Ingénue. Александр Дюма
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In dieses letzte, mit den Portraits von Madame Ricordin und Herrn Charpentier Vater geschmückte, Zimmer wurde Marat eingeführt. Die zwei Portraits waren vollkommene Typen des Bürgerthums von damals und hoben nur um so mehr ein Bild von Danton in Lebensgröße, stehend und mit ausgestreckter Hand dargestellt, hervor; dieses Bild war, wenn man es von zu nahe betrachtete, nur eine Skizze, an der man nichts unterscheiden konnte; wich man aber ein paar Schritte zurück, studirte man es aus der Entfernung, so entwirrte sich diese ganze Impastirung, und man sah eine Anlage erscheinen, – allerdings eine Anlage, doch eine lebendige, voll Feuer und Genie. Diese Anlage war in ein paar Stunden unter dem Pinsel eines jungen Freundes von Danton, den man Jacques Louis David nannte, entstanden.
Die übrige Wohnung war äußerst einfach; nur aus einigen Einzelheiten, wie Vasen, Leuchter, Pendeluhren, errieth man ein dumpfes Verlangen nach Luxus, ein sinnliches Bedürfniß, Gold zu sehen.
In dem Augenblicke, wo Danton klingelte, erkannte man seine Art zu klingeln, und Alles lief nach der Thüre, die junge Frau, das Kind, der Hund; als aber die Thüre sich öffnete, als man hinter dem Herrn des Hauses den fremden Gast sah, den er brachte, da wich die Frau einen Schritt zurück, weinte das Kind, bellte der Hund.
Das Gesicht von Marat zog sich leicht zusammen.
»Verzeihen Sie, mein lieber Gast,« sagte Danton, »Sie sind noch fremd hier, und . . .«
»Und ich bringe meine Wirkung hervor,« versetzte Marat. »Es ist unnöthig, daß Sie sich entschuldigen, ich kenne das!«
»Meine gute Gabriele,« sprach Danton, indem er seine Frau küßte wie ein Mensch, der sich Verzeihung für etwas zu verschaffen hat, »ich habe diesen Herrn im Palais-Royal getroffen: es ist ein ausgezeichneter Arzt; er ist mehr als dies, er ist Philosoph, und er hatte die Güte, meine Einladung, bei uns zu Mittag zu speisen, anzunehmen.«
»Von Dir gebracht, mein lieber Georges, ist der Herr sicher des Empfanges, den man ihm bereiten wird, nur war das Kind nicht in Kenntniß gesetzt, und der Hund . . .«
»Ist ein guter Wächter, wie ich sehe,« sprach Marat; »überdies habe ich Eines bemerkt,« fügte er mit einer bewunderungswürdigen Rücksichtslosigkeit bei, »die Hunde sind sehr aristokratisch ihrer Natur nach.«
»Ist einer von unseren Tischgenossen angekommen?« fragte Danton.
»Nein . . . nur der Koch.«
Madame Danton sprach diese Worte lächelnd aus.
»Hast Du ihm Deine Unterstützung angeboten? – denn, meine gute Gabriele, Du bist auch eine vortreffliche Köchin!«
»Ja, doch zu meiner Schande habe ich mich zurückgewiesen gesehen.«
»Bah! . . . Du hast Dich also darauf beschränkt, daß Du den Tisch zugerichtet?«
»Nicht einmal dies.«
»Wie, nicht einmal dies?«
»Nein; zwei Diener haben Alles gebracht! Tischzeug, Silbergeschirr, Candelaber.«
»Glaubt er denn, wir haben das nicht?« versetzte Danton, indem er sich aufrichtete und die Stirne faltete.
»Er hat gesagt, das sei eine unter Euch verabredete Sache, und er sei nur unter diesen Bedingungen gekommen, um zu kochen.«
»Gut! lassen wir ihn in Ruhe: das ist ein Original . . . Höre, mein Kind, man klingelt: sieh, wer kommt.«
Dann sich gegen Marat umwendend:
»Vernehmen Sie die Liste unserer Tischgenossen, mein Gast: vor Allem ein College von Ihnen, der Herr Doctor Guillotin; Talma und Maria Joseph von Chénier, zwei Unzertrennliche; Camille Desmoulins, ein Kind, ein Straßenjunge, doch ein Straßenjunge von Genie; – und wer noch? . . . Sie, meine Frau und ich, das sind Alle . . . Ah! ich vergaß David. Ich hatte meinen Schwiegervater eingeladen, doch er findet, wir seien zu hohe Gesellschaft für ihn; das ist ein guter, vortrefflicher Mann der Provinz, der sich in Paris ganz fremd fühlt und mit gewaltigem Geschrei nach seinem Arcis-sur-Aube zurückverlangt . . . Nun, tritt doch ein, Camille, komm herein!«
Diese letzten Worte waren an einen Mann von mittlerem Wuchse gerichtet, der, obwohl sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Jahre alt, kaum zwanzig zu zählen schien. Es war offenbar ein Vertrauter des Hauses; denn eben so gut von Jedermann aufgenommen, als man Marat schlecht aufgenommen hatte, war er im Vorzimmer stehen geblieben, um Madame Danton die Hand zu drücken, das Kind zu küssen und den Hund zu streicheln.
Auf die Einladung von Danton trat er ein.
»Woher kommst Du denn?« fragte Danton; »Du siehst ganz zerzaust aus.«
»Ich? nicht im Geringsten!« erwiederte Camille, während er seinen Hut auf einen Stuhl warf; »doch stelle Dir vor . . . Ah! verzeihen Sie, mein Herr. . .«
Er hatte nun erst Marat wahrgenommen, und er grüßte ihn; Marat erwiederte seinen Gruß.
»Stelle Dir vor,« fuhr Camille fort, »ich komme vom Palais-Royal.«
»Wir auch,« versetzte Danton, »wir kommen auch von dort.«
»Ich weiß es wohl; ich habe Dich gesucht und war sehr erstaunt, Dich nicht unter den Linden zu finden, da ich Dir dort Rendez-vous gegeben.«
»Du hast die Neuigkeit erfahren?«
»Ja, die Entlassung von dieser Canaille Brienne, die Rückkehr von Herrn Necker! Es ist vortrefflich, Alles dies . . . Doch ich kam aus einem anderen Grunde ins Palais-Royal.«
»Und warum kamst Du?«
»Ich glaubte dort Jemand zu finden, der geneigt wäre, Streit mit mir zu suchen, und da ich geneigt war, ihn anzunehmen . . .«
»Bah! auf wen hattest Du es denn abgesehen?«
»Auf diese Viper Rivarol und auf die Natter Champcenetz . . .«
»Aus welchem Anlaß?«
»Weil diese Schufte mich in ihren Kleinen Almanach unserer großen Männer gesetzt hatten.«
»Und was macht das Dir?« sagte Danton, die Achseln zuckend.
»Das macht mir, das macht mir . . . Man soll mich nicht zwischen Herrn Desenarts und Herrn Derome genannt Eugene classificiren, zwischen einen Menschen, der den Befreienden Amor, ein abscheuliches Theaterstück, gemacht, und einen Menschen, der gar nichts gemacht hat.«
»Und was hast Du gemacht, daß Du so häkelig bist?« fragte lachend Danton.
»Ich?«
»Ja, Du.«
»Ich habe nichts gemacht, aber ich werde machen, dafür stehe ich Dir. Uebrigens irre ich mich: doch, bei Gott! ich habe einen Viervers gemacht,