Der Mondstein. Уилки Коллинз

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Mondstein - Уилки Коллинз страница 7

Der Mondstein - Уилки Коллинз

Скачать книгу

es je eine gegeben hat, sagte darauf der Hausmutter: »Ich will Rosanna Spearman eine solche Gelegenheit in meinem Dienste geben.«

      Eine Woche darauf trat Rosanna Spearman als zweites Hausmädchen bei uns in Dienst. Kein Mensch erfuhr die Geschichte des Mädchens außer Fräulein Rachel und mir. Mylady, die mir die Ehre erzeigt, mich bei den meisten Dingen zu Rathe zu ziehen, fragte mich auch in Betreff Rosanna’s um meinen Rath. Da ich in letzter Zeit so ziemlich in die Gewohnheit des verstorbenen Sir John verfallen war, immer Mylady’s Meinung zu sein, stimmte ich ihr auch von ganzem Herzen in Betreff Rosanna Spearman’s bei.

      Eine günstigere Gelegenheit, in ihrer Besserung zu beharren, war nie Mädchen geboten. Keiner unter den Domestiken konnte ihr ihr vergangenes Leben vorwerfen, denn Keiner wußte etwas davon. Sie bekam ihren Lohn und wurde gut behandelt wie die Andern, und von Zeit zu Zeit hatte Mylady ein freundliches Wort der Ermunterung für sie. Dafür zeigte sie sich aber auch dieser freundlichen Behandlung durchaus würdig. Obgleich sie gar nicht stark und den erwähnten Ohnmachten unterworfen war, that sie ihre Arbeit, ohne sich zu beklagen, bescheiden und gut. Aber doch wollten sich die andern dienenden Mädchen nicht recht mit ihr befreunden, ausgenommen meine Tochter Penelope, die immer freundlich, wenn auch nicht befreundet mit Rosanna war.

      Ich weiß nicht recht, womit das Mädchen es eigentlich bei den Andern versah. Schön war sie nicht, so daß die Andern etwa hätten neidisch sein können, sie war das häßlichste Mädchen im Hause und noch dazu entstellt durch eine verwachsene Schulter. Was die Andern hauptsächlich gegen sie hatten, war, glaube ich, ihr stilles schweigsames Wesen. In ihren Mußestunden, wo die Andern schwatzten, beschäftigte sie sich mit Lesen oder Handarbeit. Und wenn die Reihe an sie kam, auszugehen, setzte sie in den meisten Fällen schweigend ihren Hut auf und ging ganz allein ihres Weges. Sie stritt sich nie und nahm nie etwas übel, sie hielt sich nur eben so höflich wie hartnäckig in einer gewissen Entfernung von allen Uebrigen. Dazu kam, daß trotz ihrer Häßlichkeit ein gewisses Etwas, weiß nicht, ob in ihrer Stimme oder in ihrem Gesicht, an ihr war, das mehr einer Dame als einem Hausmädchen anzugehören schien. Alles, was ich sagen kann, ist, daß die andern Mädchen von dem Augenblick ihres Eintritts an über dieses gewisse Etwas herfielen und höchst ungerechter Weise behaupteten, Rosanna Spearman gebe sich Airs.

      Nachdem ich nun Rosanna’s Geschichte erzähIt habe, brauche ich nur noch über eine von den vielen Sonderbarkeiten dieses eigenthümlichen Mädchens zu berichten, bevor ich an meine Geschichte des Strandes komme.

      Unser Haus liegt auf einer Anhöhe an der Küste von Yorkshire und ganz in der Nähe der See, wir haben schöne Spaziergänge nach allen Seiten hin mit Ausnahme einer einzigen, in dieser einen Richtung ist aber der Weg wahrhaft schrecklich. Er führt eine viertel Meile lang durch eine trübselige, kümmerliche Tannen-Anpflanzung, dann durch niedrige Klippen zu der einsamsten und häßlichsten Bucht an unserer Küste.

      Die Dünen gehen hier bis ins Wasser hinein und laufen in zwei Felsenzungen aus, die sich einander gegenüberliegend, so weit ins Meer hinein erstrecken, daß man ihr Ende nicht zu verfolgen im Stande ist. Die eine heißt die Nordspitze und die andere die Südspitze. Zwischen beiden liegt der gefährlichste Flugsand an unserer Küste, der sich zu gewissen Jahreszeiten vor- und rückwärts schiebt.

      So oft die Fluth herannaht, begibt sich etwas in der Tiefe der Erde, was die ganze Fläche des Flugsands in ein höchst merkwürdiges Schwanken und Zittern versetzt und diese Eigenthümlichkeit hat der Fläche in unserer Gegend den Namen des »Zitterstrandes« verschafft. An einer großen Sandbank, die eine halbe Meile von der Küste vor der Mündung der Bucht liegt, brechen sich die aus der offenen See herankommenden Wellen. Winter und Sommer, wenn die Fluth über den Flugsand hinweggeht, scheint die See die Wellen hinter sich auf der Sandbank zu lassen und fließt, ruhig und gemächlich steigend, über den Strand hin. Es ist das in Wahrheit ein einsamer und schrecklich verlassener Ort. Kein Boot wagt sich je in diese Bucht. Kein Kind aus unserm Fischerdorf Cobb’s Hole kommt je zum Spielen hierher. Selbst die Vögel in der Luft umkreisen, wie mir scheint, den Zitterstrand, wenn ihr Flug sie in seine Nähe bringt, in weitem Bogen.

      Daß ein junges Mädchen, wenn es die Auswahl unter einem Dutzend hübscher Spaziergänge hat und jederzeit Gesellschaft haben könnte, wenn sie nur sagen wollte: »Kommt mit,« einen solchen Platz, vorzieht und sich da ganz allein mit einem Buch oder einer Handarbeit hinsetzt, wenn sie Erlaubniß zum Ausgehen bekommt, das klingt doch gewiß unglaublich. Und doch ist es wahr, man mag darüber denken wie man will. Dies war Rosanna Spearman’s Lieblingsspaziergang den sie aufsuchte so oft sie ausging, ausgenommen die seltenen Fälle, wo sie nach Cobb’s Hole ging, um die einzige Freundin zu besuchen, die sie in unserer Nachbarschaft hatte und von der wir später noch mehr hören werden. Und nach diesem Zitterstrand machte ich mich jetzt auf den Weg, um das Mädchen zum Essen zu holen, und damit sind wir glücklich wieder bei unserm Ausgangspunkt angekommen und setzen nun unseren Weg nach dem Strande ungestört fort. In der Tannenpflanzung fand ich keine Spur des Mädchens. Als ich aber durch die Sandhügel an die Küste gelangte, stand sie da mit ihrem kleinen Strohhut und ihrem grauen Mantel, den sie immer trug, um ihre verwachsene Gestalt so viel wie möglich zu verbergen, da stand sie ganz allein, auf den Flugsand und das weite Meer blickend.

      Sie schreckte auf, als ich vor sie hintrat, und wandte ihren Kopf von mir weg. Da das Michnichtansehen auch eine Manier ist, die ich als Vorgesetzter der Domestiken principiell nicht dulde, drehte ich ihr Gesicht mir wieder zu und sah, daß sie weinte. Mein seidenes Schnupftuch, eines von sechs Prachtstücken, die mir Mylady zum Geschenk gemacht hatte, steckte in meiner Tasche. Ich zog es heraus und sagte zu Rosanna »Komm mein Kind, setze Dich zu mir auf den Strand. Ich will erst Deine Thränen trocknen und mir dann die Frage erlauben, warum Du geweint hast.«

      In meinem Alter ist das Niedersetzen am Strande ein viel schwereres Stück Arbeit, als junge Leute es sich träumen lassen. Bis ich mit mir in Ordnung war, hatte Rosanna ihre Augen schon selbst mit ihrem eigenen ganz ordinairen Batist-Schnupftuch getrocknet. Sie war ganz ruhig und sah sehr unglücklich aus; aber sie setzte sich zu mir. Wenn man ein Mädchen auf die einfachste Weise trösten will, muß man sie auf den Schoß nehmen. Ich befolgte diese goldene Regel. Aber o weh! Rosanna war nicht wie Nancy, das muß wahr sein.

      »Nun erzähle mir, mein Kind,« sagte ich, »Warum weinst Du?«

      »Ueber die vergangenen Jahre, Herr Betteredge,« antwortete Rosanna ruhig, »mein früheres Leben tritt mir noch bisweilen vor die Seele.«

      »Komm, komm, mein Kind,« erwiderte ich. »Dein vergangenes Leben ist völlig ausgewischt: Warum vergißt Du es nicht?«

      Sie ergriff einen meiner Rockschöße. Ich bin ein nachlässiger alter Mann und eine gute Portion von meinem Essen und Trinken bleibt aus meinen Kleidern sitzen, die bald von einem, bald von dem andern der Mädchen wieder gereinigt werden. Tags zuvor hatte Rosanna einen Fleck auf meinem Rockschoß mit einem ganz neuen und als vorzüglich gerühmten Fleckwasser ausgemacht. Das Fett war zwar fort, aber die Stelle, wo der Fleck gesessen hatte, war doch noch sichtbar. Das Mädchen zeigte auf die Stelle und schüttelte mit dem Kopfe.

      »Der Fleck ist fort, Herr Betteredge,« sagte sie, »aber die Stelle bleibt sichtbar.«

      Eine Bemerkung, die sich auf den eigenen Rock eines Mannes stützt, ist nicht leicht zu widerlegen. Ueberdies war in jenem Augenblick etwas in dem Wesen des Mädchens selbst, das meine besondere Theilnahme erweckte. Sie hatte hübsche braune Augen trotz ihrer sonstigen Häßlichkeit, und sie blickte auf mich mit einem Ausdrucke sehnsüchtiger Ehrfurcht vor meinem glücklichen Alter und meinem guten Ruf, Dinge, die für sie auf immer unerreichbar bleiben würden, und das machte mir das Herz schwer. Da ich mich außer Stande fühlte, sie zu trösten, so gab es nur Eines für mich in diesem Augenblick zu thun, und das war, sie zum Essen zu überreden.

      »Hilf mir auf,« sagte ich, »denn das Essen wartet auf Dich, Rosanna, und ich bin gekommen, um Dich zu holen.«

      »Sie, Herr Betteredge?«

Скачать книгу