Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг страница 39
PASHUR:
Zu milde, als daß ich ihr traute.
ZEDEKIA:
Doch das Zeichen! Welches Zeichen fordert Nabukadnezar?
BARUCH:
Er sagte: Also sprich mein Wort zu Zedekia: »Ich habe die Krone gelassen auf deinem Haupte, weil sie ein Kind war der meinen, ein Kind meiner Gnade. Doch du hast aufgereckt dein Haupt wider mich, so mußt du wieder es beugen; du warst König durch meine Gnade vordem und sollst es wiederum werden durch meine Gnade, doch meinem Zorne mußt du zuvor Buße tun und deiner Hoffart.«
ZEDEKIA (ruhig, sehr langsam):
Was fordert König Nabukadnezar von mir, daß ich tue?
BARUCH:
Er sprach: »Der aufstand wider mich, muß sich beugen, und der die Stirne reckte wider mich, dessen Rücken will ich sehen. Wenn ich einschreite durch das Tor, soll Zedekia mir entgegengehen vom Tor des Tempels bis zum Walle, die Krone in Händen und ein hölzern Joch auf seinem Nacken…«
ZEDEKIA (auffahrend):
Ein Joch?
BARUCH:
»Ein Joch, auf daß alle gewahr werden, daß sein Starrsinn gebrochen sei und sein Hochmut sich beuge. Und ich will ihm entgegengehen und das Joch nehmen von seinem Nacken und die Krone wieder setzen auf sein Haupt.«
ZEDEKIA:
Nie wird das Haupt eine Krone tragen, des Nacken ein Joch gefühlt. Niemals! (Er steht auf.) ABIMELECH:
Nie werde ich es dulden. (Er steht gleichfalls auf.)
(DIE ANDERN bleiben schweigend sitzen.)
NACHUM (endlich nach einer langen Pause nachdenklich):
Vom Tor des Tempels sagte er, bis zur Mauer der Stadt?
PASHUR:
Hundert Schritte kaum sind es… nicht mehr…
IMRE:
Nicht siebenzig sind es… nicht siebenzig…
ZEDEKIA (sich umwendend in Zorn):
Die Schritte zählet ihr schon, die ich tun soll, den Nacken unter das Joch gespannt wie der Stier vor dem Pflug? Ist Wahnsinn in euch gefahren, daß ihr meint, ich würde mich beugen? Wart ihr nur mutig mit mir, solange es euer Leben galt und euer Gespartes, und nun, da der Freche euch befriedet, verschachert ihr meine Schmach? Feiglinge seid ihr…
PASHUR:
Mit deinem Eide hast du gelobt, mein König, daß jeder frei vor dir sage, was sein Herz ihm gebietet.
ZEDEKIA:
Zum rechten erinnerst du mich. Verzeih meinem Blute. Sprecht frei nach eurem Herzen.
NACHUM:
Hart ist Nabukadnezars Heischung, doch härter die Not. Man möge ihm willfahren. Nicht aber meine, daß wider deine Ehre ich rede, mein König. Habe ich bislang mich gebeugt in Ehrfurcht vor dir, so will ich noch tiefer mich neigen vor dem, der die Not des Volkes auf den Nacken genommen, der sich erniedrigt, auf daß Israel erhöhet sei. Denn wahrlich, Königstat ist es, zu leiden für sein Volk.
PASHUR:
Und ich, mein König, neide dir deine Stunde. Denn selig ist es, zu leiden für seine Brüder. Siebenzig Schritte hast du unter dem Joche zu gehen, und Siebenzigmaltausend rettet dein Schreiten.
ZEDEKIA:
Leicht ist euch, was mir Tod ist. Alle, alle wider mich! Und du, Hananja?
HANANJA:
Ich schweige, mein König. Dein ist die Tat!
ZEDEKIA:
Schweigst du jetzt, Profet! Noch sind die Ohren mir voll deiner Verheißung. Alle, alle wider mich in der Not! So wollt ihr mich zwingen?
ABIMELECH:
Ferne sei es uns, zu zwingen den Gesalbten des Herrn. Frei walte sein Wille!
ZEDEKIA:
Frei! Schicksal habt ihr geladen auf mein Leben, und nun ich stöhne und stürze, tretet ihr abseits und laßt mich ihm allein. (Er geht auf und ab, dann tritt er wieder zum Fenster.) Mauern und Türme, Häuser und Lager, alles, alles auf mein stöhnend Herz, Schicksal von Tausend auf Tausend gehäuft auf mein Leben! Wie das tragen, ohne hinzusinken, wie es ertragen! (Er geht wieder auf und ab. Plötzlich:) Noch einmal wägt euern Beschluß, prüfet bis ins Mark euer Meinen. Ist es euer aller Geheiß, daß ich unter das Joch trete für Israel?
(ALLE schweigen. Dann sagt:)
NACHUM (als erster):
Ich flehe dich an, daß du es tuest für uns und unsere Kinder.
IMRE:
Für die Stadt und das Land.
PASHUR:
Für den heiligen Tempel und den Altar.
HANANJA:
Für Gott, der es heischt von dir.
(ABIMELECH schweigt und birgt sein Gesicht.)
ZEDEKIA (geht wieder auf und ab. In ihm wogt ein innerer Kampf. Endlich tritt er vor. Seine Stimme ist ernst und feierlich): Ich will tun, wie ihr gebietet. Ich will meinen Stolz nehmen und ihn zerbrechen wie ein Rohr, ich will das Joch nehmen auf mein Haupt.
(ALLE wollen erregt sprechen. Er winkt ihnen, zu schweigen.)
ZEDEKIA:
Ich will die Krone nehmen von meiner Stirne und sie darbieten mit den Händen, wie jener es gebot. Aber heilig ist die Krone Israels, und kein Haupt soll sie tragen, dessen Nacken ein Joch geschleppt. So ich abgetan von mir das Holz der Schmach, tue ich auch ab Zepter und Ring von mir in meines Sohnes Hand. Jung ist er, doch ihr werdet ihn beraten. Schwöret ihr, daß ihr Treue bietet, daß ihr das Volk ihm zuscharen werdet und ihn kleiden mit Krone und Ring an meiner Statt?
PASHUR (ergriffen):
Ich schwöre es, mein König.
IMRE, HANANJA, NACHUM:
Wir schwören es.
ABIMELECH:
Wie ein König hast du getan, Ruhm deinem Namen!
NACHUM:
Ewiges Gedenken dem König Zedekia.
ZEDEKIA:
So mögen stehen die Mauern und die heilige Burg, wenn ich hinsinke in Staub; besser ich, denn die Stadt. Ewig währe Jerusalem!
ALLE