Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз
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»Klein genug!« bemerkte ich; »der Scherz ist gerade den übrigen Farthing werth, um den er gemacht wurde.«
Mr. Merriman war entzückt. Er erschütterte das Zimmer mit seinem Gelächter über die Art und Weise, wie ich es ihm zurückgegeben. Ich dagegen war nicht halb so guter Laune; ich kehrte zum Geschäfte zurück und machte der Unterredung ein Ende.
»Heute ist Freitag,« sagte ich, »lassen Sie uns bis nächsten Dienstag zur letzten Entscheidung Zeit.«
»Auf jeden Fall,« erwiderte Mr. Merriman. »Noch länger, mein lieber Herr, wenn Sie es wünschen.« Er nahm seinen Hut, um zu gehen und redete mich dann noch einmal an. »Beiläufig gesagt, haben Ihre Clienten in Cumberland nichts mehr von dem Frauenzimmer gehört, die den anonymen Brief schrieb?«
»Nichts mehr,« entgegnete ich. »Haben Sie keine Spur von ihr entdeckt?«
»Noch nicht,« sagte mein juristischer Freund. »Aber wir verzweifeln noch nicht. Sir Percival hegt Verdacht, daß Jemand sie versteckt hält, und diesen Jemand lassen wir bewachen.« sagte ich.
»Eine ganz andere Person, Sir,« entgegnete mir Mr. Merriman. »Wir haben die alte Frau noch nicht erwischt. Unser Jemand ist ein Mann. Ich habe mein Auge auf ihn hier in London, und wir hegen starken Verdacht, daß er es war, der ihr aus der Anstalt entfliehen half. Sir Percival war dafür, ihn sogleich auszufragen, aber ich sprach: Nein. Unser Ausfragen würde den Erfolg haben, daß er auf seiner Hut wäre; wir wollen ihm aufpassen und warten. Wir werden ja sehen, was sich ereignet. Ein gefährliches Frauenzimmer, Mr. Gilmore, um frei zu sein; es ist unberechenbar, was sie zunächst thun mag. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Sir. Nächsten Dienstag hoffe ich das Vergnügen zu haben, von Ihnen zu hören.« Er lächelte liebenswürdig und ging.
Ich war während des letzten Theiles der Unterhaltung etwas zerstreut gewesen. Ich war so besorgt in Bezug auf den Contract, daß ich für andere Gegenstände wenig Aufmerksamkeit übrig hatte; und sowie ich wieder allein war, begann ich zu überlegen, was mein nächster Schritt sein müsse.
Hätte die Sache irgend einen anderen meiner Clienten betroffen, so hätte ich meinen Verhaltungsbefehlen gehorcht, wie sehr mir dieselben auch persönlich zuwider gewesen wären, und augenblicklich den Punkt in Bezug auf die zwanzigtausend Pfund aufgegeben. Aber gegen Miß Fairlie konnte ich nicht mit dieser geschäftsmäßigen Gleichgültigkeit verfahren. Ich hegte ein redliches Gefühl der Liebe und Bewunderung für sie; ich erinnerte mich voll Dankbarkeit, daß ihr Vater mir der gütigste Freund und Gönner war, den je ein Mann besaß; ich hatte, während ich den Contract aufsetzte, das für sie gefühlt, was ich, wäre ich nicht ein Junggeselle gewesen, für meine eigne Tochter gefühlt hätte; und ich war daher entschlossen, vor keinem persönlichen Opfer zurückzuweichen, solange ich ihrem Interesse dienen konnte. An ein zweites Schreiben an Mr. Fairlie war nicht zu denken; es würde ihm nur eine zweite Gelegenheit geben, mir durch die Finger zu schlüpfen. Es mochte möglicherweise von besserem Erfolge sein, falls ich ihn sähe und ihm persönlich die Sache vorstellte. Der folgende Tag war Sonnabend. Ich beschloß ein Tagesbillet zu nehmen und meine alten Gebeine nach Cumberland hinunter rütteln zu lassen, auf die Aussicht hin, ihn zu bereden, das gerechte, unabhängige, ehrenvolle Verfahren einzuschlagen. Ich hatte allerdings nur geringe Aussicht darauf; aber nachdem ich es versucht, würde sich mein Gewissen beruhigen. Ich würde dann Alles gethan haben, was ein Mann in meiner Lage thun konnte, um dem Interesse des einzigen Kindes seines alten Freundes zu dienen.
Das Wetter am Sonnabend war schön, ein Westwind und heller Sonnenschein. Da ich in letzterer Zeit wieder an jener Eingenommenheit und jenem Drucke im Kopfe gelitten hatte, vor denen mein Arzt mich schon vor mehr als zwei Jahren warnte, beschloß ich, mir bei dieser Gelegenheit ein wenig Extrabewegung zu verschaffen und schickte meine Reisetasche voraus, um dann zu Fuße nach der Eisenbahnstation von Euston Square zu folgen. Als ich nach Holborn hineinbog, kam ein Herr mir schnell entgegen, und da er mich sah, stand er still und redete mich an. Es war Mr. Hartright.
Hätte er mich nicht zuerst begrüßt, so wäre ich ihm ganz gewiß so vorbeigegangen. Er hatte sich so sehr verändert, daß ich ihn kaum wieder erkannte. Sein Gesicht war bleich und abgemagert, sein Benehmen hastig und unsicher, und seine Kleidung, die mir in Limmeridge als sauber und geschmackvoll aufgefallen, war jetzt so vernachlässigt, daß ich mich geschämt haben würde, wenn ich einen meiner Schreiber so gesehen hätte.
»Sind Sie schon lange wieder aus Cumberland zurück?« fragte er. »Ich habe kürzlich von Miß Halcombe gehört, und weiß, daß Sir Percival Glyde’s Erklärungen als befriedigend angenommen sind. Wird die Heirath bald stattfinden? Wissen Sie es vielleicht, Mr. Gilmore?«
Er sprach so schnell und drängte seine Fragen so seltsam und verwirrt durcheinander, daß ich ihm kaum folgen konnte.
Wie vertraut er auch durch Zufall mit der Familie zu Limmeridge gewesen sein mochte, so schien er mir doch nicht berechtigt, Auskunft über ihre Familienangelegenheiten zu erwarten, und ich beschloß daher, ihn so kurz wie möglich über Miß Fairlie’s Heirath abzufertigen.
»Die Zeit wird’s lehren, Mr. Hartright,« sagte ich – »die Zeit wird’s lehren. Ich denke mir, wenn wir nur hübsch die Zeitungen lesen, daß wir die Vermählung schon angezeigt finden werden. Verzeihen Sie mir die Bemerkung, aber ich bedaure, daß Sie nicht so wohl zu sein scheinen, als da ich Sie zuletzt sah.«
Um seine Augen und Lippen bebte ein momentanes Zucken, und ich machte mir beinahe Vorwürfe, ihm auf so bedeutungsvoll zurückhaltende Weise geantwortet zu haben.
»Ich hatte kein Recht, nach ihrer Heirath zu fragen,« sagte er mit Bitterkeit, »ich muß warten, bis ich, wie andere Leute, sie in der Zeitung angekündigt sehe. Ja,« fuhr er fort, ehe ich ihm noch meine Entschuldigung machen konnte, »ich bin seit Kurzem nicht wohl gewesen. Ich bedarf einer Veränderung des Aufenthaltes sowohl, als der Beschäftigung. Sie haben einen weiten Bekanntschaftskreis, Mr. Gilmore. Sollten Sie von irgend einer Expedition ins Ausland hören, zu der man einen Zeichner gebrauchte, und keiner von Ihren eignen Bekannten Gebrauch davon zu machen wünschen, da würde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mich davon benachrichtigen wollten. Ich stehe dafür, daß meine Zeugnisse befriedigend sind, und es ist mir einerlei, wohin ich gehen, in welches Klima, oder wie lange ich werde fortbleiben müssen.« Während er dies sagte, blickte er auf sonderbare, mißtrauische Weise auf die fremde Menge, welche sich zu beiden Seiten an uns vorüber drängte, als ob er argwöhne, daß wir beobachtet würden.
»Wenn ich von irgend Etwas der Art höre, will ich nicht verfehlen, es Sie wissen zu lassen,« sagte ich, und fügte dann, um ihn nicht ganz so kurz über die Fairlie’s abzufertigen, hinzu, »ich reise heute in Geschäften nach Limmeridge. Miß Halcombe und Miß Fairlie sind aber augenblicklich nicht da, sondern auf Besuch bei Bekannten in Yorkshire.«
Seine Augen glänzten und er schien im Begriffe, Etwas zu entgegnen, aber dasselbe nervöse Zucken flog wieder über sein Gesicht. Er nahm meine Hand, drückte sie fest und verschwand, ohne ein Wort weiter zu sagen, unter der Menge. Obgleich er für mich fast ein Fremder war, blieb ich einen Augenblick stehen und sah ihm mit einem Gefühle des Bedauerns nach. Ich hatte in meinem Berufe hinreichende Erfahrungen unter jungen Leuten gemacht, um nach äußeren Anzeichen beurtheilen zu können, wann sie anfingen, auf unrechten Wegen zu gehen; und als ich meinen Weg nach der Eisenbahn fortsetzte, hegte ich, zu meinem Bedauern sage ich es, ernste Zweifel über Mr. Hartright’s Zukunft.
IV
Da ich mit einem Frühzuge reiste, kam ich zur Essenszeit in Limmeridge an. Die Leere des Hauses war drückend und trübe. Ich hatte erwartet,