Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne Altenried

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Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried Wilderer und Jäger Staffel

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auf dem großen Misthaufen hatte ihm die Sprache verschlagen. Dagegen war das Böse in ihm um so beredter und drängender.

      *

      Anita Söllner kehrte an diesem Abend ziemlich spät heim. Ihr Vater empfing sie mit vorwurfsvollem Schweigen, deutete lediglich mit dem Pfeifenstiel auf die Standuhr im Eck. Er blickte Anita so lange ernst an, bis sie verlegen wurde und sich wie von Röntgenstrahlen durchforscht fühlte.

      »Was starrst denn so, Vater?« Mit dieser Frage griff sie ihn an. »Ich bin doch kein unmündiges Kindl mehr, daß ich beim Dunkelwerden zu Haus oder gar mit den Hühnern schlafen gehen müßt!«

      »Ein Madl, das auf sich hält, sollt sich aber ähnlich verhalten«, gab er in ruhigem Ton zurück. »Dabei geht’s mir ebenso um dich selber wie um deinen guten Ruf. Wo hast nur deinen Verstand, Anita? Es hätt dir doch längst auffallen müssen, daß du dich durch deine vergebliche Suche nur lächerlich machst!«

      »Du – du – weißt…«, stammelte sie, erschrocken die Augen aufreißend.

      Der Söllner nickte bejahend und zog stärker an seiner Pfeife. »Willst dich mir net endlich anvertrauen, Madl?« fragte er. »So lang ist’s doch auch wieder net her, daß ich die eigenen Jugendtorheiten schon vergessen hab und für die anderer kein Verständnis mehr aufbringen könnt.«

      Das schlug wie ein Blitz bei Anita ein. Sie blickte ungläubig zu ihrem Vater hin. Er saß auf seinem Stammplatz beim Herrgottswinkel, rauchte und hatte die alte Bibel der Söllner aufgeschlagen vor sich auf dem Tisch liegen.

      »Leo ist nun net mehr bei uns«, fuhr er fort. »Da müßtest du es doch verstehen, daß ich all meine Sorge und väterlichen Gefühle auf dich konzentrier.«

      Anita rang nach Luft, als hätte der eilige Heimweg sie atemlos gemacht. Noch war sie nicht bereit, der milden Stimmung nachzugeben, die er anstrebte. Zu lange war er sehr streng, unnachgiebig und gegen sie gewesen.

      »In letzter Zeit hast dich aber mehr auf den Bertrammer konzentriert, Vater«, sagte sie voller Trotz.

      »Jetzt nimmer, Anita. Vor Stunden noch hab ich ihm deutlich klargemacht, wie ich zu seinen Plänen steh. Ob du’s glaubst oder net – er hat mir im wahrsten Sinne des Wortes zu mächtig gestunken!« Der Söllner nahm die Pfeife aus dem Mund und sah grinsend darauf nieder. Im Geiste hatte er den Bertrammer wieder vor sich, wie er auf dem Mist lag und mit den Händen Halt suchend um sich grapschte.

      »Du willst ihn net mehr zum Schwiegersohn?« fragte Anita und blickte zweifelnd.

      »Nein! Geld allein macht eh net glücklich. Zu einer harmonischen Eh gehören zwei, die sich einig sind und auch innerlich zueinander streben«, antwortete der Söllner mit feierlichem Ernst.

      Anita stieß den Atem so heftig aus, als hätte sie ihn unerträglich lange anhalten müssen. In diesem Augenblick fiel ihr eine Zentnerlast von der Seele. Was ihr Geheimnis hatte bleiben sollen, sprach sie nun im Überschwang der Gefühle aus.

      »Vater, ich hab mich verliebt!«

      »Ich weiß – ich weiß… Er heißt Lukas und kann wie kein anderer tanzen.« Jetzt schmunzelte der Söllner und nickte seiner verdutzt dreinschauenden Tochter zu. »Ich bin zwar um vieles älter und mag dir oft als zu streng erschienen sein«, sagte er, »aber ich bin trotz Sorge und Kummer um Leo net für das blind und taub geworden, was um mich herum vorgeht. Seit jenem Tanzabend kommst mir seltsam verändert vor, Anita. Manchmal wirkst arg verträumt. Du scheinst diesen Lukas tatsächlich gern zu haben. Alles spricht dafür. Ich wär ein Rabenvater, würd ich – mich der Liebe verschließen, die dich blitzartig getroffen zu haben scheint.«

      Im Gesicht des Madls hatte es ein paarmal gezuckt. Die dunklen Augen füllten sich mit Tränen. Der Söllner sah es und streckte schweigend die Hand nach seiner Tochter aus. Doch diese stand da, als hätte sein Wissen um ihre Liebe sie gelähmt.

      »Was soll ich tun, Vater?« fragte sie nach einer Weile kläglich.

      »Gar nix«, lautete seine Antwort. »Wenn dieser Lukas dir bestimmt ist, kriegst ihn auch – ganz gleich, ob du ihn verzweifelt suchst oder vor ihm davonläufst.«

      »Ich fürcht, es ist ihm was zugestoßen, Vater!« stieß Anita hervor. Sie setzte sich nun neben ihn und schmiegte sich an ihn, weil sie die Nähe eines Menschen spüren wollte, der sie verstand, der ihr vielleicht helfen würde.

      »Erzähl mir alles der Reih nach«, verlangte der Söllner. Er legte die Pfeife beiseite und nahm seine Tochter in den Arm. Auch ihm tat es gut, jemandem körpernah zu sein, der zu ihm gehörte.

      Stockend und von Schluchzern unterbrochen, so erstattete Anita nun Bericht. Als sie aufweinend schwieg, meinte ihr Vater: »Nach dem, was du grad erzählt hast, scheint mir dieser Lukas keiner von denen zu sein, die nur auf ein Abenteuer aus sind. Er hat spontan jener hinkenden Frau geholfen und sich dir, wie du sagst, in keiner Weis aufgedrängt. Vielleicht ist tatsächlich etwas geschehen, das es ihm unmöglich gemacht hat, die Verabredung auf der Jausenstation einzuhalten. Wart ab, eh daß du ihm ernsthaft grollst. Vertrau auf Gott, mein Kind!«

      Anita nickte, fühlte sich jedoch wenig getröstet. Sie hatte ihre Mutter früh verloren und ihren Bruder durch einen schrecklichen Tod. Es war nicht leicht, da noch an Gottes Güte und Gerechtigkeit zu glauben.

      Hannes Bertrammer hatte sich zwar vom äußeren Schmutz und Gestank befreien können, nicht aber von dem flammenden Zorn auf den Söllner. Daß der arme Nachbar sich ihm gegenüber so etwas erlaubt hatte, war nur dadurch gutzumachen, daß man ihm das Lästermaul ein für allemal stopfte!

      Ja, der Bertrammer sann allen Ernstes darauf, wie er den Vater des Burschen aus dem Weg schaffen könnte, der ihm ebenso zuwider wie lästig gewesen war. Nun bedeutete auch der Söllner-Bauer ein Hindernis auf dem Weg zu Anita. Und Hindernisse räumte man halt fort. Da die eine Tat bisher unaufgeklärt geblieben war, mußte es bei der zweiten ähnlich gut ausgehen, wenn er, Hannes, sich entsprechend vorsah und absicherte. Vielleicht konnte man auch sie dem Jager zuschieben, der sich anscheinend nicht richtig wehren zu können schien.

      Wie ein Sturm jagte es jedesmal durch Hannes, sobald er sich das schmachvolle Erlebnis beim Söllner vergegenwärtigte. Dachte er daran, daß Vater und Tochter nun gemeinsam über ihn spotteten, hämmerte ihm das Blut bis in die Schläfen hinauf.

      Es gab bei ihm keinen guten Gedanken mehr. Auf einem Misthaufen gelandet zu sein, nachdem er seine nachbarschaftliche Hilfe angeboten hatte, das brannte wie eine offene Wunde in ihm, in die täglich aufs neue ätzendes Gift tropfte.

      Der Bertrammer-Hannes wußte einiges von den Söllnern und fühlte sich ihnen überlegen. Da er bisher Anitas wegen ständig wie eine Spinne im Netz gelauert hatte, kannte er auch die üblen Streiche, die sie dem vermeintlichen Mörder ihres Bruders gespielt hatte. Oft hatte er sogar zugesehen, wenn sie sich ans Jägerhaus schlich, und es boshaft gelächelt geduldet. Daß es sich bei jenem Jäger um denselben Burschen handelte, für den Anita seit der Tanzerei Feuer und Flamme zu sein schien, ahnte Hannes nicht.

      Er beschloß, diese Streiche etwas eindrucksvoller fortzusetzen. Vielleicht zeigte sich Anita ihm gegenüber dann dankbarer und zugänglicher. Hatte er sie erst einmal so weit, war es bis zur Hochzeit mit ihr gewiß nur ein Katzensprung.

      Und so fand Lukas’ Vertreter eines Morgens ein todwundes Kitz vor der Bank am Jägerhaus. Zorn schoß in ihm hoch, als er feststellte, welch unweidmännische Tat hier vollbracht worden war. Fast verdarb es ihm die Freude, hier heroben für seinen Kollegen einspringen zu können.

      Bevor

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