Der Mondstein. Уилки Коллинз

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Der Mondstein - Уилки Коллинз

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zehn Fällen eines plötzlichen Schreckens, wie ich ihn eben gehabt hatte, fühlen wir die Wirkung neun Mal zuerst im Magen, und wenn der Magen anfängt, seine Rechte geltend zu machen, so schwindet die Aufmerksamkeit und man wird nervös. Eine solche Nervosität ergriff mich auf meinem Platz im Sande. Herr Franklin, der mich mit den Wirkungen eines angegriffenen Magens oder Gemüths, wie man will – das kommt auf Eins heraus – kämpfen sah, hielt, eben im Begriff, seine Geschichte zu beginnen, inne und sagte: »Was fehlt Ihnen?«

      Was mir fehlte? Ihm gestand ich es nicht, aber dem Leser will ich es im Vertrauen sagen: Mir fehlten ein paar Züge aus meiner Pfeife und ein Blick in meinen Robinson Crusoe.«

      Sechstes Capitel

      Ich behielt also meine geheimen Wünsche für mich und bat Herrn Franklin fortzufahren. Er antwortete:

      »Werden Sie mir nicht nervös, Betteredge,« und erzählte weiter.

      Er fing damit an, mir mitzutheilen, daß seine Entdeckungen in Betreff des berüchtigten Obersten und des Diamanten ihren Anfang bei einem Besuch genommen hätten, den er, bevor er zu uns gereist sei, dem Advokaten seines Vaters in Hampstead gemacht habe; durch ein nach Tische, als Herr Franklin einmal mit dem Advokaten allein war, zufällig gegen denselben ausgesprochenes Wort erfuhr der Letztere, daß Herr Franklin von seinem Vater mit der Uebergabe eines Geburtstagsgeschenkes an Fräulein Rachel beauftragt sei. Ein Wort gab das Andere, bis der Advokat unsern jungen Freund endlich darüber aufklärte, worin das Geschenk eigentlich bestehe und wie das freundschaftliche Verhältnis; zwischen dem verstorbenen Obersten und dem älteren Herrn Blake entstanden sei. Die hierauf bezüglichen Thatsachen sind so außerordentlicher Natur, daß ich mich der Zweifel nicht erwehren kann, ob ich sie gehörig werde berichten können. Ich ziehe es daher vor, Herrn Franklins Entdeckungen so genau wie möglich mit seinen eigenen Worten wiederzugeben.

      »Sie erinnern sich der Zeit, Betteredge,« fing er an, »wo mein Vater es versuchte, seine Ansprüche auf jenes unglückliche Herzogthum zu beweisen. Nun, gerade um dieselbe Zeit kehrte mein Onkel Herncastle von Indien zurück. Mein Vater machte die Entdeckung, daß sein Schwager in Besitz gewisser Papiere sei, die ihm wahrscheinlich in seinem Prozeß von Nutzen würden sein können. Er besuchte den Obersten unter dem Vorwand, ihn bei seiner Rückkehr nach England willkommen zu heißen. Der Oberst ließ sich aber nicht auf diese Weise fangen.

      »Sie wollen etwas von mir,« sagte er ihm gerade ins Gesicht, »sonst hätten Sie niemals Ihren Ruf durch einen Besuch bei mir aufs Spiel gesetzt.«

      Mein Vater» begriff, daß es hier das Gerathenste sei, offenes Spiel zu spielen; er gestand also ohne Weiteres zu, daß er der fraglichen Papiere wegen gekommen sei. Der Oberst erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Dann erfolgte seine Antwort in Gestalt eines höchst merkwürdigen Briefes, den mir mein Freund, der Advokat, zeigte. Der Oberst fing damit an zu sagen, daß er auch seinerseits etwas von meinem Vater wolle, und daß er sich daher erlaube, ihm einen Austausch von Freundschaftsdiensten zu proponiren. Das Kriegsunglück, wie er sich ausdrückte, habe einen der größten Diamanten in der Welt in seinen Besitz gebracht und er habe Ursache, zu besorgen, daß weder er noch sein kostbarer Edelstein in irgend einem Hause, in irgend einem Theile der Welt, wo sie sich mit einander aufhalten möchten, vor Verfolgung sicher sei. Unter so beunruhigenden Umständen habe er beschlossen, den Diamanten einer andern Person zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Diese Person werde dabei keinerlei Gefahr laufen. Sie könne den Edelstein in irgend ein sicheres, wohlbewachtes Gewahrsam bringen, z. B. in das feuerfeste Gewölbe eines Banquiers oder eines Juweliers niederlegen. Die Verantwortlichkeit dieser Person würde eine wesentlich passive sein. Was sie zunächst zu thun habe, sei selbst oder durch einen vertrauenswürdigen Bevollmächtigten unter einer vorher verabredeten Adresse an gewissen vorher verabredeten Tagen des Jahres ein Billet des Obersten in Empfang zu nehmen, das einfach besage, daß der Oberst an dem betreffenden Tage noch am Leben sei.

      In dem Fall, wo ein solcher Tag ohne das Eintreffen des besagten Billets vorüber gehen werde, könne das Schweigen des Obersten als ein sicheres Zeichen der Ermordung desselben betrachtet werden. In diesem Fall und nur in diesem Fall sollten gewisse, auf die Disposition über den Diamanten bezügliche und mit demselben deponirte versiegelte Instructionen geöffnet und genau befolgt werden. Wenn mein Vater sich entschließen sollte, diesen sonderbaren Auftrag zu übernehmen, so ständen ihm dagegen die von ihm gewünschten Papiere zur Verfügung. Das war der Inhalt des Briefes.

      »Und was beschloß Ihr Vater?« fragte ich.

      »Was er beschloß,« erwiderte Franklin, »das will ich Ihnen sagen. Er wandte die unschätzbare Gabe, die man gesunden Menschenverstand nennt, auf den Brief des Obersten an und erklärte die ganze Geschichte für eine Abgeschmacktheit. Der Oberst sei irgendwo während seiner Reisen in Indien auf einen elenden Krystall gestoßen, den er für einen Diamanten genommen habe. Was die von ihm gefürchtete Gefahr einer Ermordung Und die von ihm erdachten Vorsichtsmaßregeln zur Erhaltung seines Lebens und des Krystalls beträfe, so lebten wir ja im neunzehnten Jahrhundert und jeder verständige Mensch werde sich zur Abwendung solcher Gefahren einfach an die Polizei wenden. Der Oberst sei notorisch seit Jahren ein Opiumesser und wenn die einzige Art, werthvolle Papiere von ihm zu erlangen, darin bestehe, daß man die Träume eines Opiumrausches für Wirklichkeit nehme, so, dachte mein Vater, könne er sich um so eher bereit erklären, die ihm zugemuthete lächerliche Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, als damit keinerlei Unbequemlichkeiten für ihn verbunden seien. Der Diamant und die versiegelten Instructionen wanderten demgemäß in das Gewölbe seines Banquiers und die periodischen Zuschriften des Obersten, die ihn für noch lebend erklärten, wurden von dem Advokaten meines Vaters, als seinem Bevollmächtigten, regelmäßig entgegengenommen und geöffnet. Kein verständiger Mensch würde in einer ähnlichen Lage anders haben handeln können. Nichts in dieser Welt, mein lieber Betteredge, erscheint uns wahrscheinlicher, als was in den Kreis unserer trügerischen Erfahrungen tritt, und eine romantische Geschichte finden wir nicht eher glaubwürdig als bis wir sie gedruckt lesen.«

      Aus diesen Worten wurde mir klar, daß Herr Franklin die Vorstellungen seines Vaters über den Obersten für übereilt und verkehrt hielt.

      »Und wie denken Sie selbst über die Sache?« fragte ich.

      »Lassen Sie mich erst die Geschichte des Obersten zu Ende erzählen,« antwortete Herr Franklin »Wir Engländer haben eine merkwürdig unsystematische Art, zu denken und Ihre Frage, mein alter Freund, ist eine Probe davon. Das einzige Feld der Mechanik ausgenommen, sind wir, bildlich zu sprechen, das liederlichste Volk in der Welt.«

      Das kommt, dachte ich bei mir, von der ausländischen Erziehung. Dieses Sticheln auf uns Engländer wird er vermuthlich in Frankreich gelernt haben.

      Herr Franklin nahm den Faden seiner Erzählung wieder auf und fuhr fort:

      »Mein Vater bekam die Papiere, die er wünschte, und sah seinen Schwager von jener Zeit an nicht wieder. Jahr für Jahr kam an den verabredeten Tagen der verabredete Brief des Obersten und wurde von dem Advokaten geöffnet. Ich habe all’ die Briefe bei einander gesehen, alle in derselben kurzen, geschäftsmäßigen Weise geschrieben wie folgt:

Mein Herr, diese Zeilen haben den Zweck, zuconstatiren, daß ich noch am Leben bin. Lassen Sieden Diamant in seinem GewahrsamJohn Herncastle

      »Das war Alles, was die regelmäßig eintreffenden Briefe je enthielten, bis vor etwa sechs bis acht Monaten, wo der Inhalt des Briefes zum ersten Mal anders und zwar so lautete:

Mein Herr!Man sagt mir, daß ich sterben muß. KommenSie zu mir und helfen mir bei der Abfassung meinesTestaments

      »Der Advokat ging hin und fand den Obersten in der, kleinen vorstädtischen, von ihm gehörigen Ländereien umgebenen Villa, in der er einsam gelebt hatte, seit er von Indien zurückgekommen war. Er hielt sich Hunde, Katzen und Vögel zu seiner Gesellschaft,

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