Учимся рисовать. В. Г. Дмитриева

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Учимся рисовать - В. Г. Дмитриева Многоразовая тетрадь-тренажёр

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und der Welt verlassen geglaubt hatte, war sie auf ihn zugekommen. „Ich bin Nadja Seeler und möchte dich auf ein Eis einladen“, hatte sie mit kokettem Lächeln, aber tiefem Ernst in den Augen zu ihm gesagt. „Du wirkst ein bisschen verloren, und ich denke, jemand sollte sich um dich kümmern.“

      Ihre ungespielte Offenheit hatte ihn verblüfft, so dass er auf ihr Angebot eingegangen und ihr ins Eiscafé Michielin gefolgt war, das nur eine U-Bahn-Station vom Campus entfernt lag . Nachdem die Bedienung ihre Bestellung serviert hatte, war Nadja ungeniert auf den Punkt gekommen: „Ich beobachte seit Wochen, wie du lustlos im Hörsaal herumlümmelst. Durchhänger sind schon mal drin, aber bei dir scheint es ein Dauerzustand geworden zu sein. Läuft’s etwa mit dem Studium nicht?“

      „War schon besser. Aber das ist es nicht.“

      „Was quält dich dann? Raus damit!“

      Erik hatte gezögert, weil er es grundsätzlich für aufdringlich, wenn nicht gar peinlich hielt, andere Menschen mit seinen Sorgen zu behelligen. Andererseits hatte er Nadja, die aufrichtig an ihm interessiert zu sein schien, nicht vor den Kopf stoßen wollen. Auch hatte er begriffen, dass sie nicht der Typ war, der schnell aufgab, sondern über ein unerschöpfliches Repertoire verfügte, einem introvertierten Menschen wie ihm auf die Sprünge zu helfen. „Komm schon! Es kostet doch nichts, sich den Kummer von der Seele zu quatschen. Bleibt auch alles unter uns. versprochen.“ Zur Bekräftigung ihrer Aufrichtigkeit hatte sie die flache Hand auf die Stelle ihrer Brust gelegt, wo das Herz schlägt, so dass Erik sich einen Ruck gab und begann, erst stockend, dann immer flüssiger zu erzählen.

      *****

      „Mama, du isst ja wieder nichts.“

      „Tut mir leid, Erik.“

      Er hatte gekocht. Wie jeden Abend. Und wie jeden Abend konnte Margret Durante, die mit dunklen Augenringen vor ihrem Teller saß, vor Müdigkeit kaum das Besteck halten.

      „Dein Essen schmeckt wie immer großartig, Erik, an dir ist wirklich ein Sternekoch verloren gegangen. Aber ich bin fix und fertig und gehe besser schlafen.“

      Meistens sank sie noch angekleidet auf ihr Bett und zog sich erst am Morgen aus, um zu duschen und sich frische Kleidung überzustreifen. Sie nahm bedenklich schnell ab. Erik plagten Schuldgefühle, denn Margret hatte sich ein Ziel gesetzt, von dem nicht einmal Gott sie hätte abbringen können: Erik sollte studieren, und dafür war ihr jeder Einsatz recht. Sie fuhr mit ihrem Taxi erheblich mehr Stunden am Tag, als gesetzlich zulässig waren, denn nur so konnte sie genügend Geld nach Hause bringen, dass es für den Unterhalt und die Finanzierung des Studiums reichte.

      Eigentlich Drogistin von Beruf, hatte sich Margret als Taxifahrerin selbständig gemacht, nachdem ihr Arbeitgeber gezwungen gewesen war, seine Drogerie zu schließen und die Mitarbeiter zu entlassen. Mit den Drogerieketten, die immer stärker den Markt beherrschten, hatte er auf Dauer nicht konkurrieren können. Margaret musste schon bald begreifen, dass sie keine Chance hatte, bei einer dieser Drogerieketten ausreichend entlohnt zu werden, um ihren Lebensstandard und Eriks Studium weiterhin finanzieren zu können. Eine Fernsehdokumentation über Taxifahrer in Berlin hatte sie schließlich auf die Idee gebracht, für die Taxifahrerprüfung zu lernen, einen Kredit aufzunehmen und ein Fahrzeug zu leasen. Das Risiko, das mit einer unternehmerischen Tätigkeit verbunden gewesen war, hatte ihr zwar Herzdrücken bereitet, war ihr jedoch annehmbarer erschienen, als sich arbeitslos zu melden und dem Staat auf der Tasche zu liegen.

      Die Prüfung war anspruchsvoll gewesen, aber Margaret hatte sie souverän bestanden. Schon bald genoss sie den Respekt der Taxifahrerkollegen und begann, ihren neuen Beruf zu lieben.

      Als sie sich eines Nachmittags mehrere Stunden lang nicht über Funk gemeldet hatte und auch bei Einbruch der Nacht nicht an ihren Halteplatz zurückgekehrt war, wurden die Kollegen und die Mitarbeiter in der Taxi-Zentrale nervös und informierten die Polizei. Die Einsatzbeamten, die bereits von Verkehrsteilnehmern über ein Autowrack auf der Bundesstraße 8 informiert worden waren und nach der beschriebenen Stelle suchten, fanden Margrets Taxi an einem Brückenpfeiler und ihren reglosen Körper in einem nahen Gebüsch, wohin er durch die Windschutzscheibe geschleudert worden war, weil sie sich nicht angeschnallt hatte.

      In der Klinik erkannten die Ärzte auf den ersten Blick, dass ihre Chancen schlecht standen. Ihr Brustkorb war eingedrückt und hatte die Lunge zerquetscht, so dass die Chirurgen jede einzelne Rippe an Silberdrähten aufhängen mussten, um das Organ zu entlasten. Sie kämpften vergeblich: Drei Tage nach dem Unfall war Margret tot.

      Erik stand über Nacht vor dem Nichts.

      *****

      Nadja hatte zugehört, ohne Erik zu unterbrechen. Sie saßen vor ihrem zweiten Eis.

      „Und jetzt?“

      „Was schon? Die Studiengebühr ist bis Ende des Semesters bezahlt. Dann muss ich aussteigen. Allein kann ich das nicht stemmen.“

      „Was ist mit deinem Vater? Kann er dir nicht helfen?“

      Erik hatte die Augenbrauen hochgezogen. „Welcher Vater? Wie kommst du darauf?“

      „Wieso? Jeder Mensch hat einen Vater.“

      „Ich nicht.“

      „Wie?“

      „Ich kenne meinen Vater nicht. Für mich hat es nie einen gegeben.“

      Nadja hatte begriffen und nicht weiter danach gefragt.

      „Ich habe für mein Studium gebrannt, Nadja. Nach fünf Semestern Soziologie wusste ich, was ich später machen wollte. Psychologie draufpacken und dann in die Welt der Organisations- und Arbeitspsychologie einsteigen … das wäre total spannend geworden. Die Menschen müssen immer stärker mit Zeitmanagement, Teamarbeit und psychischen Belastungen fertig werden. Das Fach hat irre viel Zukunft. Aber für mich ist das jetzt aus und vorbei.“

      „Stimmt. Riesig spannende Themen. Das war auch für mich der Grund, Soziologie zu studieren. Und deshalb sind wir uns über den Weg gelaufen und sitzen jetzt hier. Du musst weitermachen, Erik. Unbedingt.“

      „Hast du mir nicht zugehört, Nadja? Ich kann es nicht aus eigener Tasche bezahlen. Die paar Kröten, die meine Mutter sparen konnte, reichen gerade mal, um noch eine Weile die Miete und meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Nach diesem Semester ist für mich Schluss. Ich muss sehen, dass ich schnellstens an Arbeit komme.“

      „Ich könnte meinen Vater bitten … Er hätte Verständnis. Weißt du, um Geld musste ich mir nie Sorgen machen. Meine Eltern sind … “

      Erik unterbrach sie und schüttelte energisch den Kopf. „Akademiker in den gehobenen Kreisen des vornehmen Frankfurter Westends, die ihrer Tochter jeden Wunsch erfüllen würden. Oder erfolgreiche Manager eines Industrieunternehmens. Vergiss es, Nadja. Ich will von niemandem abhängig sein. Ich muss selbst meinen Weg finden.“

      „Sie sind beide Zahnärzte, und Papa praktiziert außerdem als Kieferchirurg. Es würde ihm nichts ausmachen, einem Studenten unter die Arme zu greifen.“ Als Erik schwieg, zuckte sie die Schultern und seufzte. „Aber wie du meinst.“

      Sie hatten ihre dritte Portion Eis verspeist und über zwei Stunden miteinander geplaudert, ehe sie aufbrachen und sich für ein nächstes Mal verabredeten. Von da an hatten sie sich regelmäßig getroffen, und nach wenigen Wochen waren sie ein Paar.

      Als Nadja ihr Studium beendet und eine Assistenzstelle in einem Beratungsunternehmen

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