Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма страница 110
Nur von Zeit zu Zeit befragte sie mit einem Wort den Doctor. Doch selbst unvermögend, die Rückkehr des Lebens zu beschleunigen, konnte Gilbert die Prinzessin nur durch allgemeine Versicherungen beruhigen.
Der Schlag, der dem ganzen Nervensysteme der armen Frau beigebracht worden, war in der That so heftig, daß die Anwendung von Riechsalz unter der Nase und das Einreiben von Essig an den Schläfen nicht genügten; endlich zeigten jedoch leichte Zuckungen an den Extremitäten die Rückkehr des Empfindungsvermögens an. Die Königin bewegte matt den Kopf von rechts nach links, wie man es in einem peinlichen Traume thut, gab einen Seufzer von sich und öffnete die Augen.
Doch es war bei ihr offenbar das Leben vor der Vernunft erwacht; sie schaute auch einige Secunden lang im Zimmer umher mit dem unbestimmten Blicke, der eine Person bezeichnet, welche nicht weiß, wo sie sich befindet, noch was ihr widerfahren ist; bald aber durchlief ein leichtes Zittern ihren ganzen Körper, sie stieß einen schwachen Schrei aus und drückte ihre Hand auf ihre Augen, als wollte sie ihnen den Anblick eines erschrecklichen Gegenstandes entziehen.
Sie erinnerte sich.
Die Krise war indessen vorüber. Gilbert, der sich nicht verbarg, der Unfall habe eine ganze moralische Ursache, der auch wußte, wie gering die Wirksamkeit der Arzneiwissenschaft bei solchen Phänomenen ist, schickte sich an, wegzugehen; doch beim ersten Schritte, den er rückwärts machte, streckte die Königin, als hätte sie seine Absicht durch einen inneren Blick errathen, die Hand gegen ihn aus, ergriff ihn beim Arme und sagte mit einer Stimme, welche so nervös als die Geberde, die sie begleitete:
»Bleiben Sie!«
Gilbert blieb ganz erstaunt stehen. Es war ihm nicht unbekannt, wie wenig Sympathie die Königin für ihn hegte; andererseits jedoch hatte er den seltsamen und beinahe magnetischen Einfluß bemerkt, den er auf sie übte.
»Ich bin zu den Befehlen der Königin,« erwiederte er; »aber ich glaube, daß es gut wäre, die Besorgnisse des Königs und der im Salon zurückgebliebenen Personen zu beschwichtigen, und wenn Eure Majestät es erlaubt . . .«
»Therese,« sagte die Königin zur Prinzessin von Lamballe, »melde dem König, daß ich wieder zu mir gekommen bin, und wache darüber, daß man mich nicht stört: ich habe mit dem Doctor zu sprechen.«
Die Prinzessin gehorchte mit jener passiven Sanftheit, welche der vorherrschende Zug ihres Charakters und sogar ihrer Physiognomie war.
Auf ihren Ellenbogen gestützt, folgte die Königin der Prinzessin mit den Augen; sie wartete, als wollte sie ihr Zeit lassen, sich ihres Auftrags zu entledigen, und als sie sah, daß dieser Auftrag wirklich vollzogen war, und daß sie durch die Wachsamkeit von Frau von Lamballe die Freiheit haben sollte, nach Belieben mit dem Doctor zu reden, wandte sie sich aus seine Seite um, heftete ihren Blick auf den seinigen und sagte zu ihm:
»Doctor, sind Sie nicht erstaunt über den Zufall, der Sie mir immer in den physischen und moralischen Krisen meines Lebens gegenüberstellt?«
»Ach! Madame,« erwiederte Gilbert, »ich weiß nicht, ob ich diesem Zufall danken, oder mich über ihn beklagen soll.«
»Warum, mein Herr?«
»Weil ich tief genug im Herzen lese, um wahrzunehmen, daß ich weder Ihrem Wunsche, noch Ihrem Willen diese ehrenvolle Berührung zu verdanken habe.«
»Ich sagte auch: Zufall . . .Sie wissen, daß ich offenherzig bin. Und Sie haben mir gleichwohl bei den letzten Umständen, die uns im Einklange zu handeln veranlaßten, eine wahre Ergebenheit gezeigt; ich werde das nicht vergessen und danke Ihnen dafür.«
Gilbert verbeugte sich.
Die Königin folgte der Bewegung seines Leibes und seines Gesichtes.
»Ich bin auch Physiognomin,« sagte sie; »wissen Sie, was Sie mir so eben, ohne eine Silbe zu sprechen, geantwortet haben?«
»Madame« erwiederte Gilbert, »ich wäre in Verzweiflung, sollte mein Stillschweigen weniger ehrerbietig sein, als meine Worte!«
»Sie antworteten mir: »»Es ist gut, Sie haben mir gedankt, das ist eine abgemachte Sache; gehen wir zu etwas Anderem über!««
»Ich hegte wenigstens den Wunsch, Ihre Majestät möchte meine Ergebenheit auf eine Probe stellen, welche dieser erlaubte, sich aus eine wirksamere Art, als sie es bis jetzt gethan, zu offenbaren; davon mochte eine gewisse verlangende Ungeduld herrühren, welche die Königin in der That vielleicht in meinem Gesichte wahrgenommen hat.«
»Herr Gilbert,« sprich die Königin, den Doctor fest anschauend, »Sie sind in der That ein Mann von hohem Werthe, und ich thue Ihnen Abbitte; ich hatte Vorurtheile gegen Sie, diese Vorurtheile bestehen nicht mehr.«
»Erlaubt mir Eure Majestät, ihr aus tiefstem Herzen zu danken, nicht für das Compliment, das sie mir gemacht, sondern für die Versicherung, die sie mir zu geben die Gnade gehabt?«
»Doctor,« sprach die Königin, als verkette sich das, was sie sagen wollte, auf eine ganz natürliche Weise mit dem, was sie gesagt hatte, »was denken Sie von dem, was so eben vorgefallen ist?«
»Madame, ich bin ein positiver Mann, ein Mann der Wissenschaft; haben Sie die Güte, mich bestimmter zu fragen.«
»Ich frage Sie, mein Herr, ob Sie glauben, die Ohnmacht, aus der ich erwache, sei durch eine von jenen Nervenkrisen verursacht worden, denen die armen Weiber durch die Schwäche ihrer Organisation unterworfen sind, oder ob Sie vermuthen, dieser Unfall habe eine ernstere Ursache?«
»Ich antworte Eurer Majestät, daß die Tochter von Maria Theresia, die Frau, die ich so muthig in der Nacht vom fünften auf den sechsten October gesehen, keine gewöhnliche Frau ist, und folglich nicht von einem der Zufälle, welche Macht über die gewöhnlichen Frauen haben, erschüttert werden konnte.«
»Sie haben Recht, Doctor; glauben Sie an Ahnungen?«
»Die Wissenschaft verwirft alle diese Phänomene, welche den materiellen Lauf der Dinge über den Haufen werfen würden, und dennoch strafen die Thatsachen zuweilen die Wissenschaft Lügen.«
»Ich hätte sagen sollen: Glauben Sie an Prophezeiungen?«
»Ich glaube, daß die höchste Güte, für unser eigenes Glück, unsere Zukunft mit einem undurchdringlichen Schleier bedeckt. Einige Personen, welche von der Natur einen großen mathematischen Scharfsinn erhalten haben, können durch das tiefe Studium der Vergangenheit dazu gelangen, daß sie eine Ecke von diesem Schleier lüften und, wie durch einen Nebel, die zukünftigen Dinge erschauen; doch diese Ausnahmen sind selten, und seitdem die Religion das Verhängniß ausgehoben, seitdem die Philosophie dem Glauben Grenzen gesetzt hat, haben die Propheten drei Viertel von ihrem Zauber verloren. Und gleichwohl . . .« fügte Gilbert bei.
»Und gleichwohl?« versetzte die Königin, als sie sah, daß Gilbert nachdenkend inne hielt.
»Und gleichwohl, Madame,« fuhr er fort, als machte er eine Anstrengung gegen sich selbst, um Fragen zu berühren, welche seine Vernunft aus das Gebiet des Zweifels verbannte, »und gleichwohl gibt es einen Mann . . .«
»Einen Mann?« sagte die Königin, welche mit einem im höchsten Maße gesteigerten Interesse den Worten von Gilbert folgte.
»Es