Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern
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Maecenas, atavis edite regibus, O et praesidi' et dulce decus meum: Sunt quos curriculo pulver' Olympicum collegisse iuvat; metaque fervidis evitata rotis palmaque nobilis Terrarum dominos evehit ad Deos. Hunc, si mobilium turba Quiritium certat tergeminis tollere honoribus; illum, si proprio condidit horreo quidquid de Libycis verritur areis. Gaudentem patrios findere sarculo agros, Attalicis condicionibus numquam demoveas, ut trabe Cypria Myrtoum pavidus nauta secet mare. Luctant' Icariis fluctibus Africum mercator metuens, oti' et oppidi laudat rura sui: mox reficit rates quassas, indocilis pauperiem pati. Est qui nec veteris pocula Massici, nec partem solido demere de die spernit; nunc viridi membra sub arbuto stratus, nunc ad aquae lene caput sacrae. Multos castra iuvat, et lituo tubae permixtus sonitus, bellaque matribus detestata. Manet sub Jove frigido venator, tenerae coniugis inmemor; seu visast catulis cerva fidelibus, seu rupit teretes Marsus aper plagas. Me doctar' hederae praemia frontium dis miscent superis: me gelidum nemus Nympharumque leves cum Satyris chori secernunt populo; si neque tibias Euterpe cohibet, nec Polyhymnia Lesboum refugit tendere barbiton. Quod si me Lyricis vatibus inseris, sublimi feriam sidera vertice. | Hoher Protektor und Freund, Edler von Gönnersheim, was doch alles der Mensch auf seiner Erde treibt! ... Dieser fegt auf dem Rad über die Rennbahn, und platzt der Gummischlauch nicht, geht er zuerst durchs Ziel. Welcher Tag für den Mann, wenn ihm das Comité die Medaille verleiht, Meisterschaft zuerkennt! Jenen wieder erfreut's, wenn ihn der Wähler Schar an das berühmte Büfett unseres Reichstags schickt. Andre, wenn der Kaffee prompt aus Brasilien kommt, Sack an Sack imposant in ihren Speichern steht. Der Agrarier, der jammernd sein Land bestellt, tauscht dir dennoch den Pflug mit der Couponscher' nicht, noch verlockst du ihn leicht, daß einem Dampfer er sich zur Überfahrt nach Mexiko anvertrau. Sieh den Kaufmann! Er schimpft auf Kolonialpolitik, wird Lokalpatriot, gründet Bazars und Klubs, aber bald wieder doch rüstet mit Schnaps und Blei neue Schiffe er nach Togo und Kamerun. N. N. schmollt, wie du weißt, perlenden Sekten nicht, noch auch, wenn ein Gelag früh im Kaffeehaus schließt; Sommers stärkt er sich dann durch eine Sprudelkur oder reist nach Tirol oder nach Helgoland. Andere wieder sind mit Leib und Seel Militärs, schmähn das faule Zivil, dem jeder Schuß ein Greul. Und wer jagt von Beruf oder aus Waidlust nur: Dessen Hitze vergißt Weibchen und Kinder oft, wenn sich etwan ein Hirsch in seinen Forst verläuft, oder Wild- oder Holz- Diebe zu fangen sind. Mich – der ja, wie du weißt, all diesem Treiben fern, - reiht mein Sammetbarett göttlicherm Kreise an, trennt vom Trubel der Welt meiner vier Wände Heim, zarter Träume ein Schloß, klingend von Scherz und Kuß. Bleibt die Muse nur treu, rundlich der Pegasus, deine Schatulle mein Hort, Glück meiner Wege Stern, sprich gelassen es aus: oh, welch ein Lyriker! Und vom Himmel herab nick ich, ein Gott zu dir |
I,9 – zur wortwörtlichen Übertragung dieser Horaz-Ode (carmen I,9)
Vides ut alta stet nive candidum Soracte, nec iam sustineant onussilvae laborantes, geluque flumina constiterint acuto: Dissolve frigus ligna super foco large reponens, atque benigniusdeprome quadrimum Sabina, o Thaliarche, merum diota. Permitte divis cetera: qui simul stravere ventos aequore fervidodeproeliantes, nec cupressi nec veteres agitantur orni. Quid sit futurum cras fuge quaerer' et quem fors dierum cumque dabit lucroadpone, nec dulces amores sperne puer neque tu choreas, donec virenti canities abest morosa. Nunc et campus et areaelenesque sub noctem susurri composita repetantur hora; nunc et latentis proditor intimo gratus puellae risus ab angulo,pignusque dereptum lacertis aut digito male pertinaci. | Du siehst, wie weiß, im glänzenden Schneegewand, der Kreuzberg steht, und wie der Viktoriaparktief eingeschneit, wie Spree und Panke Mäntel von Eis auf den Leib gezogen. Drum heize, Freundchen, spare die Kohlen nicht, und laß uns im behaglichen Stübchen dannaus schönem alten Rum – was meinst du? – einen urkräftigen Steifen brauen! Laß Pan die Welt verwalten, dem Wintersturm, der mit dem Lenzwind heulende Schlachten schlägt,gebieten! Beide werden schweigen, daß sich kein Zweig mehr am Baume rüttelt. Was kann dich kümmern, was dir das Morgen bringt, des Lebens freue jeglichen Tag dich neu,und walze froh mit süßen Mädchen draußen in Halensee oder Treptow, solang zu Tanz und Kuß du noch jung genug! Zum Zirkus wandre, sieh dir ein Lustspiel an!Vielleicht auch knüpf ein zart Verhältnis an in dem Dämmer der Gaslaterne! Und sitzt du dann bei Dressel beim Dejeuner und deine Kleine hält die Serviette vor –wie köstlich, wenn der scherzhaft Spröden endlich den Kuß du, den süßen, raubtest! |
I,11 – zur wortwörtlichen Übertragung dieser Horaz-Ode (carmen I,11)
Tu ne quaesieris, scire nefas, quem mihi, quem tibi finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios temptaris numeros. Ut melius, quidquid erit, pati, seu plures hiemes seu tribuit Iupiter ultimam, quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare Tyrrhenum: sapias, vina liques, et spatio brevi spem longam reseces. Dum loquimur, fugerit invida aetas: carpe diem, quam minimum credula postero! | Laß das Fragen doch sein! sorg dich doch nicht über den Tag hinaus! Martha! geh nicht mehr hin, bitte, zu der dummen Zigeunerin! Nimm dein Los, wie es fällt! Lieber Gott, ob dies Jahr das letzte ist, das beisammen uns sieht, oder ob wir alt wie Methusalem werden: sieh's doch nur ein: das, lieber Schatz, steht nicht in unsrer Macht. Amüsier dich, und laß Wein und Konfekt schmecken dir wie bisher! Seufzen macht mich nervös. Nun aber Schluß! All das ist Zeitverlust! Küssen Sie mich, m'amie! Heute ist heut! Après nous le déluge! |
I,20 – zur wortwörtlichen Übertragung dieser Horaz-Ode (carmen I,20)
Vile potabis modicis Sabinum cantharis, Graeca quod eg' ipse testa conditum levi, datus in theatrocum tibi plausus, clare Maecenas eques, ut paterni fluminis ripae simul et iocosa redderet laudes tibi Vaticanimontis imago. Caecub' et praelo domitam Caleno tu bibes uvam: mea nec Falernae temperant vites neque Formianipocula colles. | Während du im Frack vor der Rampe standest und von Beifallsstürmen das Haus erbebte, zog ich hier auf Flaschen ein schlichtes FäßchenMarca Italia. Teufel auch! es pfiff es der Spatz vom Dach ja! Und ich harrte nur noch auf Extrablätter mit den Lebensdaten und mit dem Bild desglücklichen Mannes. Trinkst wohl jetzt nicht mehr meinen sauren Tropfen, alter Schwede, pfeifst nun auf alles andere, als auf Vin sec, Monopol-Heidsick, Cliquot,Pommery-Greno! |
I,22 – zur wortwörtlichen Übertragung dieser Horaz-Ode (carmen I,22)
Integer vitae scelerisque purus non eget Mauris iaculis nequ' arcu, nec venenatis gravida sagittis,Fusce, pharetra, sive per Syrtes iter aestuosas, sive facturus per inhospitalem Caucasum vel quae loca fabulosuslambit Hydaspes. Namque me silva lupus
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