Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг
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Gewendet von dir, der du hassend und hart bist
Und zum Götzenstein deines Stolzes erstarrt bist,
Zu ihnen, den Schwestern, zu ihnen, den Brüdern,
Die Leiden umkleiden, die Qualen erniedern!
Nur ihnen, nur ihnen
Tut auf sich mein Herz, blühn auf meine Arme,
Und ich beug ihrem Leid mich, ihm beug ich die Knie –
Denn ich hasse dich, Gott, und ich liebe nur sie!
DER ÄLTESTE:
Er hat Gott verflucht… Schlagt ihn nieder…
STIMMEN:
Er rast… er ist toll… Irrwitz ist seine Rede… Wachen Auges träumt er… es ist Gefahr, ihn zu hören… bringt ihn zum Schweigen…
JEREMIAS (plötzlich in die Knie brechend, gegen die andern gewandt):
Oh, meine Brüder, verzeiht mir, verzeiht,
Verzeiht meiner ruchlosen Eitelkeit!
Er, er nur hat mich mit Träumen verblendet,
Mit Worten gelockt und mit Zeichen versucht,
Daß ich meinte im Trotz meiner Eigensucht,
Ich sei als ein Mahner gen euch gesendet.
Ich meinte, daß ich der Große bin,
Wenn seinen Namen ich wider euch reckte
Und die Zähne mit seinen Flüchen ausbleckte, –
Doch ich reiße mich los und verstoße ihn!
Und ob ich hoffärtig an euch getan,
Ihr Brüder, hört mich erbarmungsvoll an!
Weil ich euch fluchte, erbost euch nicht,
Weil er mich versuchte, verstoßt mich nicht,
Zu euren Füßen werf ich mich hin,
Fühlt, fühlt es, daß ich voll Buße bin!
(DIE MÄNNER UND FRAUEN weichen entsetzt zurück.)
JEREMIAS (ihnen nachkriechend auf den Knien):
Ihr Brüder, ihr Brüder, verzeiht mir, verzeiht,
Oh, wie fühl ichs jetzt, daß ihr mir Brüder seid
Und ich der jüngste, geringste von allen!
Oh, laßt mich, ihr Lieben, nun Liebe nur sprechen
Und selig das Brot eures Leidens mitbrechen,
Oh, laßt es, ihr Brüder, euch gütig gefallen,
Daß ich euch liebe, daß ich euch gehöre,
Nie soll mein Wort mehr, ich schwöre, ich schwöre,
Sich frech und mahnend wider euch kehren.
Das Letzte, das Niederste will ich euch tun,
Das ihr mir auflegt als Buße und Pein,
Den Staub will ich küssen von euren Schuhn
Und der klägliche Knecht eurer Knechte sein.
Oh, ihr Brüder im Dunkel, ihr Brüder im Leid,
Meine Reue fühlt, meine Demütigkeit,
Und vergebt mir, ihr Brüder, verzeiht mir, verzeiht!
DER ÄLTESTE:
Tod über den, der ihn berührt! Gott hat ihn gerichtet.
STIMMEN:
Gottverfluchter… fort mit dir… fort… weg von uns… weg aus unserer Mitte… verpeste uns nicht… Gottesleugner… fort… fort…
JEREMIAS (zurückgestoßen, mit einem dumpfen Aufschrei):
Aussatz über mich! Aussatz über mich und Tod! (Er bricht in sich zusammen.)
STIMMEN:
Man muß ihn hinausschaffen wie ein Aas… er verpestet mit seiner Nähe den Atem… Wahnsinn ist über ihm… hinaus mit ihm… tötet ihn… schlagt ihn nieder…
DER ÄLTESTE:
Rührt ihn nicht an! Gottes Hand ist über ihm, und sie ist stärker, denn die unsere.
(EIN POCHEN, heftig und herrisch, an der Türe.)
ALLE (durcheinander):
Die Herolde… die Chaldäer… es pocht wie die Hand eines Gebieters… es ist keiner der unsern…
(DAS POCHEN, heftiger und eiliger.)
ALLE (durcheinander):
Wie er drängt… er ist ungeduldig… man darf ihn nicht erzürnen… laßt verschlossen, Räuber sind es, Chaldäer… man muß auftun… er erzürnt sonst.
DER ÄLTESTE:
Ich tue ihm auf. Sind wir denn des Todes nicht zu jeder Stunde?
(DER ÄLTESTE öffnet zaghaft einen Spalt der großen Türe. Sie wird hastig aufgestoßen und herein stürzt)
BARUCH (verstörten Gesichts):
Brüder, ist Jeremias hier?
DER ÄLTESTE:
Nenn seinen Namen nicht, sprich ihn nicht aus!
BARUCH:
Ist er hier? Man hat mirs gesagt.
DER ÄLTESTE:
Daß er doch anderwärts wäre, im Schlund der Gehenna und zerrissenen Gebeins im Schlachthaus der Feinde! Hier liegt er, getroffen von Gottes Hand.
BARUCH (hinstürzend):
Jeremias! Jeremias!
JEREMIAS (sich aus seiner Hingesunkenheit langsam erhebend, ganz fremd ihn anstarrend): Wer sucht mich noch, wer versucht mich noch?
BARUCH:
Meister, mein Meister, kennst du mein Antlitz nicht mehr, ward dir fremd meine Stimme?
JEREMIAS:
Ich will nichts schauen mehr und nichts hören. Weg du, der du noch Atem im Maule hast! Laß mich liegen und faulen!
BARUCH:
Jeremias, gütigster Meister du! Ich beschwöre