Ein Winter auf Mallorca. George Sand
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Der Erde fehlt Dünger, und trotz aller Loblieder der Mallorquiner auf ihre Kunst, sie zu bestellen, glaube ich, dass die Algen, die sie benutzen, ein kärglicher Dung sind und die Felder weit davon entfernt, so viel abzuwerfen, wie sie es unter einem solchen Himmel eigentlich müssten. Ich betrachtete aufmerksam diesen Weizen, den zu essen sich die Bewohner nicht für würdig halten: Es ist genau derselbe wie in unseren zentralen Provinzen, unsere Bauern nennen ihn den weißen Weizen oder spanischen Weizen; bei uns ist er genauso schön, trotz des unterschiedlichen Klimas. Derjenige aus Mallorca müsste jedoch von höherer Qualität sein als der, den wir unseren so harten Wintern und wechselhaften Frühjahren abringen. Und dabei ist auch unsere Landwirtschaft noch recht barbarisch, wir haben in dieser Hinsicht noch viel zu lernen, aber der französische Landwirt ist von einer Ausdauer und Energie, auf die der Mallorquiner wie auf Hektik ohne Sinn und Verstand herabblicken würde.
Feigen, Oliven, Mandeln und Orangen gibt es auf Mallorca im Überfluss; mangels Wegen im Landesinneren ist dieser Handel allerdings weit davon entfernt, die nötige Ausweitung zu haben. Fünfhundert Orangen werden vor Ort für ungefähr drei Francs verkauft. Aber um diese sperrige Fracht von der Mitte des Landes mit Maultieren an die Küste zu bringen, muss man fast ebenso viel bezahlen wie für die Ware. In Anbetracht dieser Tatsache wird der Orangenanbau im Landesinneren vernachlässigt. Nur im Sollertal und in der Nähe der Buchten, wo unsere kleinen Boote Ladung aufnehmen, wachsen die Orangenbäume zuhauf. Das könnten sie jedoch überall, und in unserem Gebirge von Valldemosa, einer der kältesten Gegenden der Insel, haben wir wunderbare Zitronen und Orangen, auch wenn sie später kommen als diejenigen des Tals. In La Granja, einer anderen Berggegend, haben wir Limonen groß wie Köpfe geerntet. Es scheint mir, dass ganz Frankreich mit den herrlichen Früchten dieser Insel versorgt werden könnte, und dies zum gleichen Preis wie für die schrecklichen Orangen, die wir aus Hyères oder von der Küste bei Genua bekommen. Dieser Handel, der auf Mallorca so gerühmt wird, wird also wie auch das Übrige durch eine unglaubliche Nachlässigkeit verhindert.
Das Gleiche ließe sich über den unermesslichen Ertrag der Olivenbäume sagen, die sicherlich die Schönsten sind, die es auf der Welt gibt, und die die Mallorquiner dank der arabischen Traditionen perfekt anzubauen wissen. Leider verstehen sie von ihnen lediglich ein ranziges und Ekel erregendes Öl zu gewinnen, das wir abscheulich finden und das sie nie in großem Umfang nach Spanien werden exportieren können, wo auch der Geschmack dieses fürchterlichen Öls vorherrscht. Aber Spanien selbst ist an Olivenbäumen sehr reich, und wenn Mallorca dorthin Öl liefert, muss dies zu sehr niedrigen Preisen sein.
In Frankreich haben wir einen enormen Verbrauch an Olivenöl, es ist von ausgesprochen schlechter Qualität und sehr teuer. Wenn unsere Herstellung in Mallorca bekannt wäre und wenn es auf Mallorca Wege gäbe, wenn schließlich die Handelsmarine dieses Ziel anführe, stünde uns das Olivenöl zu einem wesentlich niedrigeren Preis zur Verfügung, es wäre rein und reichlich vorhanden, wie hart der Winter auch sein mag. Ich weiß wohl, dass die Fabrikanten, die in Frankreich Olivenbäume anbauen, ein paar Tonnen von ihrem kostbaren Öl lieber zum Goldpreis verkaufen und dass es unsere Händler mit Nelken- und Rapsöl verpanschen, um es uns zum Einkaufspreis anzubieten; es wäre jedoch seltsam, würden wir uns darauf versteifen, dieses Nahrungsmittel dem rauen Klima abzuringen, wo wir es doch auf einem vierundzwanzig Stunden längeren Weg in besserer Qualität und billiger bekommen können.
Unsere französischen Assistentes sollen sich jedoch nicht allzu sehr fürchten: Wir würden den Mallorquinern und, so will ich meinen, Spaniern insgesamt versprechen, uns bei ihnen einzudecken und ihren Reichtum zu verzehnfachen, was nichts an ihren Gewohnheiten ändern würde. Sie verachten die Verbesserungen, die aus dem Ausland und besonders aus Frankreich kommen, derart, dass ich nicht weiß, ob sie sich für Geld (obwohl sie Geld im Allgemeinen nicht verachten) entschließen würden, etwas an den alt hergebrachten Methoden zu ändern.
III
Der Mallorquiner versteht nichts von Rindermast, von der Nutzung der Wolle oder vom Kühe Melken (der Mallorquiner verabscheut Milch und Butter ebenso wie die Industrie); er schafft es nicht, genug Weizen anzubauen, um davon zu essen sich anzumaßen; er hält es kaum für nötig, Brombeersträucher anzupflanzen und Seide zu gewinnen; die Tischlerkunst, die einst auf der Insel in Blüte stand, ist völlig in Vergessenheit geraten; es gibt dort keine Pferde (Spanien kümmert sich für seinen Armeebedarf mütterlich um sämtliche Fohlen Mallorcas, woraus sich ergibt, dass dessen friedliebende Bewohner nicht dumm genug sind, für die Kavallerie des Königreiches zu arbeiten); er hält es nicht für nötig eine einzige Straße zu haben, auf seiner ganzen Insel einen einzigen befahrbaren Pfad, da das Exportrecht den Launen einer Regierung ausgesetzt ist, die nicht die Zeit hat, sich um derlei Geringfügiges zu sorgen. Darum lebte der Mallorquiner in den Tag hinein und hatte außer seinem Rosenkranzgebet und dem Flicken seiner Schuhe, die zerfledderter sind als diejenigen von Don Quichotte, seinem Schutzheiligen für Elend und Stolz, nichts mehr zu tun, bis das Schwein gekommen ist und alles gerettet hat. Der Export dieses Vierbeiners hat eine neue Ära beginnen lassen, die Ära des Heils ist angebrochen.
In späteren Jahrhunderten werden die Mallorquiner dieses Jahrhundert das Zeitalter des Schweins nennen, wie die Muselmanen ein Zeitalter des Elefanten in ihrer Geschichte haben.
Nun bedecken Oliven und Johannisbrotbäume nicht mehr den Boden, die Kaktusfeige dient den Kindern nicht mehr als Spielzeug und die Mütter lernen, an Bohnen und Kartoffeln zu sparen. Das Schwein erlaubt es nicht mehr, irgendetwas zu verschwenden, denn mit dem Schwein kommt nichts um; es ist das schönste Beispiel einer großzügigen Gefräßigkeit, die sich zum einfachsten Geschmack und den simpelsten Sitten gesellt, die man den Nationen schenken kann. So genießt das Schwein auf Mallorca Rechte und Vergünstigungen, die bisher den Menschen zuzubilligen undenkbar waren. Die Wohnstätten sind größer und angenehmer geworden, die Früchte, die auf den Boden verfaulten, wurden aufgesammelt, sortiert und konserviert, und die Dampfschifffahrt, die man für überflüssig und unvernünftig hielt, hat nun zwischen Insel und Kontinent Einzug gehalten.
Es ist daher dem Schwein zu verdanken, dass ich die Insel besuchen durfte, denn wenn ich vor drei Jahren den Plan dieser Reise gefasst hätte, hätten ihre lange Dauer und die Gefahren auf den Küstenschiffen mich abgeschreckt. Aber seit Schweine exportiert werden, hat die Zivilisation Fuß zu fassen begonnen. Man hat in England ein hübsches kleines Dampfschiff gekauft, das zu klein ist, um gegen die Nordwinde zu kämpfen, die hier so schrecklich sein können. Es transportiert aber bei schönem Wetter einmal pro Woche zweihundert Schweine und zusätzlich noch ein paar Passagiere nach Barcelona.
Es ist schön mit anzusehen, mit wie viel Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit diese Lebewesen (ich spreche nicht von den Passagieren) an Bord behandelt werden und mit wie viel Liebe man sie an Land absetzt. Der Kapitän des Dampfschiffs ist ein sehr liebenswürdiger Mann, der durch das Leben und Sprechen mit den noblen Tieren durchaus ihr Grunzen und auch ein bisschen von ihrer Leichtfertigkeit angenommen hat. Falls ein Passagier sich über den Lärm, den sie machen, beschwert, antwortet der Kapitän, dass es der Klang des Goldes ist, das über den Tresen rollt. Sollte eine Frau zickig genug sein, eine Bemerkung über den Gestank auf dem ganzen Schiff zu machen, ist ihr Mann zur Stelle, um ihr zu sagen, dass Geld nicht stinkt und dass es ohne die Schweine für sie weder Seidenkleider noch französische Hüte noch Mantillen aus Barcelona gäbe. Wird jemand seekrank, soll er nicht versuchen, irgendjemanden aus der Besatzung um Hilfe anzugehen, da die Schweine auch seekrank sind und sich dies bei ihnen durch depressive Verstimmung und Lebensekel äußert, den es unbedingt zu bekämpfen gilt. So wird der Kapitän, der jedem Mitgefühl abgeschworen hat, um das Überleben seiner teuren Kunden zu garantieren, höchstpersönlich und mit einer Peitsche in der Hand, sich mitten unter Letztere stürzen