Учимся рисовать. В. Г. Дмитриева

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Учимся рисовать - В. Г. Дмитриева Многоразовая тетрадь-тренажёр

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Name. Gefällt mir.“

      „Eigentlich heiße ich Rosa-Maria Müller. Banal und scheußlich altmodisch, finden Sie nicht? Romina Bonero ist mein Künstlername.“

      „Oh, und was machen Sie?“

      „Was ich mache? Ich sitze in einem Zug und lasse mich auf eine Unterhaltung mit einem durchgeknallten Waggonhopper ohne Gepäck ein, der versucht, mich anzubaggern.“

      Erik musste über ihre Schlagfertigkeit lachen. „Der Punkt geht an Sie, Romy Bonero. Also nochmal meine Frage: Was machen Sie künstlerisch, um Ihre Brötchen zu verdienen?“

      „Verschiedene Dinge. Modell stehen für Versandhaus-Mode, fotografieren für Zeitschriften. Manchmal bekomme ich auch Aufträge, für Reportagen zu recherchieren. Ich mache alles Mögliche, sozusagen querbeet, solange es sich für mich spannend anhört.“

      „Eine ‚Hanna-Dampf in allen Gassen‘ also, die für den Job eines Vorzimmerdrachen nicht zu begeistern wäre.“

      „Ich bin gerne unabhängig. Routine und Bürostaub würden mich umbringen.“

       „Was haben Sie in Hanau gemacht? Das ist nicht gerade eine der interessantesten Städte in Deutschland. Nicht einmal in Hessen.“

      „Sagen Sie das nicht, Mr. Crazy. Wie heißen Sie eigentlich?“

      „Erik. Erik Durante. Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt, ein verkrachter Student der Soziologie, ohne Berufsausbildung und arbeitslos. Was möchten Sie noch wissen?“

      „Das genügt, den Rest sehe ich selbst“, antwortete Romy mit wohlwollendem Blick, der Erik nicht entging. Obwohl er nicht die Jugendausgabe eines Harrison Ford war, fanden ihn die meisten Frauen attraktiv, besonders wegen des Kontrasts seines breiten Kinns und der kräftigen, etwas zu langen Nase mit seinen ansonsten weichen Gesichtszügen. Dazu war er groß und gut gebaut, ein Jogging-Typ.

      „Also, Mr. Crazy“, schickte sich Romy an, seine Frage zu beantworten, „ich war hier, um für eine Reportage über die demokratischen Bewegungen in Hanau von 1830 bis zur Revolution von 1848 zu recherchieren. Auch über die damals entstandene erste Eisenbahnstrecke von Hanau nach Frankfurt.“

      „Klingt ziemlich anspruchsvoll. Für wen machen Sie das?“

      „Für die Berliner Morgenpost. Von Hanau gingen wichtige revolutionäre Impulse aus.“

      „Wieso interessiert man sich in Berlin dafür, was vor beinahe zweihundert Jahren in Hanau passierte?“

      „Die Reportage ist Teil einer Serie über die gesamte deutsche Revolution.“

      „Die gescheitert ist.“

      „Wie fast alle Revolutionen.“

      Sie schwiegen eine Weile. Erik schaute wieder zum Fenster hinaus, und während er die sonnenbeschienene Landschaft unter dem blauen, wolkenfreien Himmel in sich aufnahm, überkam ihn ein seit langem nicht mehr gekanntes Gefühl der Freiheit.

      „Sie können in Fulda aussteigen und zurückfahren“, nahm Romy den Faden wieder auf. „Ehe Ihre Familie eine Vermisstenanzeige aufgibt.“

      Erik sah sie an und schüttelte den Kopf. „Ich habe bis Berlin gelöst, und so einfach werden Sie mich nicht wieder los.“

      „Ich fürchte, darüber werden Sie noch einmal nachdenken müssen, Mr. Crazy. Wem gehörte eigentlich das Kleid, bevor Sie es für mich vom Himmel fallen ließen?“

      „Meiner Lebensgefährtin. Nadja. Sie ist darüber unglücklich und hat sich mit den Leuten von der Reinigung angelegt. Weil ich mich bei ihr damit rausgeredet hatte, man hätte es nicht finden können.“

      Romy schwieg eine Weile. Sie schien beeindruckt zu sein, als habe sie eine wild konstruierte Lügengeschichte erwartet, die ihr einen plausiblen Grund unterjubeln sollte, weshalb Erik das Kleid ihr überlassen hatte und ihr eine Woche später bis in den Zug gefolgt war, vielleicht Floskeln wie „meine Frau und ich verstehen uns nicht mehr“ oder „sie hat den Fummel nur noch getragen, um andere Männer anzumachen“ oder „ich bin gerade Single, und das Kleid stammt noch von einer Verflossenen“. Doch offensichtlich nahm sie Erik beim Wort. „Zwischen Ihrem Mädel und Ihnen scheint es nicht mehr zu stimmen.“ Erik antwortete nicht. „Sie haben recht, Mr. Crazy, es geht mich nichts an. Wenn wir in Berlin sind, bekommen Sie das Kleid zurück und können es nach Hause mitnehmen. Ich werde Ihnen die Rückfahrt bezahlen, das fällt für mich unter abrechenbare Spesen. Sie haben mir eine wundervolle Geschichte geliefert, die ich aufschreiben und bei einem der Zeitungsverlage, für die ich arbeite, unterbringen kann.“

      Erik hätte am liebsten aufgeschrien: Ich will das Kleid gar nicht zurückbringen, diesen Fetisch des ersten Kusses, dieses nostalgische Etwas, das für mich jede Bedeutung verloren und keine Versprechung gehalten hat, an das ich mich nicht einmal erinnern könnte, wenn Nadja es nicht in die Reinigung gebracht und damit dieses ganze Drama ausgelöst hätte. Ich wollte, sie hätten es in der Reinigung wirklich nicht gefunden. Ich wünschte, mit diesem Kleid wäre auch Nadja aus meinem Leben verschwunden …

      Bei seinem letzten Gedanken erschrak Erik vor sich selbst. Er verwirrte ihn, und gerne wäre er ihn wieder losgeworden. Doch wie eine Gewehrkugel war er in sein Gehirn eingedrungen und steckte darin fest. Da war sie also, die Erkenntnis, die er zu ignorieren versucht hatte, weil es zu schmerzhaft gewesen wäre, sich ihr zu stellen. Weil er nicht den Mut hatte, mit Nadja Schluss zu machen und ihr das Herz zu brechen. Weil er nicht wusste, wie sein Leben ohne sie weitergehen sollte, mittellos wie er war.

      Das seien Phasen, wie sie in jeder Beziehung vorkommen, hatte er sich jedes Mal beschwichtigt, wenn er sich unglücklich fühlte und ihn bei der Vorstellung, sein Leben wie jetzt weiterführen zu müssen, der blanke Horror überfiel. Aber das Kleid, dieses vermaledeite Kleid! Wie der Schlüssel zu einer verbotenen Tür hatte es einen Raum geöffnet und Erik gezwungen, einzutreten und das darin Verborgene anzuschauen. Seine spontane Handlung, es zu verschenken, war mehr als eine Laune gewesen, mehr als die Bewunderung für eine attraktive Frau, die er gar nicht kannte: Es war eine Symbolhandlung gewesen, erwachsen aus einer in Eriks Unterbewusstsein schlummernden Wahrheit, die sich ihm jetzt glasklar offenbarte.

      Er wollte kein Hausmann mehr sein, sich nicht jeden Tag wie ein Laufbursche in die Stadt schicken lassen, nicht mehr mit ansehen, wie Nadja abends ausgelaugt von der Arbeit nach Hause kam, kaum ein Wort mit ihm wechselte, todmüde ins Bett fiel und ihn allein vor dem Fernsehgerät sitzen ließ. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er nie wieder von jemandem abhängig sein wollen, aber genau das war ihm passiert. So schleichend, dass er es anfangs nicht bemerkt hatte. Doch inzwischen war es ihm bewusst geworden, und er hatte diesen Zustand satt, restlos satt. Das war die unbequeme, nackte und kompromisslose Wahrheit.

      „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Romys Stimme schien von weit her zu kommen. Erik nickte kurz. „Worüber haben Sie denn so intensiv nachgedacht? Sie sahen einen Moment lang ziemlich grimmig aus.“

      „Ich dachte darüber nach, was ich Nadja erzählen soll, wenn ich nach Hause komme“, log Erik. „Weshalb ich so lange weg war. Nichts Verrücktes, sondern etwas, das sie mir abnehmen kann.“

      „Knifflige Sache, scheint mir.“

      „Haben Sie eine Idee?“

      „Nein, aber einen Rat: Sagen Sie Ihrer Nadja, in der Reinigung habe man einen Fehler gemacht und das Kleid der falschen Kundin ausgehändigt, Sie seien dann zufällig der Frau begegnet, die

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