Die Blinde. Уилки Коллинз

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Die Blinde - Уилки Коллинз

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es wird noch etwas Anderes kommen, sein und mein Leben zu trüben. Für uns wird es keinen Hochzeitstag geben. Die Hindernisse thürmen sich vor uns auf. Das nächste Unglück steht uns nahe bevor, Sie werden es erleben!« Bei diesen Worten fuhr sie schaudernd zusammen und setzte sich, von mir zurückweichend, kauernd in die Fensternische.

      Es war nutzlos, mit ihr zu streiten und schlimmer als nutzlos, dazusitzen und sie zu ermuntern, noch weiter zu reden. Ich stand auf.

      »Es gebt eine Sache, an die ich fest glaube,« sagte ich heiter. »Ich glaube an die frische Luft in den Hügeln. Kommen Sie lassen Sie uns ein wenig spazieren gehen!«

      Sie drückte sich noch fester in ihre Ecke und schüttelte den Kopf .

      »Lassen Sie mich,« brach sie ungeduldig aus, »lassen Sie mich allein!« Kaum hatte sie das gesagt, als sie es auch schon bereute; sie stand auf, umschlang meinen Hals mit ihren Armen und küßte mich. »Ich wollte nicht so unfreundlich reden,« sagte das sanfte zärtliche Mädchen, »Schwester, mein Herz ist schwer! Noch nie ist mein künftiges Leben meinen blinden Augen so dunkel erschienen wie jetzt.« Eine Thräne entrann diesen armen blinden Augen und fiel auf meine Wange. Plötzlich wandte sie ihr Gesicht ab. »Verzeihen Sie mir,« murmelte sie, »und lassen Sie mich gehen.« Noch ehe ich ihr antworten konnte, war sie fortgegangen, um sich in ihr Zimmer zu verschließen. Das liebliche Mädchen! Man konnte nur das tiefste Mitleid mit ihr haben, man mußte sie lieben!

      Ich ging allein spazieren; sie hatte mich mit ihren abergläubischen Ahnungen einer trüben Zukunft nicht angesteckt, aber ein trauriges Wort hatte sie gesagt, welchem ich zustimmen mußte. Nach dem, was ich in ihrem Zimmer mit angesehen hatte, schien mir der Hochzeitstag in der That in eine weitere Ferne gerückt als je zuvor.

       Achtzehntes Kapitel.

      Traurige Familienverhältnisse

      Keine fünf Tage waren vergangen, als sich schon Lucilla’s traurige Besorgnisse in Betreff Oscar’s bestätigten. Er hatte einen zweiten epileptischen Anfall.

      Die versprochene Consultation mit dem Brightoner Arzte fand statt. Der neue Arzt machte uns wenig Hoffnung. Die rasche Aufeinanderfolge der beiden Anfälle war nach seiner Ansicht ein schlimmes Zeichen. Er gab allgemeine Verordnungen für Oscar’s Behandlung und überließ es seiner eigenen Entscheidung, ob er es mit einer Ortsveränderung versuchen wolle. Keine solche Veränderung, schien der Arzt zu meinen, würde einen unmittelbaren Einfluß auf die epileptische Disposition üben. Der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten würde sich in Folge dessen vielleicht heben, das sei aber auch Alles. Was die Heirath an langte, so erklärte er ohne Zaudern, daß wir daran fürs Erste nicht denken dürften.

      Lucilla nahm den Bericht über das Ergebniß der ärztlichen Consultation mit einer versteckten Resignation auf, die mich tief betrübte. »Erinnern Sie sich, was ich Ihnen sagte, als er seinen ersten Anfall hatte,« rief sie. »Unsere Sommerzeit ist vorüber, unser Winter ist gekommen.

      Sie sagte das wie jemand, der einem kommenden Ereignisse hoffnungslos entgegensieht, der fest überzeugt ist, daß ihm ein Unglück bevorsteht. Erst als Oscar eintrat, ermannte sie sich. Er war höchst begreiflicher Weise in einer sehr gedrückten Stimmung; alle seine Aussichten waren ihm vorläufig zerstört. Lucilla that mit Erfolg ihr Bestes, ihn aufzuheitern; meinerseits versuchte ich es vergebens, ihn zu überreden, Browndown zu verlassen und sich an einem lustigeren Orte zu zerstreuen. Er hatte eine ängstliche Scheu vor neuen Gesichtern und neuen Umgebungen. In der Gesellschaft dieser beiden trübseligem schwer bedrückten jungen Menschen fing selbst die mir angeborene Heiterkeit zu schwinden an. Wenn wir alle drei inmitten einer Wildniß in die Tiefe eines ausgetrockneten Brunnens gerathen wären, wir hätten unsere Aussichten kaum mit größerer Muthlosigkeit ansehen können, als wir es jetzt thaten. Zum Glück waren Oscar wie Lucilla leidenschaftliche Freunde der Musik. Wir nahmen in jenen Tagen des Unglück Zuflucht zum Clavier als unsern besten Trost. Lucilla und ich spielten abwechselnd und Oscar hörte uns zu; wir musizierten viel, waren aber übrigens einsilbig und verstimmt.

      Der Ehrwürdige Finch fand sich mit seinem Antheil an unseren jetzigen Prüfungen durch möglichst laute Reden ab. Wer den kleinen Pfarrer in jenen Tagen hörte, hätte glauben sollen, niemand empfinde unser häusliches Unglück so schmerzlich wie er. Es war der Mühe werth, ihn am Tage der ärztlichen Consultation zu sehen, wie er in dem Wohnzimmer seiner Frau auf- und abstolzirte und seine, aus seiner Frau und mir bestehende Zuhörerschaft haranguirte. Frau Finch saß in der einen Ecke im Unterrock und Shawl mit dem Baby und Roman und ich in der andern Ecke, um einer an mich gerichteten Anfrage gemäß mit dem Pfarrer zu berathen, mit andern Worten, um es mit, anzuhören, wie Herr Finch erklärte, daß er derjenige sei, welchen die über unserm Hause hängende Wolke des Unglücks am tiefsten überschatte.

      »Ich verzweifle, ich versichere Sie, Madame Pratolungo, ich verzweifle daran, Ihnen einen Begriff davon zu geben, wie tief mich dieser traurige Zustand der Dinge ergreift. Sie sind sehr gut gegen uns gewesen; Sie haben uns die Theilnahme einer wahren Freundin bewiesen. Aber Sie können sich unmöglich eine Vorstellung davon machen, wie schwer dieser Schlag mich betroffen hat. Ich bin zerschmettert, Madame Pratolungo.« Das sagte er in meiner Ecke zu mir; dann wandte er sich an seine Frau in ihrer Ecke und wiederholte: »Liebe Frau, ich bin zerschmettert. Es giebt keinen anderen Ausdruck, um meinen Zustand erschöpfend zu bezeichnen – zerschmettert.« Dann stellte er sich in die Mitte der Stube und sah abwechselnd mich und seine Frau erwartungsvoll an. Sein Gesicht und sein ganzes Benehmen sagten deutlich: »Wenn diese beiden Frauen jetzt in Ohnmacht fallen, so werde ich das, nach dem was ich ihnen eben mitgetheilt habe, nur sehr angemessen und natürlich finden.« Ich wartete ab, was die Frau vom Hause thun würde; Frau Finch aber sank nicht mit dem Baby und dem Roman ohnmächtig zu Boden. Dadurch ermuthigt, erlaubte auch ich mir, ruhig sitzen zu bleiben. Ich machte ein möglichst klägliches Gesicht; Frau Finch blickte ehrfurchtsvoll zu ihrem Gatten auf, als ob sie ihn für dass edelste Wesen halte und hielt schweigend das Schnupftuch vor die Augen. Das befriedigte Herrn Finch und er fuhr fort: »Meine Gesundheit hat gelitten, ich versichere Sie, Madame Pratolungo, meine Gesundheit hat gelitten. Seit diesem traurigen Vorfall ist meine Verdauung gestört, das Gleichgewicht meiner Kräfte geschwunden, die Regelmäßigkeit meiner Functionen gebrochen. Ich bin lediglich in Folge dieser traurigen Angelegenheit von Anfällen eines krank haften Appetits geplagt. Ich muß zu ganz ungewöhnlichen Zeiten meine Mahlzeiten nehmen; mein Frühstück mitten in der Nacht, Mittagessen um vier Uhr Morgens; ich muß auch jetzt etwas zu mir nehmen.« Herr Finch hielt entsetzt über diese Entdeckung plötzlich inne und versank mit finster zusammengezogenen Brauen, indem er die Hand krampfhaft gegen die unteren Knöpfe seiner verschossenen Weste preßte, in tiefes Nachdenken Frau Finchs wasserblaue Augen blickten mit einem feucht melancholischen Ausdruck ehrlicher Trauer zu mir hinüber. Der Pfarrer schien plötzlich durch die Berathung mit seinem Magen erleuchtet zu sein, stolzierte auf die Thür zu, riß sie weit auf und rief mit einer Donnerstimme die Treppe hinab: »Koche mir ein weiches Ei!« Er ging wieder in die Mitte des Zimmers, hielt mit einem scharf auf mich gerichteten strengen Blick eine zweite Berathung mit seinem Magen, stolzierte in wüthender Eile wieder nach der Thür und brüllte eine Contreordre die Küchentreppe hinab: »Kein Ei! Gieb mir einen geräucherten Häring!«

      Er kam zum zweiten Male ins Zimmer zurück; dieses Mal schloß er die Augen und legte die Hand wie zerstreut aus den Kopf. Wieder wandte er sich abwechselnd an Frau Finch und an mich. »Sieh doch selbst, Frau, sehen Sie nur, Madame Pratolungo, in welchem Zustande ich mich befinde. Es ist wahrhaft bejammernswerth; bei den geringfügigsten Dingen kann ich zu keinem Entschlusse kommen. Erst glaubte ich, ich müsse ein weiches Ei essen, dann meinte ich, mir würde ein geräucherter Häring gut thun und jetzt weiß ich gar nicht mehr was ich will, auf mein Ehrenwort als Geistlicher und Gentleman, ich weiß nicht, was ich will. Ein krankhafter Appetit während des ganzen; Tages, eine krankhafte Schlaflosigkeit während der ganzen Nacht. Welcher Zustand! Ich habe keine Ruhe, ich störe meine Frau Nachts, ich störe Dich Nachts, Frau. Wie viele Male muß ich mich, seit dieses Unglück uns betroffen hat, im Bett umherwälzen, bevor

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