Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne Altenried
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Das Gewitter hielt Anita Söllner auf der Jausenstation fest, obwohl sie nach einer halben Stunde vergeblichen Wartens auf Lukas hatte heimgehen wollen. Sie hatte, wie die meisten Gäste, auf der Terrasse gesessen und ein Fruchteis mit Schlagrahm verzehrt. Immer wieder hatte sie nach dem Burschen Ausschau gehalten, der ihr so gut gefiel, daß sie ständig an ihn denken mußte.
Nun aber mußte sie mit den anderen ins Innere der Jausenstation flüchten und setzte sich an eins der breiten Fenster. Ringsum schienen zackige Blitze den Berg einzuzäunen. Es donnerte und krachte, als würde die Welt untergehen. Der Himmel öffnete Schleusentore, als kündige sich eine zweite Sintflut an.
Anita fuhr erschrocken zurück, als der stürmische Wind Regen gegen die Scheibe peitschte. Er fegte die Decken von den Tischen, die man nicht rechtzeitig hatte hereinbringen können. Schindeln flogen vom Dach herab; Bäume bogen sich bis zur Erde hernieder. Völlig durchnäßte Wanderer trafen ein. Bald herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Die Luft wurde zum Zerschneiden dick und dämpfig. Anita meinte ersticken zu müssen. Mit einer herrischen Geste winkte sie das blutjunge Madl herbei, das servierte. Doch auch darauf mußte sie lange warten, denn andere Gäste hatten es noch eiliger.
Ungeduldig blickte Anita ins Freie. Sobald der Regen nachließ, Blitze und Donner sich entfernten, wollte sie aufbrechen. Sie war Lukas’ wegen tief enttäuscht, denn sie hatte sich eingebildet, daß er sie ebensogern sah wie sie ihn. In Gedanken machte sie ihm Vorwürfe, ohne sich dessen bewußt zu sein, daß er sie gar nicht hätte benachrichtigen oder dieses Rendezvous verlegen können. Ein dummer Zufall hatte es nämlich gefügt, daß sie voneinander nicht mehr als nur den Vornamen wußten.
So stimmte der Aufruhr in ihrem Innern beinahe mit dem der Natur draußen überein. Sie war mit einemmal mißgestimmt, überhörte die scherzhafte Frage eines Gastes und gab schließlich ein lächerlich geringes Trinkgeld.
Im Eingang der Jausenstation wartete Anita dann darauf, daß es weniger stark regnete. Als sie im Fortgehen die ersten Regentropfen spürte, zog sie unwillkürlich Kopf und Schultern ein.
Eine dreistündige Wanderung hatte sie jetzt vor sich. Zusammen mit dem Weg hierher, ein Stück mit der Kabinenbahn, und dem vergeblichen Warten auf Lukas machte das siebeneinhalb Stunden. Sie ärgerte sich, weil sie so viel Zeit für einen Burschen verplemperte, der zwar gut tanzte und eine gewisse Ausstrahlung hatte, sich aber am Rauhen Weiher mehr um eine hinkende Frau als um sie, Anita, gekümmert hatte!
So grübelnd achtete Anita kaum auf den Weg. Sie platschte durch Pfützen und durchschritt wadenhohes regennasses Gras. Es regnete weiterhin, jedoch weniger heftig. Selbst die Abkürzung durch die Schlucht würde sie, Anita, nicht davor bewahren, bis auf die Haut naß zu werden. Auch das war ihr gleichgültig, da sie allein war und Lukas nicht wiedergesehen hatte.
Als wollte Anita, einem gereizten Stier gleich, alles auf die Hörner nehmen, so ging sie dahin, am Rand einer Wiese entlang und dann eine Weile dem Lauf eines Baches folgend.
Sie gelangte auf eine kleine Lichtung und konnte von ihr aus durch eine Schneise das hellgraue Dach jenes Jägerhauses sehen, das sie ein paarmal heimlich und aus Rachsucht aufgesucht hatte.
Anita blieb stehen und blickte düster hinab. Plötzlich änderte sie ihr Vorhaben, ging nicht sofort heimzu, sondern die Schneise hinunter.
Dabei mußte sie sich zwischen nassen Sträuchern und dürren Ästen einen Weg bahnen und hatte hin und wieder Mühe, das Gleichgewicht zu halten, da es sehr steil bergab ging. Schließlich war das Jägerhaus nur noch zirka zehn Meter von ihr entfernt. Feiner Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein. Ein Habicht segelte darüber hin.
Anita blieb erneut stehen und fragte sich, was sie hier eigentlich wollte. Dem Jager wieder eins auswischen – oder am End von diesem ertappt werden? Sie konnte an der Vorderfront des Jägerhauses entlangsehen. Dessen Tür öffnete sich jetzt, heraus trat ein Mann in grüner Hose und gleichfarbigem Oberhemd.
Der Jager! durchzuckte es Anita. Sie hielt kurz den Atem an und fixierte den Mann scharf. Zu spät duckte er sich vor dem Querbalken des Türrahmens. Sein Fluch war allzu deutlich zu hören.
Anita empfand Schadenfreude und bedauerte, daß er nicht mehr als eine Beule davontragen würde. Kein noch so starker Schmerz, so sagte sie sich, kommt dem gleich, den Vater und ich Leos wegen ertragen müssen.
Der Jäger rieb sich die Stirn, blickte gen Himmel und ging dann dicht am Haus entlang bis zum Schuppen. Zum erstenmal sah Anita ihn von nahem. Sie wunderte sich, weil sie sich den Mann ganz anders vorgestellt hatte – etwas größer und dunkelhaariger. Wie war es möglich, daß Leo ihm unterlegen gewesen war, sich von ihm hatte erschießen lassen?
Der Jäger kam jetzt wieder zum Vorschein und trug eine gebogene Stange. Diese schob er in die untere Öffnung des Regenrohres und bewegte sie viel zu hastig. Es knackte mit einemmal; das Rohr brach in der Höhe seines Kopfes – und ein Wasserschwall ergoß sich über den erneut Fluchenden.
Anita mußte lachen und verriet damit ihre Anwesenheit. Keine Sekunde lang wirkte sie verlegen oder gar ängstlich. Da sie in jenem Mann den Mörder ihres Bruders vermutete, ging sie entschlossen auf ihn zu und bohrte ihren Blick dolchstoßartig in den seinen.
»Hallo! Was hat der Regen mir denn da an Land gespült?« rief der Jäger sichtlich frohüberrascht aus und wollte sie unter das schützende Dach ziehen.
Anita sprang zurück und lachte wieder, überlaut und voller Hohn. »Ich hätt’s lieber gesehen, wenn das Unwetter dich mit fortgeschwemmt hätt!« erwiderte sie.
Sein Gesicht drückte große Verblüffung und Nichtverstehen aus. Er machte eine Bewegung zur Tür hin und sagte: »Komm herein, Madl, und erzähl, warum du mir so was Böses wünschst.«
»Nie werd ich das Haus eines Mörders betreten!« schrie sie, weil sie es nicht faßte, daß dieser Mensch auch noch scherzen und lächeln konnte, nachdem er auf Leo geschossen und ihn getötet hatte.
Der Jäger stutzte, wurde jäh ernst. Er dachte an die Vertretung, die er für den Kronseder zu machen hatte, und glaubte plötzlich, auf einer besseren Spur zu sein als Joseph Eiferer.
»Da scheint eine Verwechslung vorzuliegen«, meinte er nun und tat ganz harmlos. »Komm herein und wärm dich auf. Ich bin kein Mörder net, das schwör ich dir!«
»Hast es geschickt verstanden, deine Spuren zu verwischen«, sagte Anita mit erstickter Stimme. »Ich werd dich net eher in Ruh lassen, als bis du dich stellst. Nur dein volles Geständnis kann dem Toten die ewige Ruh geben. Dazu bring ich dich schon mit der Zeit, du – du – Schuft!«
»Holla! Nun gehst aber zu weit!« fuhr er sie an und hob drohend die gebogene Stange. Er war pitschnaß vom unerwarteten Wasserschwall, schien sich jedoch nicht bewußt zu sein, wie belustigend das auf Anita wirkte. »Nenn mir deinen Namen!« verlangte er. »Ich laß mich net beleidigen – schon gar net anonym!«
»Du weißt genau, wer ich bin. Die Ähnlichkeit wirst gleich erkannt haben!« schrie sie außer sich und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht.
Der Jäger schleuderte die Stange von sich, um das Madl zu ergreifen und ins Haus zu schaffen. Er bekam einen Tritt vors Schienbein, jaulte auf wie ein Hund und hüpfte auf einem Bein. Anita eilte davon; sie hatte plötzlich Angst, er könnte sein Gewehr holen und auf sie schießen. Immerhin