Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз

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Die Frau in Weiss - Уилки Коллинз

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ihm standen, war ein Miniaturschrank von Ebenholz und Silber, der in kleinen Schubladen, die mit dunkelblauem Sammt ausgeschlagen waren, Münzen von allen Formen und Größen enthielt. Eine dieser Schubladen stand auf dem kleinen Tische, der an seinem Stuhle angebracht war, und daneben lagen einige kleine Juwelierbürsten, ein Stück Waschleder und eine kleine Flasche mit einer Flüssigkeit; Alles dazu bestimmt, zur Hinwegschaffung der geringsten, zufälligen Unreinheit, die er auf den Münzen entdecken möchte, angewendet zu werden. Seine zarten, weißen Finger spielten gleichgiltig mit etwas, das meinen unerfahrenen Augen wie eine schmutzige, zinnerne Medaille mit unebener Kante aussah, als ich in achtungsvoller Entfernung von seinem Stuhle stehen blieb, um ihm meine Verbeugung zu machen.

      »Sehr erfreut, Sie in Limmeridge zu haben, Mr. Hartright,« sagte er mit einer kläglichen, krächzenden Stimme, die auf Nichts weniger als angenehme Art einen hohen Mißton mit einer matten, schläfrigen Aussprache verband. »Bitte, setzen Sie sich. Und bemühen Sie sich gefälligst, nicht den Stuhl zu rücken. In dem unseligen Zustande meiner Nerven ist jede Art von Bewegung unbeschreiblich schmerzhaft. Haben Sie Ihr Atelier gesehen? Sind Sie zufrieden damit?«

      »Ich habe das Zimmer soeben gesehen, Mr. Fairlie, und ich versichere Sie –«

      Er unterbrach mich mitten im Satze, indem er die Augen schloß und eine seiner weißen Hände stehend in die Höhe hielt. Ich schwieg voll Erstaunen, und die krächzende Stimme beehrte mich mit folgender Erklärung:

      »Bitte, entschuldigen Sie mich. Aber wäre es Ihnen wohl möglich, etwas leiser zu sprechen? Bei dem unseligen Zustande meiner Nerven ist jeder laute Ton eine unbeschreibliche Tortur für mich. Sie werden einem Kranken verzeihen? Ich sage Ihnen nur, was der beklagenswerthe Zustand meiner Gesundheit mich allen Leuten zu sagen nöthigt. Ihr Zimmer gefällt Ihnen also, Mr. Hartright?«

      »Ich könnte mir Nichts Hübscheres und Bequemeres wünschen,« entgegnete ich, indem ich meine Stimme bis zum Flüstern herabsenkte und zugleich bei mir die Entdeckung machte, daß Mr. Fairlie’s schwache Nerven und seine egoistische Association im Grunde ein und dasselbe seien.

      »Sehr erfreut. Sie werden ihre Stellung hier gebührend anerkannt finden, Mr. Hartright. Es ist Nichts von dem abscheulichen, barbarischen, englischen Vorurtheile gegen die gesellschaftliche Stellung eines Künstlers in diesem Hause. Ich habe so viele Zeit meines früheren Lebens im Auslande zugebracht, daß ich in dieser Beziehung meine insularische Haut gänzlich abgeworfen habe. Ich wollte, ich könnte dasselbe von den vornehmen Ständen – abscheuliches Wort, aber ich muß wohl Gebrauch davon machen – unserer Nachbarschaft sagen. Aber sie sind entsetzliche Gothen und Vandalen in der Kunst, Mr. Hartright. Leute, versichere ich Sie, die vor Erstaunen große Augen gemacht haben würden, hätten sie Karl V. Titian’s Pinsel aufheben sehen. Wären Sie vielleicht so gütig, diese Schublade mit Münzen in den Schrank zurückzuschieben und mir die nächste zu reichen? In dem unseligen Zustande meiner Nerven ist mir auch die geringste Anstrengung im höchsten Grade zuwider. Jawohl. Dank Ihnen.«

      Als praktischer Commentar zu der liberalen, gesellschaftlichen Theorie, von der er mir soeben ein Beispiel angeführt, belustigte mich Mr. Fairlie’s kaltblütiges Ersuchen einigermaßen. Ich that die eine Schublade mit aller möglichen Höflichkeit an ihren Platz zurück und gab ihm die andere. Er begann sofort mit den Münzen und kleinen Bürsten zu spielen, indem er sie während der ganzen Zeit, da er mit mir sprach, mit matten Blicken betrachtete und bewunderte.

      »Danke tausendmal und bitte um Verzeihung. Interessiren Sie sich für Münzen? Ja? Sehr erfreut, daß wir außer unserer Liebe zur Kunst auch diesen Geschmack gemein haben. Jetzt, was unsere pekuniären Arrangements betrifft – bitte, sagen Sie mir – sind dieselben für Sie befriedigend?

      »Vollkommen befriedigend, Mr. Fairlie.«

      »Sehr erfreut. Und – was sonst noch? Ah! ich entsinne mich. Jawohl. In Bezug auf die Entschädigung, welche Sie so gütig sein wollen, für den Vortheil, den mir Ihre Talente in der Kunst gewähren, anzunehmen, wird mein Intendant am Ende jeder Woche Ihre Wünsche entgegennehmen. Und – was sonst noch? Sonderbar, nicht wahr? Ich hatte noch viel mehr zu sagen, und es scheint, ich habe Alles vergessen. Würden Sie vielleicht die Güte haben, zu klingeln? In jener Ecke. Jawohl. Danke Ihnen.«

      Ich klingelte; ein neuer Diener trat geräuschlos ein – ein Ausländer mit einem stereotypen Lächeln und schön gebürstetem Haar – jeder Zoll ein Kammerdiener.

      »Louis,« sagte Mr. Fairlie, indem er träumerisch mit einer der kleinen Bürsten über seine Fingerspitzen hin und her fuhr, »ich habe heute Morgen einige Memoranda in mein Notiztäfelchen eingetragen. Hole sie. Bitte tausendmal um Verzeihung, Mr. Hartright. Ich fürchte, ich langweile Sie.«

      Da er, ehe ich ihm noch antworten konnte, ermüdet die Augen schloß und er mich ohne allen Zweifel unbeschreiblich langweilte, so saß ich stille und betrachtete mir die Jungfrau mit dem Christuskinde von Raphael. Unterdessen verließ der Kammerdiener das Zimmer und kehrte gleich darauf mit einem kleinen Buche von Elfenbeintäfelchen zurück. Mr. Fairlie ließ, nachdem er sich erst durch einen leisen Seufzer die Brust erleichtert, mit der einen Hand das Buch aufklappen und hielt mit der anderen die kleine Bürste empor als Zeichen für den Diener, auf weitere Befehle zu warten.

      »Ja. Ganz recht!« sagte Mr. Fairlie, die Täfelchen befragend. »Louis, nimm jene Mappe herunter.« Er deutete, indem er sprach, auf mehrere Mappen, welche auf einem Mahagonitischchen neben dem Fenster lagen. »Nein, nicht die mit der grünen Rückseite – da habe ich meine Federzeichnungen von Rembrandt drin, Mr. Hartright. Interessiren Sie sich für Federzeichnungen? Ja? Sehr erfreut, daß wir noch einen Geschmack gemein haben. Die Mappe mit der rothen Rückseite, Louis. Lasse sie nicht fallen! Sie können sich keine Idee davon machen, Mr. Hartright, welche Qualen ich erdulden würde, wenn Louis die Mappe fallen ließe. Liegt sie sicher auf dem Stuhle? Denken Sie, daß sie sicher liegt auf dem Stuhle, Mr. Hartright? Ja? Sehr erfreut, wollen Sie mich verbinden, indem Sie sich die Zeichnungen ansehen, wenn Sie wirklich glauben, daß Sie dort ganz sicher liegen. Louis, geh hinaus. Was Du für ein Esel bist. Siehst Du nicht, daß ich die Täfelchen halte? Denkst Du dir, daß mir darum zu thun ist, sie zu halten? Warum nimmst Du sie mir da nicht ab, ohne daß man es dir erst sage? Bitte tausendmal um Verzeihung, Mr. Hartright; Bediente sind solche Esel, nicht wahr? Bitte, sagen Sie mir, wie Ihnen die Zeichnungen gefallen? Sie kamen in einem fürchterlichen Zustande aus einer Auction – es schien mir, wie ich sie das letzte Mal besah, als ob ihnen noch der Geruch abscheulicher Mäkler- und Trödlerfinger anhaftete. Können Sie sie wirklich in die Hand nehmen?«

      Obgleich meine Nerven nicht zart genug waren, um den Geruch der plebejischen Finger, welcher Mr. Fairlie’s Nase so beleidigt hatte, wahrzunehmen, so war doch mein Geschmack hinlänglich gebildet, um mich in den Stand zu setzen, den Werth der Zeichnungen anzuerkennen. Sie bestanden größtenteils aus wirklich werthvollen Proben englischer Wasserfarbenmalerei und hätten weit bessere Behandlung von ihrem früheren Eigenthümer verdient, als ihnen anscheinend zu Theil geworden war.

      »Die Zeichnungen sollten sorgsam ausgespannt und aufgeklebt werden,« entgegnete ich, »und sind meiner Ansicht nach wohl –«

      »Bitte um Verzeihung«, unterbrach mich hier Mr. Fairlie. »Würden Sie etwas dagegen haben, wenn ich meine Augen schließe, während Sie sprechen? Selbst dieses Licht ist noch zu angreifend für sie. Nun?«

      »Ich wollte nur bemerken, daß die Zeichnungen wohl der Mühe und Zeit werth sind –«

      Mr. Fairlie öffnete plötzlich wieder die Augen und rollte sie mit einem Ausdrucke hilfloser Bestürzung in der Richtung nach dem Fenster zu.

      »Ich beschwöre Sie, mich zu entschuldigen, Mr. Hartright,« sagte er mit schwachem Zittern. »Aber ich höre ganz gewiß entsetzliche Kinder im Garten – unten in meinem eigenen Garten?«

      »Ich

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