Butler Parker 142 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Und die Aussichten dagegen miserabel«, meinte Rander, »diese Männer werden uns an der Nase herumführen, falls wir’s tatsächlich mit Transvestiten zu tun haben.«
Kathy Porter und Mike Rander ließen sich vom Geschehen auf der Bühne mitreißen. Die Damen, die Männer waren, parodierten internationale Busenstars, boten eigene Nummern, zogen alle Register ihres Könnens und ernteten Beifallsstürme. Die Zuschauer waren begeistert und vergaßen die sprichwörtliche britische Gelassenheit.
»Als wirkliche Frau kommt man sich dagegen direkt ungelenk vor«, stellte Kathy Porter fest.
»Einspruch«, meinte Rander lächelnd. Zwischen ihm und Kathy herrschte ein sehr enges Verhältnis, was Lady Simpson übrigens mehr als wohlwollend registrierte und noch zusätzlich förderte. Sie hoffte, daß die ›Kinder‹, wie sie sie nannte, eines Tages heirateten.
»Sie rutschen dort oben auch nicht mal ins Geschmacklose ab«, staunte Kathy Porter, »wir werden es tatsächlich sehr schwer haben ... Ist die Truppe bekannt, Mike?«
»Sie ist absolute Spitze, Kathy«, antwortete Mike Rander, »meiner Ansicht nach haben die Künstler mit den beiden Raubzügen nicht die Spur zu tun.«
»Gibt es viele solcher Trupps?«
»Erstaunlich viele«, wußte der Anwalt zu sagen, »es gibt daher natürlich auch Klassenunterschiede.«
»Aber der Kreis der Transvestiten ist doch überschaubar, oder?«
»Erfreulicherweise, Kathy. Ich bin sicher, daß Parker bereits seine Verbindungen spielen läßt. Nach dem Mordversuch weiß er, daß Eile geboten ist.«
»Glauben Sie, daß auch wir in Gefahr schweben, Mike?«
»Und ob, Kathy! Die Juwelenräuber glauben, daß Parker irgendeine Entdeckung gemacht hat. Sie müssen natürlich annehmen, daß er uns bereits informiert hat.«
»Jede Frau hier könnte eine der Täterinnen sein, Mike.« Kathy Porter sah sich im Zuschauerraum um.
»Scheußliche Vorstellung.« Rander lächelte knapp. »Daran werde ich mich erst noch gewöhnen müssen.«
»Ich denke gerade an die geraubten Steine und an den Schmuck, Mike. Man wird das alles doch absetzen müssen, oder?«
»Hier in London ganz sicher nicht«, gab der Anwalt zurück, »meiner Schätzung nach wird man die Beute von der Insel schmuggeln und drüben auf dem Kontinent zu Geld machen.«
Er sah kurz zur Seite, als ein Kellner erschien und sich verbeugte. Er reichte dazu einen Brief an den Anwalt weiter.
»Für mich?« fragte Mike Rander.
»Für Sie, Sir«, bestätigte der Mann, »eine Dame drüben an der Bar hat ihn mir gegeben.«
Mike Rander nahm den Brief entgegen und wandte sich um. Er beobachtete die Bar weit hinten im Raum, konnte jedoch nichts feststellen, was hätte Verdacht erregt. Vor dem langen Bartresen saßen und standen etliche Damen und Herren, die von dort aus die Bühnenshow verfolgten.
»Wahrscheinlich eine Warnung, Mike«, sagte Kathy Porter, als Rander den Brief in der Hand wog.
»Werden wir gleich wissen, Kathy.« Er öffnete den nur oberflächlich verschlossenen Umschlag und zog einen Bogen hervor. Er überflog die wenigen Zeilen und reichte das Blatt dann an Kathy Porter weiter.
»Hoffentlich kommen Sie gesund nach Hause«, las sie halblaut, »Kugeln sind schnell und tödlich.«
»Stimmt auf der ganzen Linie«, sagte Mike Rander, »ich denke, wir sollten verdammt auf der Hut sein, Kathy.«
*
Parker wußte seit einigen Minuten, daß sein hochbeiniges Monstrum verfolgt wurde.
Er saß am Steuer seines Privatwagens, einem ehemaligen Londoner Taxi, das sich durch hohe und eckige Formen auszeichnete. Der Wagen war nach Parkers Vorstellungen gründlich überarbeitet worden, was gewisse technische Dinge betraf, er war eigentlich zu einer Trickkiste auf Rädern geworden, wie Eingeweihte und Betroffene inzwischen wußten. Und immer wieder nahm Josuah Parker Korrekturen an der Ausstattung vor, um von der Technik seiner Gegner nicht überholt zu werden.
Er war nicht allein im Wagen. Im Fond saß seine Herrin, die sich an diesem nächtlichen Ausflug unbedingt beteiligen wollte. Sie hatte von Parker inzwischen erfahren, daß ihnen ein Morris folgte, in dem offenbar zwei Frauen saßen. Die ältere Dame machte daher einen recht animierten Eindruck. Sie hoffte, daß die Verfolgerinnen, die keine Damen waren, versuchen würden, sich mit ihr anzulegen. Immer wieder warf sie einen prüfenden Blick durch das Rückfenster des Wagens.
»Ich werde bald zuschlagen können, Mr. Parker«, sagte sie optimistisch, »sorgen Sie gefälligst dafür, daß die beiden Frauen nicht abgehängt werden.«
»Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen«, antwortete der Butler höflich, »darf ich übrigens darauf verweisen, daß diese Beschattung ungewöhnlich dilettantisch vorgenommen wird?«
»Ich habe nichts dagegen«, meinte die Detektivin und prüfte die Einsatzbereitschaft ihres Pompadours. In diesem perlenbestickten Handbeutel, wie ihn die Damen der Jahrhundertwende trugen, befand sich der sogenannte ›Glücksbringer‹ der Lady. Er bestand aus einem Pferdehufeisen, das nur oberflächlich in Schaumstoff gehüllt war. In der nervigen Hand Agatha Simpsons, die gern und schlecht Golf spielte, war dieser Pompadour eine beachtliche Waffe, zumal sie es verstand, diesen Handbeutel auch über mittlere Entfernungen hinweg auf ein Ziel zu schleudern.
Parker sah in den Außenspiegel. Der Morris hatte sich wieder genähert und bemühte sich gerade, einen Wagen zu überholen. Dies geschah in einer gefährlichen Mischung aus Zögern und unnötiger Entschlossenheit. Der Butler konnte sich kaum vorstellen, daß die Insassen des verfolgenden Wagens glaubten, nicht entdeckt zu werden. Ja, legten sie es vielleicht sogar aus bestimmten Gründen darauf an, gesehen zu werden?
»Wann kann ich mir diese beiden Dämchen endlich kaufen, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Simpson ungeduldig.
»Myladys Einverständnis voraussetzend, könnte man es in der nächsten Seitenstraße zu einer Begegnung kommen lassen«, erwiderte Josuah Parker in seiner typischen Art der Formulierung, »darf man daran erinnern, daß die beiden angeblichen Mitglieder der Heilsarmee sofort schossen?«
»Ich will doch hoffen, daß Sie etwas dagegen unternehmen, Mr. Parker«, antwortete Lady Agatha grimmig, »McWarden wird sich schwarz ärgern, wenn ich ihm morgen die Schmuckräuber serviere.«
Den Hinweis auf etwaige Schüsse hatte Lady Agatha schon wieder vergessen. Für sie galt einzig und allein, den Chief-Superintendent ärgern zu können. Ihr Verhältnis zu ihm und umgekehrt war eine Art Haßliebe. Man brauchte sich gegenseitig, gestand es sich aber natürlich nicht ein.
Josuah Parker lenkte sein hochbeiniges Monstrum inzwischen in eine stille Seitenstraße und setzte noch in der Kurve eine kleine Dosis Gleitöl auf den Asphalt. Es handelte sich wirklich nur um eine geringe Menge, doch sie reichte seiner Erfahrung nach vollkommen aus, einen unvorbereiteten Fahrer aus dem Konzept zu bringen.
Er hatte sich wieder mal nicht getäuscht.