Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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hinbröckelt und fällt, vielleicht ist es morgen mein Grab, und der Wind, der mir jetzt um die Wange fährt, vielleicht findet er mich morgen nicht mehr. Wie soll ich nicht fragen, da ich lebendig bin, um mein Leben? Die Flamme zuckt auf und windet sich, ehe der Docht lischt ins Dunkel, wie sollte das Leben sich nicht heben zur Frage, ehe es lischt in den Tod? Vielleicht ist es schon der Tod in mir, der so fraget und nicht das Leben mehr.

      DER ERSTE KRIEGER:

       Du grübelst zu viel. Nichts nützt es und quält nur.

      DER ZWEITE KRIEGER:

       Gott hat uns das Herz aufgetan, daß es sich quäle.

      DER ERSTE KRIEGER:

       Was hilft es dann zu reden? Wir haben Wache, mehr mag ich nicht wissen.

      DER ZWEITE KRIEGER:

       Das Reden hält wach, und es hörens nur die Sterne.

      (EIN SCHWEIGEN wieder zwischen beiden.)

      DER ZWEITE KRIEGER:

       Was kommt da? Vom Dunkel schleicht es heran.

      DER ERSTE KRIEGER:

       Wieder Müßiggänger! Sie sollen schlafen des Nachts. Jag sie heim!

      DER ZWEITE KRIEGER:

       Nein! Laß sie reden und tritt ins Dunkel. Laß uns hören, was sie reden. Es scheucht den Schlaf von den Lidern, die Stimme der Menschen zu hören. Tritt zurück in den Schatten!

      DER ERSTE KRIEGER:

       Ein Sonderbarer bist du! Ich schreite die Runde!

      (DIE BEIDEN KRIEGER treten zurück in den Schatten des Mauerturmes. Ihre Gestalten verschwinden in dem tiefen Dunkel, das mit scharfer Schattenschneide gegen die vom Mondlicht überflutete Mauer grenzt. Nur ihre Lanzen funkeln manchmal leise hervor.) (JEREMIAS UND BARUCH steigen aus dem Dunkel der Tiefe zur Mauer empor, Jeremias hastig voran, Baruch mühsam seiner Erregung folgend. Der Krieger steht – von ihnen ungesehen – im Schatten wie aus Erz gegossen.)

      BARUCH:

       Wohin führst du mich, Meister? Wohin führst du mich?

      JEREMIAS:

       Empor, empor! Ich muß es schauen, das Fürchterliche, Blick in Blick.

      (JEREMIAS ist auf der Höhe angelangt. Er starrt in das mondbeglänzte Tal hinab und verharrt regungslos, ohne zu sprechen.)

      BARUCH (ängstlich):

       Was starrst du so, was sprichst du nicht?

      JEREMIAS (schauernd):

       Der König… er ist gekommen… der König von Mitternacht (erregt nach Baruch fassend), Baruch, Baruch, tritt zu mir, tritt zu mir her! Rühr meine Hand, daß ich weiß, ob ich wach bin oder getaucht in Traum. Baruch, Baruch, sprich, meine Augen, sind sie aufgetan, ist eine Mauer dies aus Stein oder aus Tränen, ist Jerusalem dies Dunkle, das ahnungslos liegt, und wahrhaft Assur dies andere Dunkle dort und der Mond dies, fahl und fühllos wie Wasser zwischen beiden? Sag es mir, Baruch, sag es mir, und so ich nur träume, rüttle mich auf, daß ich des Irrwitzes lache, Zion sei umgürtet von Assur; denn nicht wahr ist dies vor Gott, es darf nicht wahr sein. Weck mich auf, Baruch, weck mich wach!

      BARUCH:

       Wie meinest du, Meister? Ich fasse dich nicht.

      JEREMIAS:

       Bin ich wach, Baruch, bin ich wach, sind meine Augen offen und wahr dies Unheil vor ihnen, ich flehe dich an.

      BARUCH:

       Ich fasse dich nicht… wie zweifeltest du…

      JEREMIAS:

       Oh, Fluch, so ist es wahr, wahr und wahrhaftig, ich träume nicht mehr! Meine Träume, sie sind wach geworden, sie haben Rosse geschirrt und Wagen gegürtet, Assur zieht an gegen Zion, es erfüllt sich, es erfüllt sich! Und all dies Unselige, aus mir quillt es vor, aus meiner Träume Schoß drängt sichs fort; in mir war es zuerst, ehe es war in der Welt, und ich, ich warf es im Wort über sie. Ich hab es gewußt, ich allein, eh Gott es getan! In mir hat es Anfang und mündet mir zu, und ich kanns doch nicht halten im Laufe, nicht fassen im Fluge, kein Schild ist mir dawider und kein Schwert – oh, Ohnmacht, Ohnmacht der Worte!

      BARUCH:

       Meister, was redest du… nicht fasse ich den Sinn… sprich zu mir, daß ichs glaube und begreife, was dich erfüllet.

      JEREMIAS: Daß du es glaubest… Baruch, Baruch… wirst du wahrhaft glauben meinem Worte, das ich dir sage zu dieser Stunde unter den Sternen… wirst du es nicht leugnen und verlachen, so ichs beschwöre mit meiner Seele Siegel… denn wider allen Sinn ists, was ich dir künden will…

      BARUCH:

       Meister… der Glaube an dich ist mein Leben…

      JEREMIAS:

       So höre es, höre, was ich dir sage… (geheimnisvoll, leise) Dies alles, dies alles, was heute ist zum erstenmal, ich habe es geträumt vor Monden schon, ich habe es geträumet in meinen Nächten, ganz so geträumet. Nicht ein Stern steht da, den ich nicht sah, hier oben den Wall und Gottes weißragendes Haus und unten der Feinde Scharen, Zelt an Zelt, und meines eigenen Herzens eigenen Schauer und Blick, all, all dies hab ich geträumt… Hörst du mich, Baruch, hörst du mir zu…

      BARUCH (schauernd):

       Ich höre dich… ich höre dich…

      JEREMIAS:

       Warum mir, warum ward mir dies alles offenbar vor der Zeit? Es kann nicht sein wider Gottes Willen, daß er mir aufschließt seine Pläne und mir sichtig macht Bilder des Zukünftigen. Und es darf nicht sein, es darf nicht sein, daß ich dawider mich wehre, daß ich schweige, denn Baruch, Baruch: lang verbarg ich mein Herz der Berufung und verschlug mein Ohr seinem Rufe. Doch nun, da ich schaue lebendig, was in mir längst schauten die Träume, da wie ein Spiegel sichs aufrollt außen zum Innen, nun fühle ichs zum ersten Male, daß Gott in mir ist, und Baruch, ich sage dir: er hat mich gewählet. Weh mir, wenn ich verschwiege meine Angst vor dem Volke und meine Ahnung vor den Königen. Denn nur ein Anfang ist dies, und ich kenne, ich kenne das Ende…

      BARUCH:

       Künde es, du Geweihter… ausrufe dein Wort…

      JEREMIAS:

       Baruch, Baruch, siehst du Lager und Zelt, siehest du dies schlafende Meer wogen von Mitternacht her…

      BARUCH (schauernd):

       Ich sehe den Feind… ich sehe die Zelte…

      JEREMIAS:

       Die Nacht siehest du, den Schlaf und die falsche Stille der Rast. Aber in meinem Ohr gellen die Trompeten schon und klirren die Waffen, wenn sie aufstehen und stürmen wider uns! Die Mauer, darauf wir festen Fußes noch wuchten, schon krachet sie hin, und den Schrei der Gejagten, ich höre ihn, höre ihn schon. Sie kommen, weh, sie sind da, aufschäumt ihre erzene Flut! Baruch, Baruch, wehe, mein Wort stund auf über Israel, ich höre den Tod, wie er

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