Ich schenke dir mein Herz. Barbara Cartland
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Melita mußte an diese vorausschauenden Worte denken, als sie in den letzten Tagen in London noch an einigen leichten Kleidern für die karibische Insel genäht hatte.
Das seidene Taftcape, das sie jetzt überstreifte, war sehr teuer gewesen. Und der Hut mit der Spitze, die ihr Gesicht umrahmte, sah nicht nur sehr wertvoll aus, sondern stand ihr besonders gut, er wurde mit blauen Seidenbändern unter dem Kinn gebunden. Und jetzt, als sie wieder an Deck ging, in der Hand eine wertvolle Lederreisetasche, die ihr Geld und den Schmuck enthielt, wußte sie, obwohl ihr Herz aufgeregt schlug, daß sie zwar sehr jung und ängstlich war, aber wie eine Dame von Welt aussah.
Der Hafendamm und der Kai davor waren voll von Menschen, und Melita trat an die Reling des Schiffes, um nach ihrem zukünftigen Chef Ausschau zu halten. Sie hatte ihre Stiefmutter um eine Beschreibung des Grafen gebeten, aber die war nur sehr allgemein ausgefallen.
„Er ist ein gutaussehender Mann, so groß wie dein Vater”, hatte sie kurz angebunden geantwortet. „Ich kann dir nicht mehr sagen, für mich sehen alle Franzosen gleich aus.”
„Hat er noch mehr Kinder?”
„Ich weiß es nicht”, hatte Lady Cranleigh geantwortet. „Ich hatte kein großes Interesse an dem Grafen. Erst nach dem Tode deines Vaters erinnerte ich mich an ihn.”
Ich weiß nicht einmal, ob er jung oder alt ist, dachte Melita. Aber er würde sie sicherlich finden.
Als die Gangway vom Schiff zur Hafenmauer heruntergelassen wurde, kam eine große Menschenmenge auf das Schiff. Es waren nicht nur Leute, die Passagiere abholten, sondern auch Gepäckträger, Schiffsagenten, Geschäftsleute und Neugierige.
Ein Steward brachte Melitas Gepäck aus der Kabine und stellte es neben sie.
„Ich glaube, das ist alles, Miss.”
„Ja, danke”, antwortete Melita. „Ich möchte mich noch einmal für die gute Betreuung während der Fahrt bedanken.”
Sie gab ihm ein reichliches Trinkgeld, und er bedankte sich überschwenglich.
„Ich hoffe, Miss, daß Sie schöne Ferien haben werden.”
Melita mußte bitter lächeln. Sie stand etwas entfernt von der Gangway. Nun strömten keine Leute mehr herein, und diejenigen, die zum Abholen von Passagieren gekommen waren, verließen jetzt mit diesen das Schiff.
Ängstlich beobachtete Melita einen großen, dicken Franzosen mit einer sehr lauten Stimme, der mit einem Matrosen sprach. Er hatte einen winzig kleinen Schnurrbart und sah wie ein aufgeblasener Ballon aus. Sie hoffte inbrünstig, daß dies nicht ihr zukünftiger Chef sein möge. Aber er war nur gekommen, um ein großes Paket abzuholen, das er dann schwitzend die Gangway hinuntertrug.
Die Luft war heiß und etwas feucht, aber nicht unangenehm. Eine kühle Brise kam vom Meer, und Melita sah, wie sich die Palmen graziös im Wind bewegten. Daneben standen blühende Bäume, die ihr besonders gefielen.
Mit wachsender Nervosität wartete sie darauf, abgeholt zu werden. Vielleicht war ein Irrtum unterlaufen, und es kommt niemand, der mich abholt, dachte sie angstvoll. Oder die Familie des Grafen hatte sich anders besonnen und wünschte sie nicht mehr? Immer unruhiger blickte sie um sich.
Dann sah sie einen hochgewachsenen Mann mit einem der Schiffsoffiziere sprechen. Sie hatte ihn noch nie an Bord gesehen, und ihr erschien er als der bemerkenswerteste Mann, den sie je gesehen hatte.
Seine engen Hosen waren nach der neuesten Mode geschnitten, und die bestickte zweireihige Jacke ähnelte sehr den Jacken, die ihr Vater getragen hatte. Bisher hatte sie den Mann nur im Profil gesehen. Nun drehte er sich um und sah sie an.
Das kann doch nicht der Mann sein, den ich erwarte, dachte Melita. Er ist doch viel zu jung und viel zu gut aussehend.
Aber er kam ohne zu zögern auf sie zu, und wieder stellte sie fest, daß er der bestaussehende Mann war, den sie bisher gesehen hatte. Er hatte schwarzes Haar und dunkle Augen. Sein sonnengebräuntes Gesicht hob sich ab von dem weißen Kragen. Er war die personifizierte Eleganz, als er über das Deck ging.
Erst als er sie erreicht hatte, bemerkte sie, daß auch er sie äußerst überrascht betrachtete.
„Pardon, Mademoiselle”, begann er und nahm seinen Hut ab, „aber mir wurde gesagt, daß Ihr Name Miss Cranleigh sei.”
„Das stimmt”, bestätigte Melita, „und Sie ...?”
„Ich bin Comte de Vesonne.”
Melita machte einen Knicks, aber der Graf starrte sie noch immer an.
„Sie sind tatsächlich Miss Cranleigh, die ich hier erwarte, die Dame, die als Gouvernante für meine Tochter nach Martinique gekommen ist?”
„Ich bin Melita Cranleigh, Monsieur, und meine Stiefmutter schrieb Ihnen über mich.”
„Nom de Dieu!” Dieser Ausruf schien ihm entwischt zu sein. Dann sagte er in verändertem Ton: „Entschuldigen Sie, aber ich habe keinesfalls wissen können, daß Sie so jung sind. Ich habe jemanden in mittleren Jahren erwartet.”
„Hat Ihnen denn meine Stiefmutter, Lady Cranleigh, denn nicht geschrieben ...?”
„Sie schrieb mir, daß sie mir eine passende Gouvernante für mein kleines Mädchen schicken würde. Eine intelligente und erfahrene Person, die sie unbesorgt empfehlen könnte. Aber sie schrieb nichts davon, daß Sie die Tochter Lord Cranleighs sind.”
Melita preßte die Lippen zusammen, sie wußte nur zu genau, was passiert war. In ihrem Bedürfnis, ihre Stieftochter loszuwerden, hatte Lady Cranleigh es für besser gehalten, darüber, wer Melita war und daß sie noch keine neunzehn Jahre alt war, Stillschweigen zu bewahren.
„Es tut mir sehr leid, wenn ich eine Enttäuschung für Sie bin”, sagte Melita unbehaglich.
Die Augen des Grafen blickten in die ihren.
„Ich bin überhaupt nicht enttäuscht”, antwortete er. „Ich bin nur erstaunt, und vielleicht sollte ich hinzufügen, auch erfreut. Kommen Sie, ich bringe Sie an Land. Wir können auch noch später darüber sprechen.”
„Ja, natürlich”, antwortete Melita und schaute auf ihr Gepäck, das neben ihr stand. Aber der Graf hatte schon mit dem Finger geschnippt, und wie aus dem Boden gestampft stand ein Träger vor ihnen.
Der Comte nahm ihr die Reisetasche ab, und dann folgte sie ihm zur Gangway. Kurz davor traf sie einen der Schiffsoffiziere, der sich besonders um sie gekümmert hatte.
„Auf Wiedersehen, Mr. Jarvis”, verabschiedete sie sich. „Ich möchte mich bedanken für die schöne Überfahrt. Und bitte richten Sie dem Kapitän meine Grüße aus.”
„Das werde ich gerne tun, Miss Cranleigh. Und ich wünsche Ihnen alles Gute auf dieser wunderbaren Insel.”
„Danke”, antwortete Melita und ging die Gangway hinunter. Als sie den Hafendamm erreicht hatte, sah sie sich um nach dem Grafen, der ihr folgte.
Dann warteten sie, bis ihr Gepäck, fünf große Truhen, vom Schiff zum Kai gebracht worden war.
„Ich hoffe, daß dies nicht zuviel