Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth

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Das Schatzhaus des Königs - Wilhelm Walloth

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Ansicht, es müsse sich ein Splitter aus dem Boden der schiefen Ebene durch das Umdrehen der wuchtigen Masse losgerissen haben. Daraufhin wurde das Werk von neuem eingestellt. Dem Beamten auf den Knien der Statue ward eine scharfe Rüge vom Könige überbracht, Ramses sei äußerst ungehalten über die schlechte Ausführung des Planes. Dem armen Oberbeamten schwindelten die Sinne, Schweiß bedeckte seine Glieder, er versuchte ein letztes Aushilfsmittel. Mit dem Mut der Verzweiflung gab er den Befehl, alle Arbeiter sollten zu gleicher Zeit mit der Anstrengung aller Kräfte das Bild von seinem Platze bewegen, auch, wenn dabei der Boden des schiefen Weges Not litte, es käme jetzt nur darauf an, der Statue über diese eine unglückliche Stelle wegzuhelfen. Das Ziehen begann, aber der steinerne Ramses blieb unbeweglich. Die Vögte suchten die Kraft der Ebräer mittels der Geißel zu erhöhen, alle Muskeln schwellten an, dumpfes Ächzen entrang sich dem Busen Tausender, die Stricke spannten sich an bis zum Zerreißen, Fluchen und Beten ertönte in wunderlichem Gemisch – da – bewegte sich das Bild? Ja, es bewegte sich wohl, das heißt, es erbebte von oben bis unten, darauf erscholl ein dumpfer Krach, der Boden des schiefen Weges war zerrissen.

      »Weiter, rasch weiter,« schrie der Mann auf den Knien des Bildes. Jedoch, als dieser dumpfe Knall ertönt war, hatten die Juden, bis ins Innerste erschreckt, mit den Stricken nachgegeben. Nun erst bemerkten sie das Gefährliche dieses Nachlassens, denn die ungeheuere Masse begann sich langsam nach rückwärts zu bewegen. Bestürzt riß nun jede Faust, um das drohende Hinabrollen aufzuhalten, heftig nach oben; dadurch entstand in der Verwirrung eine solche Ungleichartigkeit des Ziehens, daß die Steinmasse in Schwankung kam und ihr hölzerner Weg knirschte und bebte. Nun aber verloren die Ebräer völlig den Mut, ein betäubendes Toben und Durcheinanderschreien machte jeden Befehl des Oberbeamten unverständlich. Einige ließen vom Ziehen ab, andere zogen, der Oberbeamte faßte sich verzweiflungsvoll an die Stirn – da – ein sinnlähmender Donner, ein einziger, gewaltiger Aufschrei aus tausend Kehlen, und die hölzerne Ebene sank samt ihrem Steinkoloß in sich selbst zusammen. Bis nach Memphis hin hatten sie den Donner vernommen; der Spaziergänger blieb stehen, seinen Nachbar zu fragen, was dies Rollen bedeutete; dem Sänftenträger stockte der Atem, dem Fischer am Ufer des Nil entsank seine Angel, der Brettspieler hielt im Zug inne, als dies Dröhnen in sein Zimmer drang; die Toten in ihren unterirdischen Wohnungen mußten emporfahren aus ihrem tausendjährigen Schlummer, der alte Nil schlug Wellen, gerüttelt von der erschrockenen Erde. Die mit dem Leben Davongekommenen standen zu Bildsäulen erstarrt ratlos da und sahen auf den Ort der Verwüstung. Einige Augenblicke hindurch war die ganze Szene bedeckt von einen. riesig aufwirbelnden Staubvorhang, erst als dieser gesunken, konnte man die Größe des Unglücks ermessen. Die mit rasender Schnelligkeit hinabgeschnellten Stricke hatten Hunderte von Menschen von den Stufen geschleudert; die Walzen und Rollen, umpackt von Ketten, zertrümmerten bei ihrem Sturze, was ihnen in den Weg kam; die schiefe Brücke zerquetschte alles Lebende, das sich über oder unter ihr befand; die ganze Pyramide glich einem Berg von Trümmern, zerschmetterten Leibern und Blut. Hilferufe, Todesröcheln, Befehle zerrissen die Luft. Die Unbeschädigten versuchten die Verwundeten unter den Trümmern hervorzuwühlen, was ihnen jedoch selten gelang. Der König schickte sofort einen Boten nach Memphis, Ärzte und Sänften zu holen, denn obgleich die Zerstörung hauptsächlich das verachtete Volk der Ebräer getroffen, fühlte Ramses in diesem Augenblick, als Zeuge des ungeheuren Vorfalls, Mitleid mit dem Leben seiner Arbeiter, die von seinem eigenen Bild getroffen sich blutend im Staube oder auf der Treppe wälzten. –

      Isaak hatte sogleich, nachdem der Donner des stürzenden Bildes verhallt war, seinen Vater neben sich vermißt. Mit Gewalt schüttelte er sich die Schauer des Entsetzens, die ihn überrieselten, von den Schultern, sprang die Stufen der Pyramiden hinab und wühlte verzweiflungsvoll, den Namen seines Vaters vor sich hinrufend, in dem Trümmersand und den Leichenmassen, die sich am Fuße des Gebäudes aufgetürmt hatten. Endlich nach langem Suchen gab seinem Weheruf eine schwache Stimme, die unter einem zerbrochenen Rollwerk hervorzukommen schien, Antwort. Mit Anstrengung aller seiner Kräfte gelang es ihm, sich durch die Pfähle, die Splitter, der zerstörten Maschine durchzuarbeiten, denn er gewahrte mit Schrecken, wie mitten in den Speichen der zerschlagenen Räder der Körper seines Vaters hing. Rascher, als er es selbst für möglich gehalten, gelangte er in die Nähe des Bejammernswerten, hob ihn sanft aus dem Gewirr der Trümmer und trug ihn sorgsam ins Freie. Hier angekommen, überzeugte ihn eine Untersuchung des bewegungslosen Körpers, daß zwar das Haupt des Vaters, getroffen von Balkenwerk, blutete, daß sich aber immer noch ein wenn auch mattes Fünkchen von Leben in dem verwundeten Leib regte. Behutsam schlich sich Isaak, den Körper des alten Mannes auf den Schultern, durch die Trümmer; unbeobachtet gelangte er auf den Weg, der nach Memphis führte. Die Aufseher waren zu beschäftigt, um sich um den einzelnen zu bekümmern; diesem Umstand hatte es der junge Ebräer zu verdanken, daß er ohne Anruf oder gar Aufenthalt weiterziehen konnte. Er floh von dannen, so rasch es seine arme Last erlaubte, scheue, angstvolle Blicke hinter sich werfend, ob man ihn nicht etwa verfolgte. Er war entschlossen, sich auf Tod und Leben zu verteidigen, sollte man ihn zum Stillstand zwingen. Es war ihm heilige Pflicht, den Vater in Sicherheit zu bringen. Da aber niemand an Verfolgung dachte, verlangsamte er seine Schritte, um dem Verwundeten, dessen leises Stöhnen ihm durch die kindliche Seele schnitt, keine Schmerzen zu bereiten. Er hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ihm eine von der Oase Amun nach Memphis ziehende Karawane begegnete. Der Anführer der Karawane, ein stämmiger Ägypter, schien mit dem unglücklichen Alten Mitleid zu fühlen.

      »Wohin, wohin?« rief er von seinem Kamel herab den beiden zu.

      Isaak erklärte in kurzen Worten, er trüge einen sterbenden Vater; der Weg nach Memphis werde ihm immer länger, kaum könne er sich noch auf den Beinen erhalten. Der Anführer brachte die Karawane zum Stehen.

      »Der Weg ist nicht mehr weit, tritt näher, Freund,« rief er, »du magst deinen Vater hier auf eines der ledigen Kamele heben. Wir verweigern keinem Sterbenden die letzte Ruhestätte.«

      Isaak schleppte sich heran. Kaum aber ward der Führer des Näherkommenden genauer ansichtig, als er erschrocken Befehl zum Weiterziehen gab.

      »Bleibt nur, wo ihr steht,« rief er zurück, »ihr seid Juden. Dein Vater mag sterben, wo es ihm beliebt, bei uns findet er keinen Ort dazu!« – Und sie trabten weiter.

      Tränen der Wut und Scham perlten über Isaaks Wangen.

      »Armes Volk, armer Vater,« flüsterte er. »Oh! wann kommt die Stunde der Rache, wann werden wir als Menschen behandelt werden?«

      Er schleppte sich mühsam noch einige hundert Schritte weiter, schon sah man die Tempeldächer von Memphis gelbrötlich herüberleuchten, dann aber machte er, um sich, wie dem Alten, die nötigste Erholung zu gönnen, am Rande eines palmenumstandenen Brunnens halt. Das Haupt des Vaters hatte er sorgsam im Schatten auf schwellendes Moos gebettet; jetzt suchte er nach einem frischen Trunk für die zuckenden Lippen des Greises, da gewahrte er ein Tongefäß auf der Steineinfassung der Zisterne. Eben wollte er die Stirne des Vaters mit dem Inhalt des Gefäßes kühlen, als aus dem kleinen Palmenhain, der den Brunnen nach der östlichen Seite hin umgab, schreiend eine ägyptische Dienerin trat.

      »Ein Jude! Willst du mein Gefäß unberührt lassen, du Aussätziger,« zeterte das Weib und riß es dem Jüngling aus den Händen.

      »Hab' Erbarmen mit einem Sterbenden,« wollte der junge Ebräer einwenden, aber das Weib ließ nicht nach zu toben. Sie betrachtete das Gefäß von allen Seiten, wusch es an der Stelle, wo Isaaks Hände es berührt, unter fortwährendem Schmähen. Isaaks Inneres empörte sich.

      »Gönne mir einen Tropfen Wasser, du Unbarmherzige, mein Vater ist dem Sterben nahe, ein Tropfen könnte ihn retten, er und ich sind keine Tiere. Auch wir haben ein Recht, zu leben.«

      »Es wäre am besten,« keifte sie, »man ließ euch alle verdursten, ihr Fremdlinge, die ihr uns den fruchtbarsten Landstrich wegnahmt. Unser nun zu Osiris eingegangener König hat euch verwöhnt; wir aber wollen euch beweisen, daß ihr kein Recht habt, den Nil mit eurem Schmutz zu trüben.«

      »Warum,«

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