Der Mondstein. Уилки Коллинз
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Mondstein - Уилки Коллинз страница 17
Und was soll ich von ihrem Charakter sagen? Hatte dieses reizende Geschöpf keine Fehler? Sie hatte grade so viele Fehler wie Du, geneigte Leserin, nicht mehr und nicht weniger. Im Ernst hatte mein liebes, hübsches Fräulein Rachel bei einer Fülle von Reizen und anziehenden Eigenschaften einen Fehler, den strenge Unparteilichkeit mich zu nennen zwingt. Sie war den meisten jungen Mädchen ihres Alters darin Unähnlich, daß sie ihre eigenen Ideen hatte und sich halsstarrig selbst der Mode widersetzte, wenn diese ihr nicht zusagte. In Kleinigkeiten konnte man sich diese ihre Unabhängigkeit wohl gefallen lassen, aber in wichtigen Dingen ging sie, wie Mylady fand und wie es auch mir schien, darin zu weit. Sie bildete sich ihr eigenes Urtheil, wie es wenige viel ältere Frauen thun, fragte nie Jemanden um Rath, sagte Niemandem vorher, was sie zu thun beabsichtige, und hatte niemals Jemandem Geheimnisse anzuvertrauen, nicht einmal ihrer Mutter. In kleinen und großen Dingen, im Verkehr mit Leuten, die sie liebte und Leuten, die sie haßte (und sie that Beides mit gleicher Energie), ging Fräulein Rachel immer ihren eigenen Weg und war sich in Freud und Leid selbst genug. Unzählige Male habe ich Mylady sagen hören: »Rachel’s bester Freund und Rachels schlimmster Feind ist Beides in Einer Person Rachel selbst.« Noch ein Wort und ich bin mit ihrer Charakteristik fertig.
Bei all’ ihrer Verschlossenheit und all’ ihrem Eigenwillen war doch keine Spur von Falsch an ihr. Ich erinnere mich nicht, daß sie jemals ihr Wort gebrochen oder daß sie jemals Nein gesagt und Ja gemeint hätte. Dagegen erinnere ich mich aus ihrer Kindheit mehr als eines Falls, wo das liebe kleine Wesen sich für ein Vergehen, das ein von ihr geliebter Gespiele begangen hatte, schelten und bestrafen ließ. Niemals widersprach sie einer Beschuldigung, wenn sie angeklagt wurde, aber ebenso wenig sagte sie je die Unwahrheit. Sie sah Einem grade ins Gesicht schüttelte ihr trotziges Köpfchen und sagte einfach: »Ich will es nicht sagen!« Wenn sie für diesen Trotz aufs Neue bestraft wurde, so erklärte sie allenfalls, sie wolle nicht wieder »ich will nicht« sagen, aber war auch mit Brot und Wasser nicht dahin zu bringen, den Schuldigen zu nennen. Eigenwillig war sie – verteufelt eigensinnig bisweilen – das muß ich zugeben, aber nichtsdestoweniger das lieblichste Geschöpf, das jemals auf dieser Erde wandelte. Vielleicht findet der Leser, daß ich mir hier widerspreche. Für diesen Fall will ich ihm ein Wort in’s Ohr sagen. Mein lieber Leser, beobachte einmal Deine Frau scharf während der nächsten 24 Stunden. Wenn Dein liebes Weib während dieser Zeit nicht durch irgend ein Wort oder eine Handlung mit sich selbst in Widerspruch tritt, so sei Dir der Himmel gnädig, denn dann hast Du ein Ungeheuer geheirathet.
Ich habe also jetzt den Leser mit Fräulein Rachel bekannt gemacht und wir können uns nun ohne Weiteres mit ihren Heiraths-Aspecten beschäftigen.
Am 12. Juni schickte Mylady einem Herrn in London eine Einladung, sie zu besuchen und Fräulein Rachel’s Geburtstag mit feiern zu helfen. Das war der glückliche Sterbliche, dem sie, wie ich glaubte, in Wahrheit ihr Herz zugewandt hatte! Wie Herr Franklin war auch er ihr Vetter. Er hieß Godfrey Ablewhite.
Myladys zweite Schwester (nur keine Sorge, für diesmal lasse ich mich nicht weiter auf Familienverhältinisse ein), Myladys zweite Schwester, sage ich, hatte eine unglückliche Liebe gehabt und nachher Hals über Kopf, was man eine Mesalliance nennt, gemacht. Es entstand ein furchtbarer Aufruhr in der Familie, als das adlige Fräulein Caroline darauf bestand, einen Banquier aus Frizinghall, den simpeln Herrn Ablewhite zu heirathen. Er war sehr reich, hatte einen sehr guten Charakter und wurde der Vater einer äußerst zahlreichen Familie, – soweit war Alles gut. Aber er hatte sich herausgenommen, sich aus einer niedrigen Stellung in der Welt heraufzuarbeiten, – und das war gegen ihn. Indessen brachten die Zeit und die Fortschritte moderner Aufklärung Alles wieder in Ordnung, und die Mesalliance wurde zu Gnaden angenommen. Heutigen Tages werden wir Alle Liberale, und wenn Einer, dem ich die Hand gewaschen, sie mir wieder wäscht, was kümmert’s mich, ob er ein Gassenkehrer oder ein Herzog ist? Das ist die moderne Art, die Dinge anzusehen, und ich halte es mit dieser modernen Art. Die Ablewhites wohnten auf einem schönen Landsitz in der Nähe von Frizinghall. Sehr würdige Leute und hochgeachtet in der ganzen Gegend. Ich habe aber nicht die Absicht, viel über dieselben zu sagen, mit einziger Ausnahme. von Herrn Godfrey, der Herrn Ablewhite’s zweiter Sohn war, und mit dem wir uns hier, mit der gütigen Erlaubniß des Lesers, Fräulein Rachel’s wegen, etwas näher beschäftigen müssen. Trotz Herrn Franklin’s hellem Verstand, trotz seiner Gewandtheit und trotz aller seiner übrigen guten Eigenschaften, schienen mir doch seine Aussichten, Herrn Godfrey in der Neigung unseres jungen Fräuleins den Rang abzulaufen, ungemein schwach zu sein.
Erstens war Herr Godfrey, was den Wuchs betraf, bei Weitem der schönere von beiden Männern, er maß über sechs Fuß, hatte einen schönen roth und weißen Teint, ein glatt rasirtes, rundes Gesicht, und den Kopf voll schöner, langer, blonder Haare, die nachlässig auf den Nacken herabfielen. Aber warum versuche ich es, hier eine Schilderung von seiner Person zu geben? Wenn meine Leser jemals zu irgend einem mildthätigen Unternehmen einer Dame in London einen Beitrag gezeichnet haben, so müssen sie Herrn Godfrey Ablewhite so gut wie ich kennen. Er war seinem Berufe nach ein Advocat, seinem Temperament nach ein Mann für die Damen, und aus Neigung ein barmherziger Samariter. Weibliches Wohlwollen und weibliches Elend konnten nichts ohne ihn unternehmen. Bei mütterlichen Gesellschaften für die Aufnahme armer Wöchnerinnen bei Magdalenen-Stiften für die Rettung gefallener Mädchen, bei Emancipations-Vereinen, welche arme Frauen an die Stelle armer Männer setzen und es den Letztern überlassen möchten, sich selbst zu helfen – bei allen solchen Vereinen war er Vicepräsident, Secretär oder Kassirer. Wo immer ein Damen-Comitée um einen Tisch versammelt saß, fiel Herrn Godfrey unfehlbar die Ausgabe zu, das Comité bei guter Laune zu erhalten, und die lieben Damen auf dem dornigen Wege geschäftlicher Berathung zu leiten. Ich glaube, er war der vollkommenste Philantrop unter beschränkten Verhältnissen, den England je hervorgebracht. Es möchte schwer sein, einen Redner zu finden, der es so wie er verstanden hätte, bei Wohlthätigkeits-Versammlungen den Leuten Thränen und Geld zu entlocken. Man konnte ihn als einen öffentlichen Charakter bezeichnen. Als ich das letzte Mal in London war, verdankte ich Mylady’s Güte große Vergnügungen. Sie ließ mich ins Theater gehen, um eine Tänzerin zu sehen, die großes Aufsehen machte, und sie schickte mich nach Excter Hall, um Herrn Godfrey zu hören. Die Dame brauchte zu ihrem Tanzen ein Orchester, der Herr zu seiner Rede ein Schnupftuch und ein Glas Wasser. Ungeheurer Zudrang bei der Vorstellung mit den Beinen, ditto bei der Vorstellung mit der Zunge. Und bei alledem war er (ich meine Herrn Godfrey) von dem angenehmsten Temperament, der einfachste, liebenswürdigste und leichtlebigste Mensch, den es geben konnte. Er liebte alle Menschen, und alle Menschen liebten ihn; welche Chancen konnte wohl Herr Franklin, welche Chancen konnte irgend Jemand von gewöhnlichem Ruf und gewöhnlichen Fähigkeiten gegen einen solchen haben?
Am vierzehnten traf Herrn Godfrey’s Antwort ein.
Er nahm Mylady’s Einladung für die Tage vom Mittwoch, dem Geburtstage, bis zum Freitag Abend an, wo ihn seine Pflichten gegen mildthätige Damen nöthigen würden, wieder in London zu sein. Er übersandte zugleich ein Gedicht auf das »Wiegenfest« seiner Cousine, wie er sich elegant ausdrückte. Fräulein Rachel machte sich, wie ich erfuhr, bei Tisch mit Herrn Franklin über die Verse lustig, und Penelope, die entschieden Partei für diesen Letzteren genommen hatte, fragte mich mit triumphirender Miene, was ich davon denke. »Fräulein Rachel,« antwortete ich, »hat Dich auf eine falsche Fährte geführt, ich lasse mich aber nicht so leicht irre leiten. Warte nur bis Herr Ablewhite in Person seinen Versen auf dem Fuße folgt.« Meine Tochter erwiderte, Herr Franklin werde vielleicht sein Glück schon mit Erfolg versucht haben, noch ehe der Dichter seinen Versen folge. Zu Gunsten dieser Ansicht sprach, wie ich zugeben muß, daß Herr Franklin kein Mittel unversucht ließ, Fräulein Rachel’s Neigung zu gewinnen.
Obgleich er einer der eingefleischtesten Raucher war, der mir je vorgekommen ist, gab er sofort das Rauchen auf, als sie eines Tages geäußert hatte, daß sie den Tabaksgeruch in seinen Kleidern nicht leiden könne. Er schlief in Folge dieses Aufgebots von Selbstverleugnung, in Ermangelung der beruhigenden Wirkung des Tabaks, an die er gewöhnt war, so schlecht und sah Morgens, wenn