Das Eulenhaus. Eugenie Marlitt
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Читать онлайн книгу Das Eulenhaus - Eugenie Marlitt страница 15
Herr von Gerald lachte belustigt auf, Klaudine aber, die eben den Wein in die Gläßer goß, sagte mit einem Blick auf den am Geländer Stehenden: »Von der Musik verstehen Sie desto mehr.«
»Wer sagt Ihnen das?« fragte er stirnrunzelnd. Er trat an den Tisch. »Meines Wissens habe ich mein Licht nie bei Hofe leuchten lassen. Haben Sie mich je in Gegenwart der Hofgesellschaft eine Klaviertaste berühren sehen? Aber sehen Sie«, wandte er sich zu Herrn von Gerold, »weil ein dumpfes Gerücht umgeht, daß ich im stillen Kämmerlein meinen Göttern Bach und Beethoven opfere, so sucht man mich an dieser schwachen Stelle zu binden, nicht um meinetwillen – Gott behüte! Wäre mein Töchterchen nicht, so könnte ich getrost unter den Botokuden oder irgendwo leben, sie würden mich nicht holen, aber das Kind wollen sie in der Residenz haben, und deshalb mödite mich die Gnade Seiner Hoheit zum – Hoftheaterintendanten machen.« Er lachte gezwungen auf. »Eine kostbare Idee! Ich soll die Drähte der Scheinwelt von Brettern und Pappe in die Hand nehmen, soll Kulissen- und Theaterkanzleistaub schlucken, mich mit widerspenstigen Sängerinnen und Ballerinen herumschlagen – Gott soll mich bewahren! Lieber ziehe ich mich ganz nach Neuhaus oder auf mein Gut in Sachsen zurück, jage, säe und ernte, und gehe, wenn es sein muß, selbst hinter dem Pflug her, dann kann ich mir wenigstens sagen, daß ich an Leib und Seele gesund bleibe.«
Er nahm eines der Gläser von der Platte, die Klaudine ihm bot. »Nun, und Sie? Ich sehe nur zwei Gläser«, sagte er zu ihr. »Bei Hofe haben Sie es stets außerordentlich geschickt zu vermeiden gewußt, Ihr Glas an das meine klingen zu lassen – ich begriff das, standen sich doch Montecchi und Capuletti gegenüber, aber heute ist das anders. Ich stehe als Ihr Gast hier, und wenn Sie mir auch nicht erlauben werden, auf Ihr spezielles Wohl zu trinken, so möchte ich Sie doch bitten, mit mir anzustoßen in Erinnerung an eine Frau, welche wir beide lieben, auf das Wohl unserer verehrungswürdigen Herzoginmutter!«
Klaudine beeilte sich, ein Glas zu holen, und gleich darauf scholl der Silberton der drei aneinanderklingenden Gläser hell über den Garten hin.
»Die alten Bäume mögen sich wundern«, meinte Herr von Gerold frohgestimmt mit einem Blick nach den höchsten Eichenwipfeln. »Seit dem Gelage, das die Bilderstürmer bei den Weinfässern des brennenden Klosters gefeiert haben, ist wohl kein Gläserklang hier laut geworden. Aber er tönte so hell und rein, so glückverheißend, daß ich nochmals anstoßen möchte, und zwar auf einen, den ich sehr verehre, wenn ich ihm auch persönlich stets fern gestanden. Er ist ein edler Mensch, ein eifriger Beschützer der Künste und Wissenschaften, er liebt die Poesie – unser Herzog, er lebe!« In diesem Augenblick sprühte der goldene Rheinwein wie ein flimmernder Sonnenstrahl in weitem Bogen durch die Luft, und Baron Lothars Glas zerschellte drunten auf den Steinen.
»Ah Verzeihung, ich war sehr ungeschickt! Was für ein täppischer Mensch bin ich doch!« entschuldigte er sich mit einem erzwungenen Lächeln. »Der alte Bursche da« – er zeigte auf den Lindenast, an den sein Arm gestoßen – »ist noch gewaltig stramm, der weicht nicht aus. Nun, Seine Hoheit wird auch ohne meinen Bescheid leben!« Er zog den Handschuh der Rechten straffer und griff nach seiner Reitgerte. »Ich habe die Gastfreundschaft schlecht gelohnt, meine sofortige Selbstverbannung soll die Sühne sein. Ich wäre gern noch in diesem köstlichen Stilleben geblieben, und auch in die Glockenstube hätte ich einen Blick werfen mögen, aber das für ein andermal, wenn es gestattet ist. Und nun komm her, kleine Landstreicherin.« Er hob die kleine Elisabeth, die still auf einem Korbstühlchen am Geländer saß und mit großen Augen dem ungewohnten lauten Treiben auf der Plattform zusah, hoch zu sich empor und küßte sie. »Und da hinaus wird nicht wieder marschiert«, – er zeigte mit strenger Miene hinunter nach dem Garteneingang – »wenn du die Erdbeerdame besuchen willst, dann lasse es mir sagen, ich hole dich mit dem Wagen, so oft du magst. Hast du mich verstanden?«
Sie nickte schweigend und scheuen Blickes und strebte, wieder auf den Boden zu kommen.
»War er böse, der Onkel?« fragte sie ihren Papa, als er vom Garteneingang zurückkehrte, bis zu welchem er dem Fortreitenden das Geleit gegeben hatte.
»Nein, mein Kind, böse nicht, nur ein wenig wunderlich!« antwortete er. »Das arme Glas und der edle Rheinwein!« Er sah bedauerlich lächelnd auf die Scherben hinab. »Und der arme, verlästerte Lindenast, der es wirklich nicht getan hat!« setzte er schalkhaft hinzu. »Aber sage doch, Klaudine – war dieser Lothar nicht der ausgesprochene Liebling des Herzogs?« fragte er seine Schwester, die still und ein wenig vorgebeugt am Geländer stand, als horche sie noch auf die längst verhallten Huftritte.
»Er ist es wohl noch«, erwiderte sie mit weggewandtem Gesicht. »Du hörtest ja, daß man ihn an die Residenz zu fesseln sucht.« Ihr Ton klang unsicher und um die nervös zuckenden Lippen irrte ein erzwungenes Lächeln, als sie an dem Bruder vorüber nach der Küche ging, um das Mittagbrot fertig zu machen. Da, inmitten des Wohnzimmers, stand der bereits angerichtete Tisch mit seinen drei Gedecken. Nun ja, das waren altmodische, verbogene Zinnteller, von welchem man aß. Die Großmama hatte bei der Übersiedlung nach ihrem Witwensitz alles Silbergerät zurückgelassen – der große, herrliche Silberschatz sollte nicht zersplittert werden – und nur ihr ererbtes altes Zinn mitgenommen, »gerade recht und passend für eine einsam lebende Witwe und ihre letzten paar Erdentage«, hatte sie gemeint. – Die Bestecke neben den Zinntellern hatten schwarze, abgenutzte Holzstiele, und zur Schonung des Tischtuches lag eine Wachstuchdecke inmitten des Tisches – alles schlicht bürgerlich und ängstlich sparsam, wenn auch von blinkender Sauberkeit.
Das hatte er im Vorübergehen gesehen, und es war gut so. Da konnte von keiner Komödie die Rede sein, der ganze Zuschnitt des Hauswesens bewies ein zielbewußtes »Sicheinleben« in die gegebenen Verhältnisse. Er mußte nun wissen, daß sie es ernst gemeint mit ihrer Flucht.
7
Das herzogliche Haus besaß verschiedene Schlösser innerhalb des Landes, schöne, altertümliche Schlösser mit herrlichen Gärten und großartigen Parkanlagen, aber sie lagen meist in der Nähe von Städten oder auf dem flachen Lande, wo die Parkwege auf weite Ackerflächen mündeten und der Wald so fern begann, daß er nur wie ein dunkler Pinselstrich den Horizont säumte. Die Vorfahren hatten die sonnige Ebene geliebt und wenn die meisten auch leidenschaftliche Jäger gewesen und um der Pirsch willen oft wochenlang in den Forsten verblieben waren, so hatten doch einige da und dort verstreute, anspruchslose kleine Jagdhäuser für Nachtquartier und ein einfach zubereitetes warmes Essen genügt.
Da war nun freilich der Altensteiner Geroldshof mit seiner Waldnähe und kräftigen Bergluft eine kostbare Erwerbung des Herzogs, der man im Lande allgemein zustimmte. Für die drei jungen, zarten Prinzen, die Söhnchen des Regierenden, und die äußerst schwache Gesundheit seiner Gemahlin war ein solch stärkender Aufenthalt im heißen Sommer nur zu wünschen, und deshalb begriff man auch vollkommen den Feuerreifer, mit welchem der Geroldshof zur Aufnahme seiner fürstlichen Bewohner hergerichtet wurde. Die junge Herzogin selbst trieb mit leidenschaftlicher Heftigkeit zur Eile. Kein Bad, kein Klimawechsel hatten ihre sinkende Kraft neu zu beleben vermocht, nun erhoffte sie alles von dem Aufenthalt im Walde. Deshalb wurden auch auf Befehl des Herzogs sämtliche Baulichkeiten nur äußerlich aufgefrischt, kein Mauerstein durfte verrückt, keine Gartenanlage verändert werden, und als man Seiner Hoheit einen Entwurf zu einem stilvollen Brunnenbecken an Stelle des zwar schön gearbeiteten, aber doch zu »dorfmäßigen« Steintroges im Hofe vorgelegt, da hatte er ihn stirnrunzelnd verworfen und befohlen, daß der Brunnen bleibe wie er sei. Geradezu erzürnt aber war er gewesen, als er erfahren hatte, daß man das Goldregen- und Syringengesträuch in den Hofwinkeln mit Stumpf und Stiel ausgerissen habe, um für die verdüsterten Zimmer der Hofdamen Licht zu schaffen, und scheele Gesichter gab es unter den Hofbediensteten auch, als der Herzog den alten Friedrich Kern, der zuletzt Kutscher, Gärtner und Diener in einer Person bei dem letzten Altensteiner Herrn gewesen war, zum Kastellan auf dem Geroldshofe ernannte. Seine Hoheit meinte mit Recht, daß solch