Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz
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Als Zbyszko den Vater Danusias erblickte, befahl er, die Bahre, welche er bis zu diesem Augenblick am Kopfende getragen hatte, niederzusetzen, und sich Jurand nähernd schrie er auf in dem furchtbaren Tone, welcher der Ausdruck unendlicher Pein, unendlicher Verzweiflung ist.
»Ich suchte sie so lange, bis ich sie fand, und befreite sie, aber sie wollte lieber zu Gott als nach Spychow!«
Hier ward er völlig von Schmerz überwältigt, er sank an Jurands Brust, umschlang ihn mit den Armen und stöhnte laut: »O Jesus! Jesus! Jesus! …«
Bei diesem Anblick gerieten die bewaffneten Mannen von Spychow förmlich in Aufruhr, und sie schlugen mit den Lanzen an die Schilder, da sie nicht wußten, wie sie auf andre Weise ihren Schmerz und ihren Rachedurst an den Tag legen sollten. Die Frauen erhoben ein lautes Wehklagen, wobei immer eine dem Beispiel der andern nachahmte, sie drückten ihre Schürzen an die Augen oder verhüllten ihre Köpfe vollständig damit, indem sie in markerschütternden Tönen riefen: »O! Welch ein Unglück! Für Dich ist die Freude, für uns sind nur Thränen – der Tod hat Dich hinweggerafft, der Sensenmann Dich gemäht! Ach!« Und die Köpfe zurückwerfend, die Augen schließend, schrien etliche unter ihnen: »Schlimm erging es Dir hier. Du Blume, bei uns – gar schlimm! Dein Vater blieb zurück in großer Betrübnis, Du aber wandelst schon in göttlichen Gefilden – ach!« Wieder andere warfen der Toten vor, daß sie kein Erbarmen für die Thränen des verlassenen Vaters, für die Thränen des Gatten gefühlt habe. Und diese Klagen und dies Leid äußerte sich in einer Art von Gesang, denn anders vermochten diese Menschen ihren Schmerz nicht auszudrücken.
Aber Jurand, sich Zbyszkos Umarmung entziehend, streckte seinen Stab aus, zum Zeichen, daß er zu Danusia heranzutreten wünsche, da faßten ihn Tolima und Zbyszko unter den Armen, um ihn zur Tragbahre zu geleiten, und er kniete bei dem Leichnam nieder, er fuhr mit der Hand von der Stirne bis zu den kreuzweise gefalteten Händen der Toten und nickte einige Male mit dem Kopfe, wie wenn er sagen wolle, daß dies seine Danusia sei, keine andere – und daß er sein Kind erkenne. Dann umschlang er sie mit dem einen Arm, während er den andern, verstümmelten emporhob, die Anwesenden aber verstanden ihn, denn diese stumme Anklage vor Gott war beredter als alle Aeußerungen des Schmerzes. Zbyszko, dessen Gesicht nach dem plötzlichen Schmerzesausbruch wieder eine starre Miene angenommen hatte, kniete jetzt schweigend, einem Steinbild ähnlich, an der andern Seite der Bahre, und rings umher ward es so stille, daß man das Zirpen der Grillen und das Summen der Fliegen vernehmen konnte. Schließlich besprengte Pater Kaleb die Tote, Zbyszko sowie Jurand mit Weihwasser und begann das »Requiem aeternam«. Nach Beendigung des Gesanges betete er lange Zeit laut, und den Umstehenden dünkte, daß sie die Stimme eines Propheten vernahmen, da er zu Gott flehte, daß durch die Leiden des unschuldigen Kindes das Maß der Sünde voll sei, und daß nun der Tag des Gerichtes, der Strafe und des Verderbens für die Ungerechten kommen möge.
Dann setzten sie sich wieder in Bewegung gen Spychow, doch legten sie Danusias Leichnam nicht auf den Wagen, sondern trugen ihn auf der mit Blumen geschmückten Bahre dem Zuge voraus.
Das Geläute der Glocken hatte nicht aufgehört, es schien sie zu rufen und einzuladen, und sie schritten singend über die weiten, von der goldenen Abendröte beleuchteten Triften, wie wenn die Dahingeschiedene sie zu ewigem Glanze, zu ewigen lichten Höhen führe. Der Abend hatte schon begonnen, und die Herden waren von der Weide zurückgekehrt, als der Zug anlangte. Die Kapelle, worin die sterbliche Hülle Danusias niedergesetzt wurde, erstrahlte von Fackeln und Wachskerzen. Auf Befehl des Pater Kaleb beteten sieben Jungfrauen abwechselnd die Litanei an der Leiche bis zum Anbruch des Tages. Bis zum Anbruch des Tages verließ auch Zbyszko die Dahingeschiedene nicht, und am Morgen legte er sie in einen Sarg, der während der Nacht von geschickten Handwerksleuten aus Eichenholz gezimmert und in dessen Deckel, gerade wo das Haupt der Toten ruhen sollte, goldglänzender Bernstein eingefügt worden war.
Jurand befand sich nicht in der Kapelle. Gleich nach seiner Rückkunft in die Burg hatten ihm die Füße den Dienst versagt, und als man ihn auf sein Lager gebracht hatte, war er plötzlich nicht mehr fähig, sich zu bewegen, wußte er weder, wo er sich befand, noch was mit ihm vorging. Umsonst sprach Pater Kaleb zu ihm, umsonst fragte er, was ihm fehle, Jurand hörte ihn nicht, verstand ihn nicht; auf dem Rücken liegend, hob er nur die Lider und lächelte mit strahlendem, glückseligem Antlitz. Zuweilen bewegte er auch die Lippen, wie wenn er mit jemand spräche. Die bei ihm Anwesenden sagten sich dann, daß er wohl mit seiner in das ewige Heil eingegangenen Tochter zu sprechen glaube und ihr zulächle. Sie sagten sich auch, daß es zu Ende mit ihm gehe, und er sich schon in die ewige Glückseligkeit entrückt glaube, aber darin täuschten sie sich, denn unempfindlich und taub für alles, was um ihn her vorging, verharrte er so ganze Wochen hindurch, ohne daß das Lächeln von seinem Gesichte schwand. Als Tolima schließlich mit dem Lösegeld für Macko wieder aufbrach, befand sich Jurand noch am Leben.
Zweites Kapitel.
Nach dem Begräbnis Danusias war zwar Zbyszko nicht erkrankt, nicht bettlägerig geworden, aber eine Art von Erstarrung hielt seine Sinne gefangen. Anfangs, während der ersten Tage, stand es noch nicht so schlimm mit ihm, denn er ging umher, er besprach sich im Geiste mit seinem toten Weibe, oder er begab sich zu Jurand und setzte sich an dessen Lager nieder. Auch berichtete er dem Priester von der Gefangenschaft Mackos, und sie beschlossen, Tolima nach Preußen und Marienburg zu senden, damit er in Erfahrung bringe, wo der alte Ritter sich befand, und ihn loskaufe, zugleich aber auch für Zbyszko die Summe bezahle, welche mit Arnold von Baden und dessen Bruder vereinbart worden war. In den unterirdischen Gewölben in Spychow fehlte es nicht an Silber, das Jurand teils aus seinen Besitzungen zugeflossen, teils von ihm erbeutet worden war, und Pater Kaleb nahm als wahrscheinlich an, daß die Kreuzritter, sofern sie das Geld erhielten, den alten Mann freilassen und nicht verlangen würden, daß der junge Kämpe sich persönlich bei ihnen einstelle.
»Gehe nach Plock,« sagte der Priester zu Tolima bei dessen Aufbruch, »und lasse Dir dort von dem Fürsten einen Geleitsbrief geben, sonst könnte der erste beste Komtur Dich ausrauben und gefangen nehmen.«
»Ei, ich kenne sie ja gut,« entgegnete der alte Tolima. »Sie sind im stande, sogar auch diejenigen zu berauben, welche Geleitsbriefe haben.«
Und er machte sich auf den Weg. Aber es währte nicht lange, so bereute Pater Kaleb es schon, daß er nicht Zbyszko selbst abgesandt hatte. Zwar hatte er befürchtet, im ersten Augenblick des Schmerzes könne der junge Ritter entweder nicht so vorgehen, wie es nötig war, oder am Ende gar seiner Wut gegen die Kreuzritter allzusehr die Zügel schießen lassen und sich irgend einer Gefahr aussetzen. Auch hatte er sich gesagt, daß es dem Tiefbetrübten wohl schwer fallen werde, sich sogleich nach solchem