Der Mondstein. Уилки Коллинз

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Der Mondstein - Уилки Коллинз

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dergleichen oft genug in Indien gesehen und halte es, wie Sie, für Hokus-Pokus. Worauf es jetzt einzig und allein für uns ankommt, ist die Frage, ob ich mit Unrecht diesem Vorfalle Bedeutung beilege, oder ob wir wirklich Grund haben, anzunehmen, daß die Indier die Spur des Mondsteins von dem Moment an verfolgen, wo derselbe das sichere Gewahrsam der Bank verlassen hat.«

      Und doch schien uns Beide diese Frage nicht vorzugsweise zu beschäftigen. Wir sahen uns einander an und blickten dann auf die Fluth, wie sie sich sachte höher und höher über den Zitterstrand ergoß.

      »Woran denken Sie?« fragte Herr Franklin plötzlich.

      »Ich dachte,« antwortete ich, »daß ich den Diamanten am liebsten in den Flugsand versenken und so der ganzen Sache ein Ende machen möchte.«

      »Wenn Sie den Werth des Steines aus Ihrer Tasche ersetzen wollen, so sagen Sie es nur, Betteredge, und auf der Stelle versenke ich den Stein.«

      Es ist merkwürdig, wie uns, bei einem aufgeregten Gemüthszustand, der kleinste Schmerz erleichtern kann. Wir fanden damals eine unerschöpfliche Quelle von Späßen in der Ausmalung der schrecklichen Verlegenheiten, in welche Herr Blake als Exekutor gerathen würde, wenn wir das Eigenthum von Fräulein Rachel verschleudern würden, obgleich es mir jetzt völlig unerfindlich ist, worin eigentlich die Veranlassung zu unserm Scherzen lag.

      Herr Franklin brachte unser Gespräch zuerst wieder auf seinen eigentlichen Gegenstand zurück. Er nahm ein Couvert aus seiner Tasche, öffnete dasselbe und gab mir das darin befindliche Papier.

      »Betteredge,« sagte er, »wir müssen um meiner Tante willen der Frage nach den Motiven, die den Obersten bei dem Vermächtniß an seine Nichte geleitet haben, grade in’s Gesicht sehen. Erinnern Sie sich, wie Lady Verinder ihren Bruder von dem Augenblick seiner Rückkehr nach England an bis zu der Zeit behandelt hat, wo er zu Ihnen sagte: er werde des Geburtstages seiner Nichte gedenken. Und dann lesen Sie dies.«

      Das Papier enthielt einen Auszug aus dem Testament des Obersten. Er liegt neben mir, während ich dieses schreibe, und ich will es in Folgendem zum Besten des Lesers abschreiben.

      »Drittens und letztens schenke und vermache ich meiner Nichte Rachel Verinder, Tochter und einzigem Kinde meiner verwittweten Schwester Julia Verinder, für den Fall, daß genannte Julia Verinder an dem ersten meinem Tode folgenden Geburtstage genannter Rachel Verinder am Leben sein sollte, den mir gehörenden, im Orient unter dem Namen »der Mondstein« bekannten gelben Diamanten. Und ich will, daß mein Testament-Executor meinen Diamanten entweder durch seine eigenen Hände oder durch die Hände einer zuverlässigen von ihm dazu beauftragten Person in den Besitz meiner genannten Nichte Rachel an ihrem nächsten Geburtstage nach meinem Tode, und wo möglich in Gegenwart meiner Schwester, der genannten Julia Verinder, gelangen lasse. Und ich will, daß meine genannte Schwester durch eine beglaubigte Abschrift dieser der dritten und letzten Klause! meines Testaments davon in Kenntniß gesetzt werde, daß ich ihr die Schmach, die sie durch ihr Benehmen gegen mich meinem Ruf während meines Lebens angethan hat, aus freiem Willen vergeben habe, und insbesondere als einen Beweis dafür, daß ich, wie es einem Sterbenden wohl ansteht, die mir als einem Officier und Gentleman zugefügte Beleidigung verzeihe, daß ihr Diener auf ihren Befehl mir am Geburtstag ihrer Tochter die Thür ihres Hauses weisen mußte.«

      Weitere Bestimmungen verfügten für den Fall, daß Mylady oder Fräulein Rachel zur Zeit des Ablebens des Testators verstorben sein sollten, daß der Diamant in Gemäßheit der versiegelten und mit demselben deponirten Instructionen nach Holland geschickt werden solle. Der Erlös des Verkaufs sollte in diesem Falle der Summe hinzugefügt werden, welche bereits durch das Testament für die Gründung einer Professur der Chemie an einer Universität des Nordens bestimmt war.

      Ich gab Herrn Franklin das Papier zurück und wußte nicht, was ich sagen sollte. Bis zu jenem Augenblick war ich, wie der Leser weiß, der Ansicht gewesen, daß der Oberst als ein eben so schlechter Mensch gestorben sei, wie er gelebt habe. Nun will ich nicht sagen, daß der abschriftliche Auszug aus dem Testament mir sofort eine andere Meinung beibrachte, ich sage nur, daß er mich betroffen machte.

      »Nun,« fragte Herr Franklin, »was sagen Sie jetzt, nachdem Sie die eigene Aussage des Obersten gelesen haben, was sagen Sie? Diene ich, indem ich den Mondstein in das Haus meiner Tante bringe, seiner Rache als ein blindes Werkzeug, oder diene ich dazu, seinen Charakter als den eines reuigen Christen wieder herzustellen?«

      »Es scheint sehr hart,« antwortete ich, »zu sagen, daß er mit einer schrecklichen Rache im Herzen und einer fürchterlichen Lüge aus den Lippen gestorben sei. Gott allein weiß die Wahrheit! Fragen Sie mich nicht!«

      Herr Franklin saß da und drehte und wendete den Testaments-Auszug in seinen Händen herum, als ob er auf diese Weise die Wahrheit herauspressen könnte. Sein Aussehen änderte sich dabei auffallend, hatte er kurz zuvor noch heiter und frisch ausgesehen, so erschien er jetzt aus fast unerklärliche Weise als ein ernster; feierlicher und nachdenklicher junger Mann.«

      »Diese Frage hat zwei Seiten,« sagte er, »eine objective und eine subjective. Welcher sollen wir uns zuwenden?«

      Er hatte sowohl eine deutsche wie eine französische Erziehung genossen. Bis jetzt hatte die eine von beiden; wie ich glaubte, ausschließlichen Besitz von ihm genommen, jetzt aber trat, so viel ich es beurtheilen konnte, die andere an die Stelle. Es ist einer meiner Grundsätze im Leben, nie Bemerkungen bei etwas zu machen, was ich nicht verstehe. Mit andern Worten: Ich sah ihm gerade in’s Gesicht und sagte weiter nichts.

      »Suchen wir uns die wahre Bedeutung dieser Worte klar zu machen,« fuhr Herr Franklin fort, »warum hat mein Onkel den Diamanten Rachel und nicht meiner Tante vermacht?«

      »Das ist nicht schwer zu errathen,« erwiderte ich, «Oberst Herncastle kannte Mylady gut genug, um zu wissen, daß sie die Annahme jedes von ihm kommenden Vermächtnisses verweigert haben würde.«

      »Und woher wußte er, daß Rachel nicht ebenfalls die Annahme eines solches Vermächtnisses verweigern würde?«

      »Giebt es ein junges Mädchen, die der Versuchung, ein solches Geburtstagsgeschenk wie den Mondstein anzunehmen, zu widerstehen vermöchte?«

      »Das ist die subjective Art, die Sache anzusehen,« entgegnete Herr Franklin »Es macht ihnen alle Ehre, Betteredge, daß Sie sich zu dieser Betrachtungsweise zu erheben im Stande sind. Das Vermächtnis des Obersten birgt aber noch ein anderes Geheimniß, welches wir noch nicht berücksichtigt haben. Wie sollen wir es erklären, daß es Rachel ihr Geburtstagsgeschenk nur unter der Bedingung vermacht, daß ihre Mutter noch am Leben sei?«

      »Ich möchte einem Todten nichts Böses nachreden,« antwortete ich, »aber wenn er seiner Schwester absichtlich durch ein ihrem Kinde gemachtes Geschenk ein Vermächtniß voll Sorge und Gefahr hinterlassen hat, so mußte er natürlich das Geschenk an die Bedingung des Lebens seiner Schwester knüpfen, damit sie die ihr zugedachten Unannehmlichkeiten empfinden könne.«

      So erklären Sie also seine Motive? Wieder die subjective Erklärung! Sind Sie je in Deutschland gewesen, Betteredge?«

      »Nein, und was ist Ihre Erklärung, wenn ich fragen darf?«

      »So viel ich sehe,« sagte Herr Franklin, kann der Zweck des Obersten sehr wohl der gewesen sein, nicht seiner Nichte, die er nie gesehen hatte, etwas Gutes zu erzeigen, sondern seiner Schwester auf sehr graciöse Art durch ein ihrer Tochter gemachtes Geschenk zu beweisen, daß er ihr sterbend vergeben habe. Da haben Sie eine von der Ihrigen ganz verschiedene Art der Erklärung, die von einer subjectiv-objectiven Betrachtungsweise ausgeht. So weit ich es zu beurtheilen vermag, hat die eine Erklärung genau so viel für sich, als die andere.«

      Als er die Frage auf diesen befriedigenden Punkt gebracht hatte, schien

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