Ein Winter auf Mallorca. George Sand
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Allerdings habe ich auch Ausnahmen von dieser Regel angetroffen; dabei handelte es sich aber um Personen, die gereist waren, die die Welt gut kannten und sozusagen in allen Ländern zu Hause waren. Selbst wenn andere ebenfalls aus Herzensgüte ihre Freundlichkeit und Offenheit unter Beweis stellen wollten, hätte uns niemand auch nur ein Eckchen seines Hauses zur Verfügung stellen können, ohne sich Zwänge und Unannehmlichkeiten aufzuerlegen, was in Kauf zu nehmen unsererseits wirklich unverschämt gewesen wäre (es ist unverzichtbar, das zu betonen, um zu verdeutlichen, wie die Zölle und die fehlende Industrie diesem Land geschadet haben).
Als wir versuchten, Unterkunft zu finden, kamen wir nicht umhin, diese Widrigkeiten zu verinnerlichen. Es war unmöglich, in der ganzen Stadt auch nur eine bewohnbare Bleibe zu finden.
Eine Wohnung in Palma verfügt über vier absolut nackte Wände und besitzt weder Fenster noch Türen. In den meisten Bürgerhäusern gibt es keine Fenster, und wenn man sich diese Annehmlichkeit besorgen möchte, die im Winter unabdingbar ist, muss man zunächst Fensterrahmen herstellen lassen. Jeder Mieter nimmt also bei jedem Umzug (Umzüge finden selten statt) seine Fenster mit, wie auch seine Schlösser und die Türangeln. Sein Nachfolger muss zunächst alles ersetzen, es sei denn, er möchte, und das ist in Palma durchaus verbreitet, dem Wind ausgesetzt sein.
Es dauert aber mindestens sechs Monate, um lediglich Türen und Fenster machen zu lassen, die Tische, die Stühle, eigentlich alles, so einfach die Möblierung auch sein mag. Es gibt nur wenige Handwerker, sie arbeiten langsam, haben kaum Werkzeug und Material. Es gibt immer einen Grund, weswegen der Mallorquiner sich nicht beeilt. Das Leben ist so lang! Man muss Franzose sein, das heißt extravagant und hektisch, um zu verlangen, dass etwas sofort erledigt werden soll. Und wenn Sie schon sechs Monate gewartet haben, warum sollten Sie nicht sechs weitere Monate warten? Und wenn es Ihnen hierzulande nicht gefällt, warum bleiben Sie? Braucht man Sie hier? Man schafft es auch ohne Sie. Sie glauben doch nicht etwa, dass Sie alles durcheinander bringen können? Oh, das auf keinen Fall! Wir hier, verstehen Sie, hören Ihnen geduldig zu, und machen dann doch, was wir wollen. – Gibt es also tatsächlich nichts zu vermieten? – Vermieten? Was ist das denn? Möbel mieten? Sollte es hier so viele geben, dass wir welche zu vermieten haben? – Gibt es denn auch keine zu verkaufen? – Verkaufen? Das würde bedeuten, dass sie bereits angefertigt sind. Haben wir Zeit übrig, um im Voraus Möbel herzustellen? Wenn Sie wollen, lassen Sie aus Frankreich welche kommen, das ganze Land scheint ja voll davon zu sein. – Aber um welche aus Frankreich kommen zu lassen, dauert es mindestens sechs Monate, und Gebühren sind zu entrichten. Wenn man also die Dummheit begeht, hierher zu kommen, ist das einzige Mittel, seinen Irrtum zu beheben, wieder wegzufahren! Das ist, wozu ich Ihnen rate, oder fassen Sie sich in Geduld, viel Geduld, mucha calma, wie die hiesige Volksweisheit es verlangt.
Wir setzten diesen Rat in die Tat um, als man uns, gewiss in bester Absicht, den schlechten Dienst erwies, ein Haus auf dem Land für uns zu mieten.
Es handelte sich um die Villa eines reichen Bürgers, die uns zu einem unserer Meinung nach sehr bescheidenen Preis überlassen wurde, der aber für die Gegend ziemlich hoch war (ungefähr 100 Francs pro Monat). Sie war wie alle Landhäuser hier möbliert. Die verbreiteten Feldbetten oder solche aus grün gestrichenem Holz, einige bestanden aus zwei aufgebockten Brettern, auf die man eine dünne Matratze gelegt hatte. Die Strohstühle, die Tische aus unbearbeitetem Holz, die nackten Wände, die mit Kalk geweißt worden waren. Als Gipfel des Luxus gab es in fast allen Zimmern Glasfenster; schließlich befanden sich anstelle von Bildern in dem Raum, der Salon genannt wurde, vier schreckliche Kaminaufsätze, wie diejenigen, die man in unseren ärmlichen Dorfgasthäusern findet, und die der Señor Gomez, unser Vermieter, unbedingt hatte einrahmen lassen wollen, als handele es sich um wertvolle Drucke, um die Holzwände seines Anwesens zu verzieren. Im Übrigen war das Haus großzügig geschnitten, offen (zu offen), die Räume lagen praktisch und waren gut ausgerichtet, es lag am Fuße der Berge, die in gefälligen und fruchtbaren Hängen ausliefen. Wir befanden uns in einem üppigen Tal, das von den gelben Mauern Palmas abgeschlossen wurde, seine massige Kathedrale und das glitzernde Meer sah man am Horizont. Die ersten Tage, die wir hier verbrachten, waren fast gänzlich von Spaziergängen und müßigem Flanieren ausgefüllt, zu denen uns ein äußerst angenehmes Klima sowie eine bezaubernde Natur, die uns völlig neu war, einlud.
Obwohl ich einen großen Teil meines Lebens unterwegs gewesen bin, habe ich mich selten weit von meiner Heimatgegend entfernt. Es war also das erste Mal, dass ich eine Vegetation und Landschaft sah, die sich so grundlegend von dem, was wir in unseren gemäßigten Breiten haben, unterscheidet. Als ich Italien entdeckte, landete ich an den Stränden der Toskana, und die grandiose Vorstellung, die ich mir von diesem Landstrich gemacht hatte, hielt mich davon ab, seine pastorale Schönheit und strahlende Anmut wahrzunehmen. An den Ufern des Arno glaubte ich mich an der Indre, und ich bin bis nach Venedig gekommen, ohne über irgendetwas erstaunt oder gerührt zu sein. Auf Mallorca hingegen schien es keine Vergleichsmöglichkeit mit mir bekannten Orten zu geben. Die Menschen, die Häuser, die Pflanzen bis hin zum kleinsten Stein auf dem Weg hatten einen besonderen Charakter. Meine Kinder waren hiervon so beeindruckt, dass sie von allem Sammlungen anlegten. Sie wollten alle unsere Schrankkoffer mit diesen schönen Quarzsteinen und geädertem Marmor in allerlei Farben füllen, die um jedes Gehege herum aufgehäuft werden. So kam es, dass die Bauern, die uns sogar trockene Zweige aufsammeln sahen, uns entweder für Apotheker hielten, oder aber einfach für Idioten.
VI
Die Insel verdankt die große Vielfalt der Anblicke, die sie bietet, der ständigen Bewegung, der der Boden immer wieder durch gewaltige Wasserfluten ausgesetzt ist. Jener Teil der Insel, in dem wir damals wohnten, hieß Establiments und wies in einem Umkreis von wenigen Meilen ganz unterschiedliche Eindrücke auf. Aller Ackerbau um uns her war auf fruchtbarem Boden und leicht abschüssigen, unregelmäßigen Stufen rings um die Hügel herum angelegt. Dieser terrassenförmige Anbau ist in allen Teilen der Insel anzutreffen, die vom Regen und den plötzlichen anschwellenden Bächen ständig bedroht sind, er begünstigt den Baumbestand, der der Landschaft das Aussehen eines wunderbar gepflegten Obstgartens verleiht.
Zu unserer Rechten stiegen die Hänge von den Weiden aus nach und nach leicht an und führten in die tannenbedeckten Berge. Am Fuße dieses Gebirges fließt im Winter und bei den Sommergewittern ein Sturzbach, der sich bei unserer Ankunft noch als steiniges Bett darbot. Aber das hübsche Moos, das diese Steine bedeckte, die kleinen Brücken, die durch die Feuchtigkeit grün geworden waren und brüchig durch die Heftigkeit des Stroms und zur Hälfte von den hängenden Zweigen der Weiden und den Pappeln versteckt, diese schönen schlanken Bäume, deren üppiges Blattwerk wie miteinander verschlungen war und die sich neigten, als wollten sie vom einen Ufer zum anderen eine grüne Wiege bilden, ein schmaler Wasserlauf, der lautlos zwischen Gestrüpp und Myrten dahinfloss, und immer wieder Gruppen von Kindern, Frauen und Ziegen, die in geheimnisvollen Vertiefungen hockten, machten aus diesem Ort ein herrliches Motiv für die Malerei. Jeden Tag gingen wir im Bett des Sturzbaches spazieren, und wir nannten diese Stelle der Landschaft den Poussin, weil diese freie Natur elegant und stolz in ihrer Melancholie uns an die Orte erinnerte, die den großen Meistern besonders lieb gewesen zu sein scheinen.
Ein paar hundert Schritte von unserer Einsiedelei teilte sich der Sturzbach in mehrere Verästelungen, deren Lauf sich in der Ebene zu verlieren schien. Die Olivenbäume und Johannisbrotbäume spreizten ihre Zweige über die gepflügte Erde und verliehen der Ackerlandschaft das Aussehen eines Waldes. Auf den zahlreichen Erhebungen am Rand dieses bewaldeten Teils erhoben sich Hütten von beeindruckender Machart, obwohl sie tatsächlich winzig klein waren.