Ingénue. Александр Дюма
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Was sein Gesicht betrifft, – verweilen wir einen Augenblick bei demselben, denn es verdient eine besondere Erwähnung.
Sein mageres, knochiges, breites und ein wenig von der verticalen Linie in Beziehung auf den Mund abweichendes Gesicht war gefleckt wie das Fell des Leoparden; nur was es fleckte, war hier das Blut, dort die Galle; seine hervorstehenden Augen, voll Frechheit und Herausforderung, blinzelten wie die des Nachtvogels, der plötzlich ins Tageslicht versetzt wird; sein, wie der des Wolfes und der Schlange, breit geschlitzter Mund hatte die gewöhnliche Falte der Aufregung und der Verachtung.
Dieser ganze Kopf, bekränzt mit fetten, langen, hinter dem Genicke mit einem ledernen Riemen umbundenen Haaren, durch welche alle Augenblicke, als wollte sie das Gehirn, das sie bedeckten, zusammendrücken, eine plumpe, schmutzige Hand mit geschwärzten Nägeln strich, schien ein auf die Oeffnung eines Vulcans gesetzte Maske zu sein.
Von oben und wohlbeleuchtet gesehen, fehlte es diesem, wie der von Alexander, auf die linke Schulter geneigten Kopfe nicht an Ausdruck; dieser Ausdruck enthüllte zugleich die Halsstarrigkeit, den Zorn und die Stärke; was besonders daran in Erstaunen setzte, das war die Unordnung, die Divergenz, ich möchte fast sagen, der Umsturz seiner Züge; jeder schien nach seiner Seite durch einen besonderen Gedanken gezerrt zu werden, – durch einen fieberhaften Gedanken, der ihn schauern machte, ohne daß dieser, gleichsam individuelle, Schauer sich dem übrigen Gesichte mittheilte; das war endlich das lebendige Schild, der belebte Prospectus aller der unseligen Leidenschaften, welche, gewöhnlich von der Rechten des Herrn auf die Menge ausgestreut, die Gott blendet, damit sie zerstöre, sich diesmal außerordentlicher Weise in einem einzigen Menschen, in einem einzigen Herzen, auf einem einzigen Gesichte concentrirt hatten.
Beim Anblicke dieses seltsamen Menschen fühlte Alles, was von Männern von guten Manieren und von eleganten Frauen in der Menge war, unter seiner Haut etwas wie einen Schauer hinlaufen; das Gefühl, das Jeden ergriff, war doppelt: es bestand zugleich aus dem Widerwillen, der entfernt, und aus der Neugierde, welche anzieht.
Dieser Mensch versprach Neuigkeiten; hätte er etwas ganz Anderes angeboten, so würden drei Viertel von denjenigen, welche da waren, entflohen sein, doch die Neuigkeiten waren eine so kostbare Waare zu jener Zeit, daß Jedermann blieb.
Nur wartete man; Niemand wagte es, zu fragen.
»Ihr verlangt Neuigkeiten?« sagte der außerordentliche Mann; »Ihr sollt haben, und zwar die allerfrischesten! Herr von Loménie hat seine Entlassung verkauft.«
»Wie, verkauft?« riefen fünf bis sechs Stimmen.
»Gewiß, er hat sie verkauft, da man sie ihm bezahlt hat, und sogar sehr theuer! doch so ist es in diesem schönen Königreiche Frankreich: man bezahlt die Minister, um einzutreten, man bezahlt sie, um zu bleiben, man bezahlt sie, um zu gehen; und wer bezahlt sie? der König! wer bezahlt aber den König? Ihr! ich! wir! .. Herr von Loménie von Brienne hat also seine Rechnung gemacht und die seiner Familie: er wird Cardinal sein, das ist abgethan; er hat auf das rothe Käppchen dieselben Rechte wie sein Vorgänger Dubois. Sein Neffe hat noch nicht das Alter, um Coadjutor zu sein; gleichviel! er wird die Coadjutorie vom Bisthum Sens haben! Seine Nichte, – Ihr begreift, man muß doch etwas für die Nichte thun, da man für den Neffen etwas thut, – wird eine Stelle als Palastdame erhalten; was ihn selbst betrifft, er hat sich während eines einjährigen Ministeriums ein Vermögen von fünf- bis sechsmal hunderttausend Livres Einkünfte auf die Güter der Kirche gemacht; überdies läßt er seinen Bruder als Kriegsminister zurück, nachdem er es dahin gebracht, daß er zum Ritter der Orden des Königs und zum Gouverneur der Provence ernannt worden ist. . . Ihr seht also, daß ich Recht hatte, wenn ich sagte, er nehme nicht seine Entlassung, sondern er verkaufe sie.«
»Und von wem haben Sie diese Details?« sagte Métra, der sich so weit vergaß, daß er fragte, er, den man immer fragte.
»Von wem ich sie habe? Bei Gott! vom Hofe. . . Ich bin vom Hofe!«
Und der seltsame Mensch steckte seine beiden Hände in seine Hosentaschen, spreizte seine krummen Beine, schaukelte sich von hinten nach vorne und von vorne nach hinten und neigte zum Zeichen der Herausforderung seinen Kopf noch mehr auf die linke Schulter.
»Sie sind vom Hofe?« murmelten mehrere Stimmen.
»Das setzt Euch in Erstaunen?« sagte der Unbekannte. »Ei! muß sich nicht, im Widerspiele mit der physischen Ordnung, in unserer moralischen Ordnung die Stärke auf die Schwäche, das Wissen auf die Dummheit stützen? Waren nicht Beaumarchais bei Mesdames; Mably beim Cardinal von Tencin; Champfort beim Prinzen von Condé; Thuliers bei Monsieur; Laclos, Frau von Genlis und Brissot beim Herzog von Orleans? Was fände sich also dabei Erstaunliches, daß ich auch bei Einem von allen diesen großen Herren wäre? obschon ich ein wenig mehr, als alle diejenigen, welche ich so eben genannt habe, werth zu sein behaupte.«
»Die Entlassung des Ministers ist also nach Ihrer Meinung gewiß?«
»Officiell»sage ich Ihnen.«
»Und wer kommt an seine Stelle?« fragten mehrere Stimmen.
»Wer? Bei Gott! der Genfer, wie der König sagt; der Charlatan, wie die Königin sagt; der Banquier, wie die Prinzen sagen, und der Vater des Volks, wie dieses arme Volk sagt, das Jedermann seinen Vater nennt, gerade weil es keinen Vater hat.«
Und das Lächeln eines Verdammten verzerrte den Mund des Redners.
»Sie sind also nicht für Herrn von Necker?« fragte schüchtern eine Stimme.
»Ich? doch, im Gegentheil . . . Pest! ein Land wie Frankreich braucht Männer wie Herrn Necker! Welchen Triumph bereitet man ihm auch! welche Allegorien verspricht man ihm! Ich habe gestern eine gesehen, wo er den Ueberfluß zurückbringt, und wo die bösen Geister bei seinem Anblicke fliehen; man hat mir heute eine andere gezeigt, wo er unter der Form eines aus einer Scheune hervorkommenden Flusses dargestellt ist. Ist sein Portrait nicht überall, an den Straßenecken, auf den Tabaksdosen, auf den Rockknöpfen? spricht man nicht davon, man wolle eine Straße durchbrechen, welche an die Banque gehen und die Rue Necker heißen wird? hat man nicht schon zwölf Münzen ihm zu Ehren geschlagen, fast so viel als für den Großpensionär de Witt, der gehenkt worden ist! – Ob ich für Herrn Necker bin? ich glaube wohl! Es lebe der König! es lebe das Parlament! es lebe Herr Necker!«
»Sie behaupten also, Herr Necker sei zum Minister an der Stelle von Herrn von Brienne ernannt worden?« sagte mitten unter der Menge eine Stimme, deren Frage wie eine Drohung klang, und die Aller Augen auf denjenigen, welcher gesprochen, zog.
Bemerken wir sogleich, daß der zweite Mann, der seinen Theil an der öffentlichen Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen zu wollen schien, derselben nicht minder würdig war, als der, welchem er sich gegenüber stellte.
Ganz das Gegentheil vom Ersten, der sein Widersacher werden sollte, wenn er nicht sein Freund wurde, war der Zweite, mit einer Art von Sorgfalt gekleidet und besonders merkwürdig durch die Feinheit und die Weiße seiner Wäsche, ein fünf Fuß acht Zoll hoher Coloß, jedoch mit vollkommenem Ebenmaße in allen Theilen seiner herculischen Gestalt. Man hätte glauben können, es sei eine Statue der Stärke, welche vollkommen gelungen, mit Ausnahme der Stelle des Gesichtes, wo die Form dem Erze entgangen zu sein schien: in der That sein ganzes Gesicht, – ein ungestaltetes Gesicht, – war nicht gezeichnet, nicht ausgehöhlt, sondern durchwühlt von den Pocken. Es schien, als wäre ihm ein mit geschmolzenem Blei gefülltes Instrument vor dem Gesichte zersprungen, als hätte ihm eine Chimäre mit dem Feuerathem ins Antlitz geblasen; es war für diejenigen, welche ihn anschauten und es versuchten, das Facies eines Menschen mit seinen gleichsam angelegten Zügen wiederaufzubauen, eine peinliche