Ingénue. Александр Дюма

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Ingénue - Александр Дюма

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bedeutete: »Noch nichts für diesmal.«

       III

      Die Neuigkeitsliebhaber

      Métra, den Rivarol genannt hatte, und der, wie gesagt, mit Champcenetz plauderte, hatte sich zu einem der wichtigsten Menschen dieser Zeit gemacht.

      Geschah dies durch seinen Geist? Nein; sein Geist war mittelmäßig. Durch seine Geburt? Nein; er gehörte dem Bürgerthum an. Durch die übermäßige Länge seiner Nase? Nein, auch nicht.

      Es geschah durch seine Neuigkeiten.

      Métra war der vorzugsweise Mann der Neuigkeiten: unter dem Titel Corresponcdance secréte ließ er – errathen Sie, wo? . . . in Neustadt am Ufer des Rheins, – ein Journal alle Pariser Neuigkeiten enthaltend erscheinen.

      Wer wußte das wahre Geschlecht des Chevalier oder der Chevaliére d'Eon, dieses Menschen, dem die Regierung den Befehl gegeben, sich an Weiberkleider zu halten, und der das Kreuz des St. Ludwigs-Ordens an seinem Halstuche trug?

      Métra.

      Wer erzählte in ihren kleinsten Einzelheiten, und als ob er denselben beigewohnt hätte, die fantastischen Soupers des berühmten Grimod de la Reyniére, welcher einen Augenblick die Casserole mit der Feder vertauschend so eben die Parodie des Songe d'Athalie geschrieben hatte?

      Métra.

      Wer durchschaute das Räthsel der Excentricitäten des Marquis von Brunoy, des excentrischsten Menschen jener Zeit?

      Métra.

      Die Römer, wenn sie sich auf dem Forum begegneten, fragten einander drei Jahrhunderte hindurch: Quid novi fert Africa? (Was bringt Africa Neues?) Die Franzosen fragten sich drei Jahre lang: »Was sagt Métra?«

      Es gibt gewisse Perioden im Leben der Nationen, während welcher eine seltsame Unruhe sich eines ganzen Volkes bemächtigt: das ist so, wenn dieses Volk allmälig unter seinen Füßen den Boden weichen fühlt, auf dem in den abgelaufenen Jahrhunderten ruhig seine Voreltern gegangen sind; es glaubt an eine Zukunft, denn wer lebt, hofft; doch außer dem, daß es nichts in dieser Zukunft unterscheidet, so düster ist sie, fühlt es noch, daß ein dunkler, tiefer, unbekannter Abgrund zwischen der Zukunft und ihm ist.

      Dann wirft es sich in die unmöglichen Theorien; dann liegt es der Aufsuchung unfindbarer Dinge ob; dann sucht es, wie jene Kranken, die sich so verzweifelt fühlen, daß sie die Aerzte fortjagen und die Quacksalber rufen, die Heilung nicht in der Wissenschaft, sondern im Empirismus, nicht in der Wirklichkeit, sondern im Traume. Denn um dieses ungeheure Chaos zu bevölkern, wo der Schwindel herrscht, wo das Licht fehlt, – nicht, weil es nicht geboren worden, sondern weil es stirbt, – erscheinen die Männer der Mysterien, wie Swedenborg, der Graf von Saint-Germain, Cagliostro; Jeder bringt seine Entdeckung, eine unerhörte, unerwartete, fast übernatürliche Entdeckung: Franklin die Elektricität; Montgolfier die Luftschifffahrt; Mesmer den Magnetismus. Dann begreift die Welt, so blind und so schwankend sie ist, daß sie einen Schritt gegen die himmlischen Mysterien gemacht hat, und das hochmüthige Menschengeschlecht hofft eine Stufe der Leiter, welche zu Gott führt, erstiegen zu haben!

      Wehe dem Volke, das diese Zerrungen fühlt, denn diese Zerrungen sind die ersten Schauer des Revolutionsfiebers! es naht für dasselbe die Stunde der Umgestaltung; ohne Zweifel wird es aus dem Kampfe glorreich und auferstanden hervorgehen, doch es wird während einer Todesnoth, wo es Blut geschwitzt, sein Leiden, seine Schädelstätte und sein Kreuz gehabt haben.

      Dies war der Zustand der Geister in Frankreich in der Zeit, zu der wir gekommen sind.

      Jenen Vögeln ähnlich, welche in großen Flügen fortbrausen, welche in den Lüften wirbeln und bis in die Wolken aufsteigen, von wo sie sich ganz schauernd niedersenken, – denn sie haben den Wetterstrahl um Kunde gefragt, und der Blitz hat ihnen geantwortet, – jenen Vögeln ähnlich, sagen wir, liefen große Volkssturmwinde verwirrt hin, ließen sich auf die Plätze nieder; dann, nachdem sie gefragt: »Was gibt es?« nahmen sie wieder ihren wahnsinnigen Flug durch die Straßen und über die Kreuzwege.

      Man begreift also, welchen Einfluß auf die Menge die Leute gewannen, die auf ihre ungeheure Frage dadurch antworteten, daß sie ihr Neuigkeiten gaben.

      Darum war Métra der Mann der Neuigkeiten am 24. August 1788 noch mehr umgeben, als an den andern Tagen.

      Man fühlte in der That seit einiger Zeit, wie die Regierungsmaschine dergestalt gespannt war, daß etwas darin brechen mußte.

      Was? Das Ministerium wahrscheinlich.

      Das zu dieser Stunde functionirende Ministerium war äußerst unpopulär.

      Es war das von Herrn von Loménie von Brienne, welches auf das von Herrn von Calonne gefolgt war; dieses, das die Versammlung der Notabeln getödtet hatte, war selbst auf das Ministerium von Herrn Necker gefolgt.

      Aber, mochte nun Métra an diesem Tage keine Neuigkeiten haben, oder mochte Métra haben und sie nicht sagen wollen, – statt daß Métra zu seiner Umgebung sprach, sprach seine Umgebung zu ihm.

      »Herr Métra,« fragte eine junge Frau, die ein Kleid à 1a lévite anhatte, auf dem Kopfe einen mit vielen Blumen verzierten Hut trug, und in der Hand einen langen Stocksonnenschirm hielt, »ist es wahr, daß die Königin bei ihrer letzten Arbeit mit Leonard, ihrem Friseur, und Mademoiselle Bertin, ihrer Putzmacherin, nicht nur die Zurückberufung von Herrn Necker angekündigt, sondern es auch übernommen hat, ihm diese Zurückberufung kund zu thun.«

      »Eh!« machte Métra mit einem Tone, der besagen wollte: »Das ist möglich!«

      »Herr Métra,« fragte ein äußerst zierlich frisirter Elegant, der einen olivenfarbigen Rock und eine mit Kattunstreifen eingefaßte Weste trug, »glauben Sie, daß sich Monseigneur der Graf von Artois, wie man sagt, gegen Herrn von Brienne ausgesprochen und dem König gestern entschieden erklärt hat, wenn der Erzbischof nicht in drei Tagen seine Entlassung als Minister nehme, so sei er so sehr auf das Heil Seiner Herrlichkeit bedacht, daß er sie selbst von ihm verlangen werde?«

      »Eh! eh!« machte Métra mit einem Tone, der besagen wollte: »Ich habe dergleichen erzählen hören!«

      »Herr Métra,« fragte ein Mann aus dem Volke mit bleichem Gesichte und abgemagertem Leibe, der eine abgeschabte Hose und ein schmutziges Wamms trug, »ist es wahr, daß man Herrn Sieyés gefragt hat, was der dritte Stand sei, und daß Herr Sieyés geantwortet: »»Nichts für die Gegenwart und Alles für die Zukunft!««

      »Eh! eh! eh!« machte Métra mit einem Tone, der besagen wollte: »Ich weiß nicht, ob Herr Sieyés dies gesagt hat, wenn er es aber gesagt hat, so könnte er wohl die Wahrheit gesagt haben!«

      Und Alle riefen im Chore:

      »Herr Métra, Neuigkeiten! Neuigkeiten, Herr Métra!«

      »Neuigkeiten, Bürger,« sprach unter der Menge eine kreischende Stimme, »wollt Ihr? ich bringe Euch.«

      Diese Stimme hatte einen so sonderbaren Ausdruck, einen so seltsamen Ton, daß Jeder sich umwandte und mit den Augen denjenigen, welcher gesprochen, suchte.

      Es war ein Mann von sechsundvierzig bis achtundvierzig Jahren, nicht fünf Fuß hoch, mit krummen Beinen, in grauen, schräge blau gestreiften Strümpfen und klaffenden Schuhen, an denen eine zerzauste Schnur die Bänder ersetzte; auf dem Kopfe einen Hut à la Andromane, das heißt mit niedrigem Obertheile und aufgestülpter Krämpe; sein Leib war eingeschlossen in einen kastanienbraunen, überall abgeschabten,

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