An der weißen Grenze. Джек Лондон

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An der weißen Grenze - Джек Лондон

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Danach ritten sie bis Sonnenuntergang, eine Strecke von fünfzig englischen Meilen.

      Fronas Großvater stammte aus der zähen Waliser Rasse und war in den ersten Tagen Ohios aus dem geschäftigen Osten gekommen. Seine Mutter war aus altem Nomadengeschlecht, ein Kind irischer Auswanderer, die sich endlich in Ontario niedergelassen hatten.

      Ehe Jacob Welse noch richtig auf den Beinen stehen konnte, hatte er schon tausend Meilen Wildnis zu Pferde durchstreift und einen Winter hoch im Norden, in einer Jagdhütte an der Quelle des Roten Flusses, bestanden. Seine erste Fußbekleidung waren Mokassins gewesen, sein erster Leckerbissen Elchtalg. Für ihn war die Welt eine große, schneebedeckte Ebene, in der Indianer und weiße Jäger wie sein Vater streiften. Ein Haufen von Zelten aus gegerbten Tierhäuten war für ihn der Begriff »Stadt«, und ein »Faktor«, der Leiter einer kleinen Handelsstation, war für ihn der Inbegriff aller Allmacht. Flüsse und Seen dienten den Menschen als Verkehrswege, die Berge waren Verkehrshindernisse. Manchmal starben Menschen, aber ihr Fleisch taugte nicht zum Essen, und ihre Haut war wertlos. Dagegen war Pelzwerk kostbar, für einige Packen davon konnte man die ganze Welt kaufen. Tiere existierten, damit die Menschen sie jagten und ihnen das Fell abzogen. Wozu die Menschen da waren, wußte er nicht, es sei denn, weil der Faktor sie brauchte.

      Als er älter wurde, änderten sich diese Begriffe allmählich, aber jeder neue Eindruck verursachte ihm Furcht und Verwunderung. Erst als er erwachsen war und viele Städte der Vereinigten Staaten durchwandert hatte, schwand der Ausdruck kindlicher Verwunderung aus seinen Augen. Dann wurde sein Blick scharf und durchdringend.

      Bei seiner ersten Berührung mit Städtern hatte der kleine Jacob Verachtung gelernt. Das waren weibische Menschen, die sich oft verirrten und keinen Kompaß im Schädel hatten. Sie erkälteten sich leicht und hatten im Dunklen Angst. Deshalb schliefen sie unter Dächern und verschlossen nachts ihre Türen. Die Frauen waren hübsch, aber schwächlich. Bei einer ganzen Tagesreise auf Schneeschuhen kamen sie nicht weit. Alle redeten sie von morgens bis abends, sie redeten viel zuviel. Deshalb logen sie auch und schafften nichts mit ihren Händen.

      Mit den Jahren merkte Jacob Welse, obwohl er meist in Wäldern und Steppen hauste, daß die Städte doch nicht ganz so übel waren. Jedenfalls konnte man in einer Stadt leben und trotzdem ein Mann sein. Er war an den Kampf mit der Natur gewöhnt, jetzt reizte ihn der wirtschaftliche Kampf im sozialen Leben. Die Herren der Märkte und Börsen erschreckten ihn, ohne daß ihr Glanz ihn blendete. Er studierte ihre Methoden und kam hinter das Geheimnis ihrer Macht. Endlich, als blühend junger Mannskerl, nahm er ein Stadtmädchen zur Frau.

      Trotz aller Rücksicht auf die bürgerliche Welt rollte das Wanderblut weiter in seinen Adern, so daß er eines Tages am Strand von Dyea landete, wo er, am Rande des Waldes, das große Blockhaus erbaute und seine Faktorei errichtete. Hier fand er den richtigen Abstand zu den Dingen und erkannte, daß die Phänomene der Gesellschaft dieselben sind wie die der Natur. Hier wie dort kam alles auf Kampf an. Wettbewerb war das Geheimnis der Schöpfung, die Welt war für den Starken geschaffen. Nur der Starke konnte sie besitzen. Lesen und Schreiben hatte Jacob Welse bei seiner Mutter im Schein des Lagerfeuers gelernt. Dann hatte er Bücher jeglicher Art durchschmökert, ohne sich das Hirn zu überlasten. Was er von der ersten bis zur letzten Seite kannte, war einzig das Buch des Lebens. Er las es mit der Nüchternheit, die man in schwerer Arbeit gewinnt, und mit einer klaren Anschauung alles Irdischen.

      Eines Tages hatte Jacob Welse den Chilcoot überschritten und war in unbekannte Weiten verschwunden. Ein Jahr darauf erschien er bei den russischen Missionen, die um die Mündung des Yukon herum am Beringsmeer lagen. Dreitausend Meilen weit war er einen Strom hinabgereist, hatte viel gesehen und einen großen Traum geträumt. Er sprach nicht davon, er machte sich an die Arbeit, und eines schönen Tages konnte man einen gebrechlichen Raddampfer bei Fort Yukon sehen, der seinen Dampfpfiff in die Mitternachtssonne schrie. Das war sein Anfang gewesen, Dampfer um Dampfer, Unternehmen um Unternehmen kam hinzu. Auf tausend Meilen rings errichtete er an den Strömen und ihren Nebenflüssen Speicher und Faktoreien. Er zwang dem Eingeborenen die Axt des weißen Mannes in die Hand, und bald erhoben sich in jedem Dorf und alle zwanzig Meilen zwischen den Dörfern lange Brennholzstapel für seine Dampfkessel. Später errichtete er auf einer Insel in der Mündung des Yukon, also fast schon im Beringsmeer, seine größte Faktorei, und bald pflügten seine Ozeandampfer den nördlichen Pazifik.

      In Dutzenden von Filialen, bis San Franzisko hinunter, saßen seine Angestellten und besorgten nach telegraphischen Orders seine großen Geschäfte.

      Früher hatte Hunger immer wieder die Menschen vertrieben, die ins Land kamen, jetzt aber war Jacob Welse da mit seinen Proviantläden. So konnten sie auch den Winter über trotz aller Kälte bleiben und im gefrorenen Schlamm nach Gold suchen. Er ermutigte, versorgte sie, gab ihnen Kredit. Aus einem Speicher und einem Laden, die er irgendwo in die Wildnis gelegt hatte, wurde in wenig Jahren eine Stadt. Unermüdlich, unbezwinglich, war er überall zugleich und tat alles, erschloß neue Flußläufe und mit den neuen Flußläufen neue Provinzen. Die großen Speditionsfirmen mußten ihm Frachtermäßigung gewähren; mit allen Mammut-Unternehmern der Welt stand er in Verbindung. Er verkaufte pfundweise Mehl und Tabak, einzelne Decken, einzelne Tabakpfeifen, zugleich erbaute er Industrieanlagen, ließ Bauplätze in Hunderten von Hektaren vermessen, eroberte Kupfer-, Eisen- und Kohlengruben.

      Er trug das Land auf seinen Schultern, er allein leistete alle öffentliche Arbeit dieses Landes. Jede Unze Goldstaub ging durch seine Hände, jede Postkarte, jeder Kreditbrief. Er besorgte alle Bank- und Börsentransaktionen, den Postverkehr, die Postverteilung. Er jagte die Konkurrenz aus dem Land, ein Schrecken der Raubbau treibenden Kapitalisten; er bluffte kampfbereite Trusts. Es war manchmal ein hartnäckiges Ringen, aber immer fand er den Bluff, der seine Gegner vernichtete. Bei alledem fand er Zeit, an seine mutterlose Tochter zu denken, sie zu lieben und für eine Erziehung zu sorgen, die seiner Stellung entsprach.

      Zehntes Kapitel

      Jacob Welse half seinem Gast in den Pelz und sprach beim Abschiednehmen:

      »Dann sind wir uns also einig, Kapitän, daß wir den Ernst der Situation energisch übertreiben wollen! Sie ist ernst genug; wir zwei wollen verhindern, daß alles noch schlimmer wird. Sie und ich, wir sind beide schon mit Hungersnöten fertig geworden; man muß der Gefahr nur rechtzeitig ins Auge sehen. Die Leute sollen Angst kriegen, jetzt schon, nicht erst, wenn es zu spät ist. Sorgen Sie dafür, daß fünftausend Mann Dawson verlassen, lassen Sie diese Fünftausend weit und breit von der drohenden Hungersnot erzählen, damit verhindern wir andere Fünftausend, über das Eis zu uns herüberzukommen.«

      »Sie können mit der Hilfe der Polizei rechnen, Herr Welse.«

      Der Kapitän war ein untersetzter Mann mit ergrauenden Haaren und militärischer Haltung.

      »Sie haben es ja schon so weit gebracht, daß die Chechaquos ihre Ausrüstung verkaufen und sich nach Hunden umsehen. Sobald das Eis trägt, haben wir eine richtige Auswanderung! Wer jetzt seinen Proviant verkauft und fortzieht, macht uns das Leben um einen leeren Magen leichter und füttert zugleich einen Mann, der hierbleibt. Wann geht die ›Laura‹ ab?«

      »Heut morgen mit dreihundert Mann an Bord! Ich wollte, es wären dreitausend!«

      »Gott erhöre Ihr Gebet! Im übrigen, wann kommt Ihre Tochter an?«

      Bei diesem Thema wurden Jacob Welses Augen warm.

      »Sie kann jede Stunde eintreffen. Wenn sie erst da ist, müssen Sie oft zum Essen zu uns kommen und ein paar nette Jungens aus den Baracken mitbringen. Ich kenne nicht all die Namen, aber sagen Sie jedem, den Sie einführen wollen, daß die Einladung von mir persönlich komme. Ich hatte ja nie viel Zeit für Gesellschaft, aber sorgen Sie ein bißchen dafür, daß das Mädel sich amüsiert. Sie kommt geradeswegs aus den Staaten und aus London und soll sich hier nicht ganz vereinsamt fühlen.«

      Die

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