Hochsensibilität. Brigitte Schorr
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Hochsensibilität ist keine Mode-, sondern eine Zeiterscheinung.9 In dem Maße, wie die Hektik, das Tempo und die Informationsflut zunehmen, werden sich auch die Menschen ihrer Sensibilität bewusst.
Ich halte es nicht für einen Zufall, dass in den letzten Jahren ein ständig wachsendes Bedürfnis zu spüren ist, mehr über Hochsensibilität zu erfahren. In Zeiten des Zusammenbruchs, der wirtschaftlichen und persönlichen Krisen, des Terrors und der »Ich-AGs« gibt es auch den Ruf nach Werten, nach einer reflektierteren, nachdenklicheren Sichtweise, nach einem nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen, welche die Welt hat, kurz, nach einem sensibleren Zusammenleben. Durch ihre hochsensiblen Antennen spüren Betroffene oftmals schon sehr früh, was nötig ist, um eine Lösung zu diesem oder jenem Problem zu finden. Sie sind in der Regel gesprächsbereit, verantwortungsbewusst, kompromissfähig und verfügen über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, hohe ethische Ansprüche und Gewissenhaftigkeit. Alles Eigenschaften, die unsere Welt, in der wir leben, sehr nötig hat.
4. Unterschiede zwischen Hochsensiblen und Nicht-Hochsensiblen
Es ist mitunter nicht einfach zu erkennen, wo »normale« Sensibilität aufhört und Hochsensibilität anfängt. Es gibt aber dessen ungeachtet drei wesentliche Merkmale, die allen Hochsensiblen eigen sind und die deutliche Unterscheidungskriterien darstellen. Das sind:
• schmale Komfortzone
• schnelle Überreizbarkeit (Überstimulation)
• langes Nachhallen
Hochsensible bewegen sich täglich auf einem schmalen Grat des Wohlbefindens, von dem sie jederzeit abstürzen können in Langeweile oder Überstimulation. Diese Komfortzone ist deutlich schmaler und von wesentlich mehr Bedingungen abhängig als bei Nicht-Hochsensiblen. Das Wohlbefinden muss praktisch in jeder Stunde, ja fast minütlich neu hergestellt werden, mitunter durch kompliziert anmutende Strategien. Damit Hochsensible sich wirklich wohlfühlen, müssen in der Regel recht viele Bedingungen erfüllt sein. Das ist anstrengend und kostet viel Energie, die sie für andere Dinge, z. B. praktische Arbeiten, dann nicht mehr zur Verfügung haben.
Überstimuliert zu sein bedeutet, so viele Reize empfangen und nicht verarbeitet zu haben, dass HSP sich in einer ständigen Anspannung und innerer Nervosität befinden. Sie können zwar lernen, damit umzugehen und gezielt trainieren, der Überstimulation mit ihrem Kontrollverlust entgegenzuwirken, aber die Tendenz dazu bleibt bestehen. Wo Nicht-Hochsensible sich wohlfühlen (z. B. bei lauten Partys oder in überfüllten Restaurants oder Pop-Konzerten), sind HSP kaum in der Lage, diesen Situationen körperlich und geistig gewachsen zu sein, mit dem Ergebnis, dass sie von körperlicher Übelkeit bis hin zu Konzentrationsverlust und »innerem Gewitter« vielfältige Symptome aufweisen.
Was passiert, wenn Hochsensible überstimuliert sind und ihre Komfortzone verlassen, verdeutlicht folgende Grafik:
Diese Grafik macht deutlich, dass die optimale Leistungsfähigkeit eines Menschen stark von der empfundenen Aktivierung (hier als Stress bezeichnet) abhängt. Das ist grundsätzlich bei jedem Menschen so, bei Hochsensiblen ist der Grat aber wesentlich schmaler als bei Nicht-Hochsensiblen. Befinden sich Hochsensible im Zustand der Überstimulation, werden sie sehr langsam, können sich schlecht konzentrieren, bekommen Körpersensationen bis hin zu kompletten »Blackouts« und Schwindelattacken und sind allgemein wenig leistungsfähig. Dieser Umstand wird vielen hochsensiblen Menschen zum Verhängnis, da sie, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist, an ihrer Leistungsfähigkeit gemessen werden und kaum jemand sich die Mühe macht, die Quelle der o. g. Erscheinungen zu ergründen.
Das dritte Unterscheidungskriterium ist das lange Nachhallen. Alle Erlebnisse, Situationen und Erfahrungen, auch Gedanken und innere Bilder, Telefonanrufe oder ein bestimmtes Wort in einer E-Mail bleiben Hochsensiblen besonders lange im Gedächtnis und im Gefühl haften. Da jeder Tag aus einer unendlichen Fülle von solchen Reizen besteht, ist es leicht vorstellbar, wie sich der innere Speicher ständig füllt, ohne in dem gleichen Tempo wieder geleert zu werden. So geschieht es häufig, dass man Tage oder sogar Wochen nach einem Ereignis (und das kann objektiv betrachtet sehr klein sein) noch eine Unruhe spürt oder Herzklopfen hat, auch wenn man die Ursache dafür nicht mehr bestimmen kann. Viel Energie geht auch dabei verloren, dass die innere Gedankenwelt sich lange mit einem Thema (oder auch mit Sorgen, Fragen, Problemen) aufhält.
5. Ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung
Im Folgenden finden Sie einen Fragebogen, den Dr. Samuel Pfeifer nach dem Original von Dr. Elaine Aron formuliert hat.10, 11
Ich nehme feine Veränderungen in meiner Umgebung wahr. | ja | nein |
Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich. | ja | nein |
Ich reagiere eher empfindlich auf körperlichen Schmerz. | ja | nein |
Ich habe an geschäftigen Tagen das Bedürfnis, mich zurückzuziehen. | ja | nein |
Auf Koffein reagiere ich heftiger als viele andere Menschen. | ja | nein |
Ich fühle mich schnell überwältigt von grellen Lichtern, starken Gerüchen, rauen Textilien auf meiner Haut oder Sirenen (Polizei, Krankenwagen) in meiner Nähe. | ja | nein |
Laute Geräusche bereiten mir Unbehagen. | ja | nein |
Kunstvolle Musik bewegt mich tief. | ja | nein |
Manchmal liegen meine Nerven derart blank, dass ich nur noch alleine sein möchte. | ja | nein |
Ich bin ein gewissenhafter Mensch. | ja | nein |
Ich bin schreckhaft. | ja | nein |
Es bringt mich leicht aus der Fassung, wenn ich in kurzer Zeit viel erledigen muss. | ja | nein |
Wenn andere Menschen sich in einer
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