Die Taube. Александр Дюма
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Taube - Александр Дюма страница 2
Fünf bis sechs Tage lang verließ der Sperber seinen Beobachtungsplatz nur für einige Augenblicke, und ich sah ihn Tag und Nacht regungslos auf dem dürren Zweige, wo er seine Beute belauerte.
Die Taube ihrerseits fühlte ohne Zweifel seine Gegenwart, denn, traurig aber wie ergeben, ging sie während dieser fünf bis sechs Tage nicht einmal an das Fenster.
Endlich verschwand vorgestern der Sperber, und der Instinct der Gefangenen sagte ihr, daß ihr Feind es müde geworden wäre, denn fast sogleich flog sie so gewaltig gegen die durchsichtige Scheibe, daß sie dieselbe beinahe zerbrochen hätte.
Von nun an war ich für sie kein Beschützer mehr, sondern ein Kerkermeister; mein Zimmer hörte auf eine Zufluchtsstätte zu sein, und wurde ein Gefängniß. Einen ganzen Tag lang versuchte ich sie mit mir zu versöhnen, einen ganzen Tag lang hielt ich sie zurück, und sie sträubte sich. Endlich hatte ich gestern Mitleid mit ihr, ich schrieb den Brief, den Sie erhalten haben, und mit Thränen in den Augen machte ich das Fenster auf, durch welches ich sie für immer verschwinden zu sehen glaubte.
Seit dem habe ich sehr oft an diesen Sperber gedacht, der sich regungslos und lauernd auf dem höchsten Zweige dieser Pappel aufhielt, und ich sah in ihm das Symbol jenes Feindes des Menschengeschlechtes, den man brüllen hört, aber den man nicht sieht, und der beständig um uns herum schwärmt, quaerens quem devoret, indem er Jemand sucht, um ihn zu verzehren.
Und jetzt, wenn ich ein Vergnügen empfände, das mich erschreckt, diese Taube wieder zu sehen und Ihre Briefe zu empfangen, so würde ich Ihnen sagen:
Erzählen Sie mir jetzt, meine Schwester, wo ich Ihnen gesagt habe wie Iris zu mir gekommen ist, wie Iris Sie verlassen hat.
Morgen wird der Strahl des Tages mein Fenster offen finden, und nach diesem ersten Strahle wird Ihre Botin abreisen, indem sie Ihnen diese Antwort üben bringt.
Mögen bis dahin alle die geflügelten Kinder, welche man die Träume nennt, sich ehrerbietig auf Ihr Lager neigen, und Ihre Stirn mit dem Schlage ihrer Flügel erfrischen.
Vierter Brief
Ich habe drei Tage verstreichen lassen, um Ihnen zu antworten, wie Sie aus dem Datum meines Briefes sehen, das kommt daher, weil der Ihrige keinen Zweifel übrig ließ. Ich hoffte Sie meine Schwester zu nennen, und ich muß darauf verzichten Ihnen zu schreiben oder Sie meinen Bruder nennen.
Sie fürchten, wie Sie sagen, einen Schooß Ihres Gewandes in die Thür geklemmt zu haben, welche sich nach der Welt öffnet. Sie sind also aus der Welt in die Einsamkeit übergegangen?
Sie sind durch die verschiedenen Stufen der menschlichen Größe gefallen, sagen Sie ferner. Sie waren also auf den ersten Rang der Gesellschaft gestellt, daß Ihr Sturz so viele Zwischenräume durchzogen hat.
Sie haben fast ein Königreich verloren, und Sie haben bei dem Winde des Beiles nicht geschaudert, welches die Köpfe um Sie herum abschlug, sagen Sie gleichfalls. Sie haben also das Leben der Großen gelebt, Sie haben also Theil an den Kämpfen der Fürsten genommen?
Wie wollen Sie, daß ich alles das mit Ihrem Alter vereinige, denn Sie sind jung, mit Ihrer Demuth, denn Sie sprechen auf den Knien?
Und welches Interesse hätten Sie indessen, mich zu täuschen? Sie kennen mich nicht; Sie wissen nicht ob ich von Adel oder dienstpflichtig, jung oder alt, häßlich oder hübsch bin?
Uebrigens kümmert, es Sie eben so wenig, zu wissen wer ich bin, als mich zu wissen, wer Sie sind. Wir sind zwei einander fremde, von einander getrennte, einander unbekannte Wesen, die keins Macht materieller Weise zu vereinigen vermöchte.
Aber außer der materiellen Vereinigung gibt es die Mittheilung des Gedankens; außer dem Gefühlt und dem Gesichte des Körpers gibt es die Verbrüderung der Seelen, das geheimnißvolle Liebesmahl, bei welchem man aus demselben Becher das Wort des Herrn und die Flammenstrahlen des heiligen Geistes trinkt.
Das ist Alles, was ich Ihnen wünsche, Alles was Sie von mir wollen können.
Wenn, dieses festgesetzt, es. irgend eine Sympathie zwischen unseren Geistern, irgend eine Verwandtschaft zwischen unseren Seelen gibt, welches Unrecht kann in den Augen. des Herrn darin liegen, daß unsere Geister und unsere Seelen durch den Raum miteinander umgehen, wie es die Strahlen zweier befreundeter Sterne machen würden, die sich in den luftigen Einöden des Firmamentes kreuzen?
Hören Sie jetzt, wie die arme Iris mein Zimmer verlassen hatte.
Am Abende vor dem Tage, an. welchem Sie ihr das Leben gerettet haben, betete ich knieend; meine Lampe stand neben den Vorhängen meines Bettes. Gegen Mitternacht schlief ich betend ein. Vielleicht zehn Minuten nachher ging weine schlecht verschlossene Thür von dem Winde getrieben auf; meine aufgehobenen Vorhänge wallten, erreichten die Lampe und fingen Feuer. In einem Augenblicke war mein Zimmer, welches klein ist, voller Flamme und Hitze. Ich erwachte halb erstickt. Meine arme Taube flatterte an des Decke, indem sie sich in Mitte des Rauches abkämpfte. Ich eilte nach dem Fenster und machte es auf. Kaum war das Fenster offen, als sie hinausflog, und ich sie sich in der Dunkelheit an die Zweige wohlbekannter Bäume stoßen hörte, auf deren Zweigen sie einen Theil des Tages spielt. In der Hoffnung, daß sie mit Tagesanbruch zurückkehren würde, ließ ich mein Fenster offen; aber der Tag kam und verfloß, ohne daß ich sie wieder sah. Durch die Feuersbrunst erschreckt, war sie ohne Zweifel so lange geflohen, als sie fliegen konnte. Am folgenden Tage wird sie bei ihrer Rückkehr durch den Sperber verfolgt worden sein, gegen den sie Sie um Hilfe gebeten hat. Sie haben Sie aufgenommen, behalten, und ich hielt, sie für verloren, als ich plötzlich mit einem Flügel gegen meine Fensterscheibe habe schlagen hören. Ich habe mein Fenster geöffnet; es war die Flüchtige, welche ihre Entschuldigung mitbrachte, der aber, hätte sie dieselbe nicht mitgebracht, im Voraus. verziehen war.
Das ist die Geschichte der armen Iris? Ist das Alles, was Sie wissen wollen? und haben Sie mich um nichts Anderes mehr zu fragen? In diesem Falle wird unsere Botin ohne Brief und ohne Billet zurückkehren.
Ich werde wissen, was das bedeuten soll, und ich werde Ihnen von hier aus schreiben.
Gott befohlen, mein Bruder, der Herr sei mit Ihnen!
Fünfter Brief
Iris ist ohne Brief oder Billet zurückgekehrt. Die arme Kleine hatte eine ganz betrübte Miene, so ihres Ranges als Botin entsetzt wieder zu erscheinen, sie hob von selbst ihren Flügel auf, wie um mich zu fragen, was das bedeuten solle.
Das will sagen, liebe Iris, daß Du mir allein angehörst, daß der Tag, der an unserem dunkeln Himmel entstanden war, erloschen ist, daß der Bruder ein Fremder, daß der Freund ein Gleichgültiger war.
Und dieses, liebe Kleine, schreibe ich für mich allein. Diese Klage meiner Seele, welche in ihrer Einsamkeit jammert, wird nicht bis zu ihm gelangen, ich sage es Dir, daß ich leide, ich sage es Dir, daß ich weine, ich sage es Dir, daß ich unglücklich bin.
Ach!ach! mein Gott, verirrt sich Deine Gerechtigkeit nicht zu weilen, und treffen nicht die Streiche, welche Du den Schuldigen vorbehältst, von irgend einem unsichtbaren und bösen Engel abgewandt, die Unschuldigen? Man sagt uns, daß die Leiden dieses Lebens die Glückseligkeit des andern vorbereiten, aber warum Leiden für die, welche nichts gethan hat, die vielleicht einen Fehltritt, die aber gewiß kein Verbrechen zu büßen hat? Warum die Verzeihung Jesus für die Magdalena? warum die Nachsicht