Lippen waren nach oben gereckt, als suchten sie den Futternapf. Mit der Zeit erschlafften sie und öffneten sich zu einem Lächeln.

      Matwejew zerlegte die Bärin als Futter für die Wölfe und Hyänen.

      Der Tierpfleger Poliwanow – der Mann mit der kaputten Brille – verteilte das Bärenfleisch.

      Nadja lief von Gehege zu Gehege. Sie schwenkte irgendwie seltsam den Arm, wiegte sich vor und zurück, und ihre Lippen tanzten, geräuschlos, als würde sie von etwas kosten – nicht die Luft, aber irgendetwas darin, weit weg.

      Der Asiatische Wildhund rührte das Bärenfleisch nicht an.

      Also warf Poliwanow die Portion zu den Geiern rüber.

      Als Nadja sich daranmachte, die Knochen aufzulesen, gingen die Hyänen auf sie los.

      Matwejew verband ihr den Knöchel und sammelte die restlichen Knochen selbst auf.

      Den stinkenden Sack mit den Knochen schleppte sie auf den Dachboden im Strelbischtschenski Pereulok. Wadja sprang auf, wirbelte herum, stieß den Sack durch die Luke, so dass er auf den obersten Treppenabsatz polterte. Nadja stand verheult da, packte ihn an der Schulter, zog ihn runter und stampfte mit dem Fuß auf.

      »Biste jetzt völlig übergeschnappt oder was?« Wadja versetzte ihr einen Hieb gegen die Brust.

      Nadja schlug kraftlos zurück, blökte los.

      Wadja schubste sie vom Dachboden hinunter. Stieg selbst hinterher. Zündete sich eine Zigarette an, lud sich den polternden Sack auf den Rücken und schleppte ihn, Rauch durch die Nase ausatmend, schnell zur Mantulinskaja, in den Park. Nadja lief ihm schaukelnd hinterher. Dann ging sie schneller, holte ihn ein und berührte den Sack.

      Im Park wartete Wadja, bis ein paar Spaziergänger vorbeigegangen waren, dann warf er den Sack in den Teich.

      Das Geld, das im Gehege versteckt war, hatte Nadja vergessen. Aber Matisse hatte sie noch.

      Der König

      XXXI

      Wie war Koroljow zum lebenden Leichnam geworden? Zu Schul- und Unizeiten war er mit beglückender Inbrunst[47] offen gewesen für die Welt der Gedanken und Gedankengebäude. Die Welt der Menschen fand er lange zu einfach, sie brauchte nichts außer Güte und Ehrlichkeit. Diese Kategorien hatte er stets großzügig für axiomatisch befunden, sie brauchten nicht erforscht zu werden.

      Koroljow glaubte aufrichtig, dass das Leben es gut mit ihm gemeint hatte. Im Kinderheim lebte er mit netten Kindern zusammen, und in der Schule hatte er redliche Lehrer. Auch die Erzieher behandelten ihn nachsichtig: wie ein verrücktes, aber begabtes Kind.

      Das Dorf Jablonowo bei Kolomna. Im Kinderheim vierundachtzig Kinder. Daher eine behagliche und aufmerksame Betreuung. Die Erinnerung an die Schule ist verbunden mit Physik und Mathematik und mit Wanderungen, auf dem Fluss und zu Fuß in den Wald (mit Paddelbooten durch das benachbarte Gebiet Kaluga, durch Gegenden, wo einst Partisanen gelagert hatten: der Suchtrupp Kassiopeia, waldige Ufer an der Ugra, Sümpfe, Dickicht, weiße, poröse Knochen, kräftige Unterkiefer, in der Handfläche kalte Zahnkronen aus Stahl, eingestürzte Erdhütten, Schützengräben, eine 53-K auf intaktem Fahrgestell, Haubitzengranaten, Ausschmelzen von TNT, Explosion, Ignatz’ abgerissene Hand, ein Tiger-Panzer der Faschisten, bis zum Turm versunken im Morast, Beerdigung der Hand am Ufer, neben dem kleinen Hügel pflanzten sie eine Weide, biegsam, wohlgeformt wie eine Hand, wie Finger).

      Koroljow lebte von Rechenaufgaben. In der siebten Klasse entdeckte er in der Zeitschrift Der junge Techniker die Aufgaben für die Aufnahmeprüfungen an der Fernschule des Moskauer Instituts für Physik und Technik und war fortan nicht mehr zu halten. Vor dem Einschlafen las er zwei oder drei Aufgaben – und morgens, noch im Bett, schrieb er die Lösungen auf. In der achten Klasse bot man ihm nach der regionalen Mathematik-Olympiade an, sich am besten Spezialinternat für Physik und Mathematik im Land zu bewerben. Er bewarb sich und wurde genommen. So stand er nun im Ruf[48] als König.

      Für Koroljow waren Erinnerungen das Größte, er lebte von diesem starken reinen Feuer, mit dem ihn seine Kindheit erfüllte. Ein paar Jahre fuhr er in den Ferien und zum Tag des Lehrers in beide Internate. Mit der Zeit erlosch das Feuer. Im Grundschulinternat fühlte er sich schon nicht mehr wie zu Hause, fuhr aber regelmäßig hin, bis es aufgelöst wurde. Dann besuchte er nur noch seine Klassenlehrerin in Kolomna. Im Winter des dritten Studienjahres starb Maria Alexejewna. Ihre Verwandten hatten ihm kein Telegramm geschickt. Erst einen Monat später kam er dorthin, ging auf den Friedhof, setzte sich auf einen Schneehaufen ans Grab. Auf der Umzäunung ließ sich eine Dohle nieder. So saßen sie bis zur Dämmerung und schauten auf das mit Kreuzen vollgestellte, vergitterte Weiß.

      XXXII

      Koroljows andere Klasse war trotz aller heißen Freundschaftlichkeit mit der Zeit auseinandergefallen, als hätte es sie nie gegeben. Viele lebten übers Land oder die Welt verstreut, die übrigen hatte das Leben sonstwohin verschleppt. Genau das Gleiche war mit seinen Kommilitonen passiert. Sie hatte das Meer des Lebens noch gewaltiger auseinandergetrieben. Die einen vegetierten wie er dahin, andere waren reich geworden, nur wenige hatten in der Wissenschaft bleiben können, ja, und auch das nur um den Preis der Emigration.

      Die Erinnerungen an Schule und Unizeiten hatten Koroljow lange

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<p>47</p>

mit Inbrunst – страстно, всей душой

<p>48</p>

im Ruf stehen – иметь репутацию, считаться