Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Als er ihre Hand an die Lippen zog, fragte sie leise: »Werden Sie wiederkommen, Holger?«
»Wenn ich darf, gern, Mechthild.«
Damit ging er, und sie kehrte langsam ins Wohnzimmer zurück – so recht enttäuscht, ehrlich genug, um sich einzugestehen, daß sie von seinem Besuch mehr erwartet hatte. Mit keinem Wort war er auf das, was vor drei Jahren geschah, zurückgekommen.
*
Es war schon nach ein Uhr, als Ebba endlich nach Hause kam. Sie hatte fest damit gerechnet, daß die Mutter nicht auf sie warten, sondern schlafen gegangen sein würde. Hatte die Schlüssel eingesteckt um sich leise in die Wohnung schleichen zu können. Als sie jedoch von der Straße aus die beiden hellen Fenster des Wohnzimmers sah, begehrte sie unten vor der
Haustür Einlaß. Frech sah sie der Mutter ins Gesicht, die ihr die Tür öffnete. Während sie die Treppen emporstiegen, sagte diese nichts. Doch im Zimmer machte sie ihrem Unwillen Luft:
»So spät kommst du, Ebba? Du solltest dich schämen!«
»Warum?« fragte das Mädchen keck. »Dann müssen sich ja alle Mädchen schämen, die mit mir auf dem Fest waren. Denn sie sind so lange geblieben wie ich. Ich glaube nicht, daß ihre Mütter solch Lamento darüber machen. Wenn du doch endlich begreifen wolltest, daß ich jetzt erwachsen bin und dir daher nicht mehr am Rockzipfel hängen kann.«
Die Mutter antwortete nicht, weil sie etwas entdeckt hatte, was ihr augenblicklich die Sprache verschlug – und zwar Ebbas kahlen Hals.
»Wo hast du die Kette?«
»Verloren«, entgegnete das Mädchen gleichmütig. »Fang um Himmels willen nicht an zu jammern, du wirst dein geliebtes Erbstück schon wieder bekommen. Es kann nur im Tanzsaal verloren gegangen sein. Die Ober sind verständigt. Mehr konnte ich nicht tun.«
»Ebba, wirklich, deine Gleichgültigkeit ist einfach haarsträubend!« brauste Mechthild nun auf. »Hast du denn keine Ahnung, wie wertvoll die Kette ist?«
»Herrgott, ja!« überschrie Ebba sie schrill. »Was kann ich dafür, daß du das Schloß nicht besser gesichert hast, als du mir den Schmuck umlegtest! Hier hast du das Armband.«
Das landete vor Mechthilds Füßen und die Tür knallte hinter Ebba zu.
Mechthild sank auf den nächsten Stuhl und weinte vor Ratlosigkeit und um noch anderes mehr, das ihr das Herz zusammenpreßte in dumpfem Schmerz. Dann suchte sie ihr Bett auf, um sich darin schlaflos herumzuwälzen in
Not und Pein – während Ebba, von süßen Träumen umgaukelt, prachtvoll schlief.
Es war spät, als sie am nächsten Morgen erschien, sich an den Tisch setzte, um ausgiebig zu frühstücken. Blühend und frisch sah sie aus, plauderte vergnügt drauflos, als wäre nichts geschehen.
*
»Herrlich war es gestern. Ach, was habe ich getanzt. Nicht einen Tanz habe ich gesessen, was man von anderen Mädchen nicht behaupten kann. Na ja, es waren ja auch Schleiereulen genug darunter – Mutti, mach bloß ein anderes Gesicht.« Sie wurde ernstlich böse. »Du wirst deine Kette schon wieder kriegen. Diese ewige Duldermiene kann einen ja verrückt machen.«
Ehe Mechthild etwas erwidern konnte, war sie hinausgestürmt, lief die Treppen hinab und schlenderte dann die Straße entlang. Jedoch nicht nach dem Lokal, in dem das Fest stattgefunden, lenkte sie ihre Schritte, sondern nach dem großen Gebäude, in dem sich die Hadebrandtschen Büroräume befanden. Dort fragte sie nach dem Chef und stand nach einigen Schwierigkeiten in »seinem Allerheiligsten«, wie sie es spöttisch betitelte.
»Tag, Holger«, grüßte sie ihn lachend, der am Schreibtisch saß und erstaunt den Kopf hob.
»Guten Tag, Ebba, wo kommst du denn her? Es ist sonst nämlich nicht so einfach, formlos bei mir einzudringen.«
»Siehst du, ich bekomme alles fertig. Wozu habe ich denn meine schönen Augen und meine einschmeichelnde Stimme, wenn ich die strengen Türwächter damit nicht betören sollte? Männer sind immer bestechlich, sofern man es nur richtig anfängt.«
Immer noch lachend, ließ sie sich in den schweren Klubsessel neben dem Schreibtisch sinken, griff sich aus dem Etui, das offen da lag, eine Zigarette und sah den Mann herausfordernd an.
»Du rauchst, Ebba?«
»Warum nicht. Ist das etwa etwas Besonderes?«
»Bei einem so jungen Mädchen allerdings.«
»Na, einmal muß man doch damit anfangen. Sieh mich nicht so mißbilligend an, reich’ mir lieber Feuer.«
Schweigend kam er ihrem Wunsch nach, und an der Art, wie sie rauchte, merkte er, daß es nicht ihre erste Zigarette war. Sie sah sich neugierig in dem behaglichen Raum um, bis sie anerkennend bemerkte:
»Schön hast du es hier. Gar nicht so kahl und nüchtern, wie Büroräume sonst sind. Arbeitest du auch hier?«
»Ich nehme es an«, gab er amüsiert zurück. Er steckte seine Zigarette in Brand, legte sich im Stuhl zurück und betrachtete das Mädchen schweigend, das unter dem halb ironischen, halb nachsichtigen Blick dieser klaren Augen nun doch ein wenig verlegen wurde.
»Hm – ja – ich bin nämlich gekommen – um dich zu bitten, Holger…«
»Da bin ich aber gespannt.«
»Ich sitze in einer scheußlichen Klemme.« Jetzt hatte sie ihre Keckheit bereits wiedererlangt.
»Arg schlimm?«
»Sehr schlimm. Ich brauche Geld.«
»So – so.«
»Werde bitte nicht ironisch.« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Es fällt mir ohnehin nicht leicht, dich anzupumpen aber was soll ich machen? Ich habe nämlich auf dem Fest Muttis Kette verloren, die ein Ober gefunden hat und nun fünfzig Mark Finderlohn verlangt. Glaubst du mir etwa nicht? Dann kannst du ja meine Mutter fragen. Die wird dir bestätigen, daß ich ohne Kette nach Hause kam. Wie gewöhnlich hat sie sich künstlich aufgeregt, obgleich ich beteuerte, daß der Schmuck gefunden werden wird, was ja nun auch tatsächlich der Fall ist. Aber wenn ich der alten Dame nun noch mit den fünfzig Mark komme, dann schnappt sie bestimmt über.«
»Ist die Art nicht etwas sonderbar, in der du über deine Mutter sprichst?«
»Sonderbar? Wieso?« entgegnete sie verblüfft. »Eine Mutter ist doch keine Respektsperson, vor der man in Ehrfurcht versinken muß. Und meine schon gar nicht. Die ist so altmodisch und unselbständig, daß ich sie oft bevormunden muß. Das habe ich schon getan, als mein Vater noch lebte, der das sehr richtig fand. Ein Segen, daß er mich zwölf Jahre lang erzog, ohne sich von seiner Frau in der Erziehung dreinreden zu lassen. Sonst hätte ein gutes Gänschen aus mir werden können.«
»So – so«, sagte der Mann wieder weiter nichts. Er entnahm seiner Brieftasche einen Fünfzigmarkschein, legte ihn vor Ebba hin, die gierig danach griff.
»Danke«,