Finanzkrise. Reiner Osbild
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Allen Krisen ist gemeinsam, dass der Bankensektor aufgrund seiner exponierten Stellung schwere Verluste erlitt. Eine weitere Gemeinsamkeit ist: Alle Krisen in Europa, den USA und Japan wurden durch expansive Geldpolitik »gelöst«, also durch die zinsgünstige Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die jeweiligen nationalen Notenbanken. Im Zuge dieser Entwicklung schwoll die Weltgeldmenge seit den 90er-Jahren dramatisch an.
3. Die Notenpresse: Wurzel des Übels
Die Bilanzen der Zentralbanken sind ein guter Indikator für die Überflutung der Welt mit Geld. Die Bilanzsumme der japanischen Notenbank nahm seit 2001 um rund 50 Prozent zu, die der EZB verdreifachte sich, die der US-Notenbank verfünffachte sich sogar.
Die Geldmenge M1, die eng mit der Bilanzsumme der EZB zusammenhängt, nahm seit 1997 um rund 250 Prozent zu, während das BIP der Eurozone real nur um 22 Prozent stieg.
Abbildung 5: Entwicklung der Geldmenge in der Eurozone27
Die Druckerpresse läuft heiß
Mit einer expansiven Geldpolitik stellt man angeschlagenen Banken frische Liquidität zur Verfügung. Das funktioniert über Kredite von der Zentralbank an die Geschäftsbanken. Die EZB senkte den Leitzins zuletzt auf 0,25 Prozent, damit die Geschäftsbanken es attraktiv finden, sich bei der Zentralbank zu verschulden. Das Guthaben, das ihnen im Zuge der Kreditaufnahme elektronisch gutgeschrieben wird, heißt Zentralbankgeld. Die EZB kann es quasi aus dem Nichts schöpfen.28 Während früher hochwertige Wertpapiere, zum Beispiel Staatsanleihen erstklassiger Schuldner wie Deutschland, als Pfand bei der EZB hinterlegt werden mussten, ist das Niveau der Sicherheiten mittlerweile deutlich verwässert worden.29
Im Dezember 2011 vergab die EZB Kredite im unvorstellbaren Wert von 1 019 Mrd. Euro an die Geschäftsbanken, Laufzeit drei Jahre.30 Damit schwimmen die europäischen Geschäftsbanken in Liquidität. Was tun sie damit? Sie können Kredite tilgen oder umschichten, die sie bei anderen Banken oder der EZB aufgenommen hatten; sie können Zahlungsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden, Arbeitnehmern, Aktionären usw. nachkommen. Sie können aber auch Wertpapiere aufkaufen, insbesondere öffentliche Anleihen – damit tragen sie zur Finanzierung (maroder) Staaten bei –, oder mehr Kredite an den Unternehmenssektor vergeben, um die Realwirtschaft zu beflügeln.
In großem Stile parkten Banken das Geld vorübergehend bei der EZB, um zu einem geeigneten Zeitpunkt eine der geschilderten Möglichkeiten wahrzunehmen. Daher ist das frisch geschöpfte Geld nicht im Wirtschaftskreislauf angekommen; die Preissteigerungen bei Konsumgütern blieben zunächst moderat.
Niedrigzinsen: Subvention für Schuldner zu Lasten von Sparern
Die Politik des billigen Geldes bevorzugt Schuldner und schadet Sparern, die auf ihre Ersparnisse kaum noch Zinsen bekommen. Zwar soll über billige Kredite auch die Wirtschaft angekurbelt werden, doch zeigt das Beispiel Japan, das bereits seit zwei Jahrzehnten eine Niedrigzinspolitik betreibt, dass dies nicht unbedingt funktioniert. Weitere Effekte:
• Bankpleiten werden vermieden, da Banken frisch gedrucktes Geld von der Zentralbank abrufen können – diese Option zur Insolvenzvermeidung steht normalen Unternehmen nicht offen.
• Das Eigenkapital der Banken wird gestärkt, wenn sie Aktien kaufen, um sie später mit Gewinn zu verkaufen.
• Negativ ist die Inflationierung der Wertpapiermärkte durch die künstlich wachsende Nachfrage, da hier der Grundstein für weitere Blasen gelegt wird. Doch dieses geschieht mit Kalkül: Die Besitzer von Aktien, Anleihen und Investmentfonds sollen den Eindruck gewinnen, sie seien wohlhabender geworden. Dieser psychologische Effekt verleitet oftmals zu mehr Konsum, stimuliert also die Realwirtschaft.
• Der Erwerb von Wertpapieren durch Geschäftsbanken mit »frisch gedrucktem« Zentralbankgeld treibt die Anleihenkurse maroder Staaten in die Höhe. Dies drückt deren Refinanzierungskosten, sprich: die Kosten der Verlängerung auslaufender Kredite. Warum?
Schauen wir uns als Beispiel eine irische Staatsanleihe mit Fälligkeit 18. Juni 2019 an. Diese Anleihe notierte am 26. Februar 2014 bei 112,77 Euro, das entspricht mehr als dem Doppelten des Tiefs von Mitte 2011, als die Anleihe an der Börse Stuttgart für 54,50 Euro zu haben war.31
Der irische Staat zahlt jedem Besitzer eines 100-Euro-Anleihescheins jährlich 4,40 Euro.32 Ist aber der Kurs, wie hier im Beispiel auf 112,77 Euro angestiegen, dann entspricht dies nur noch einer Verzinsung oder Rendite von 1,85 Prozent. Je höher der Kurs der Anleihe, desto niedriger die Verzinsung. Umgekehrt: Beim Tiefstand von 54,50 Euro betrug die Rendite 14,3 Prozent.33 Die Rendite auf dem Kapitalmarkt und der Kurs der Anleihe verhalten sich also gegenläufig. Steigt der Kurs, fällt der Zins, und umgekehrt. Der Kursanstieg von 54,50 auf 112,77 Euro ist dasselbe wie der Renditeverfall von 14,3 auf 1,85 Prozent.
Die Mechanik, dass steigende Preise für Vermögensgüter sinkende Renditen bedeuten, kann man sich auch an einer Immobilie klarmachen: Angenommen, Sie wollen eine Eigentumswohnung kaufen, die für 1 000 Euro im Monat (also 12 000 Euro im Jahr) vermietet ist. Wenn Sie 240 000 Euro zahlen müssten, ist Ihre Mietrendite 5 Prozent (= 12 000/240 000). Wenn aber der Preis auf 250 000 Euro steigt, sinkt Ihre Mietrendite auf 4,8 Prozent (= 12 000/250 000). Nichts anderes gilt für Anleihen. Der irische Staat kann sich bei Umschuldungen nach dem aktuellen Renditeniveau richten. Wenn er neue Anleihen im Wert von 100 Euro herausbringt, so braucht er nur rund 1,85 Euro an jährlichem Zins zu zahlen, deutlich weniger als die 4,40 Euro auf die alte Anleihe. Die Finanzierung der Staatsdefizite wird billiger. Indem er sich zu den neuen Konditionen refinanziert und Altschulden ablöst, spart er bares Geld.
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