Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Zwei Stunden später wurde es plötzlich dunkel – so dunkel, daß sie den Weg nur noch fühlen konnten, und Daylight wußte nun, daß seine Zeitberechnung richtig gewesen war. Es war jene Dunkelheit vor Tagesanbruch, die nirgends auffälliger ist, als auf winterlichen Schlittenreisen in Alaska. Langsam stahl sich das graue Licht durch die Finsternis, im Anfang noch unmerklich, so daß sie fast mit Überraschung den unsicheren Schimmer der Spur unter ihren Füßen bemerkten. Das nächste, was sie zu sehen bekamen, war der letzte Hund, dann die ganze Reihe laufender Tiere, und zuletzt erschienen die schneebedeckten Hänge zu beiden Seiten. Einen Augenblick tauchte das Ufer selbst auf, verschwand wieder, tauchte wieder auf und blieb nun. Wenige Minuten später erschien das andere Ufer eine Meile entfernt, und nun konnte man weithin den zugefrorenen Fluß und zur Linken ganz in der Ferne eine langgestreckte Kette sich scharf abzeichnender schneebedeckter Berge sehen. Und das war alles. Die Sonne zeigte sich nicht, und das Licht blieb grau.
Einmal während des Tages kreuzte plötzlich ein Luchs gerade vor der Nase des Leithundes den Weg und verschwand in den weißen Wäldern. Der Raubtierinstinkt der Hunde erwachte. Sie erhoben den Jagdruf des Rudels, warfen sich ins Geschirr und wandten sich seitwärts zur Verfolgung. Daylight brüllte: »Hoa!« riß die Lenkstange herum, und es glückte ihm, den Schlitten in den weichen Schnee zu lenken, wo er umschlug. Die Hunde ließen von der Verfolgung ab, der Schlitten wurde aufgerichtet, und fünf Minuten später flogen sie wieder auf dem festen Wege dahin. Der Luchs war das einzige lebende Wesen, das sie seit zwei Tagen gesehen hatten, und wie er auf sammetweichen Pfoten leicht vorübersprang, wirkte er fast wie eine Erscheinung.
Als die Sonne um zwölf über die Erdrundung emporsah, machten die Männer halt und zündeten ein kleines Feuer auf dem Eise an. Daylight hieb mit der Axt Stücke von den gefrorenen Bohnen los. Sie wurden aufgetaut, in der Bratpfanne gewärmt und bildeten die ganze Mahlzeit. Kaffee gab es nicht. Das Tageslicht war zu kostbar, um es auf solchen Luxus zu verschwenden. Die Hunde hörten auf, sich zu balgen, und sahen sehnsüchtig zu. Nur abends bekamen sie ihr Pfund Fisch. Tagsüber arbeiteten sie.
Die Kälte hielt an. Nur Männer aus Stahl können bei so niedrigen Temperaturen reisen, aber Kama und Daylight waren Auserwählte ihrer Rasse. Kama jedoch, der die Überlegenheit des andern kannte, wußte, daß er von Anfang an zum Untergang verurteilt war. Nicht daß er es bewußt an Fleiß und Willigkeit fehlen ließ, aber dies Bewußtsein drückte ihn zu Boden. Er betete Daylight an. Selbst stoisch, schweigsam, stolz auf seine Ausdauer, fand er alle diese Eigenschaften in seinem weißen Kameraden verkörpert. Hier war einer, der sich in allem auszeichnete, worin ein Mann sich auszeichnen mußte, ein Halbgott, und Kama konnte nicht anders, er mußte ihn anbeten – wenn er es auch mit keiner Miene verriet.
Kein Wunder, daß die weiße Rasse siegte, dachte er, wenn sie solche Männer hervorbrachte. Was vermochte sein Volk gegen eine so zähe, ausdauernde Rasse? Selbst die Indianer reisten nicht bei solcher Kälte, und sie besaßen doch die Weisheit von tausend Generationen; und dieser Daylight, der Mann aus dem weichlichen Süden, war härter als sie, verlachte ihre Angst und reiste zehn und zwölf Stunden am Tage. Und dieser Daylight glaubte, eine tägliche Schnelligkeit von dreiunddreißig Meilen sechzig Tage lang aushalten zu können. Er sollte nur warten, bis frischer Schnee fiel, oder bis sie wieder auf ungebahnte Wege oder an die große Eisschranke um das offene Wasser kamen.
Aber unterdessen hielt Kama Schritt mit ihm, murrte nie und drückte sich nie von einer Arbeit. Fünfundsechzig Grad unter Null ist sehr kalt Es handelt sich stets um Fahrenheit.. Da Wasser bei zweiunddreißig Grad über Null gefriert, bedeuten fünfundsechzig Grad nicht weniger als siebenundneunzig Grad unter dem Gefrierpunkt. So erhält man einen schwachen Begriff von der Kälte, in der Kama und Daylight durch die Finsternis reisten.
Obgleich Kama beständig seine Wangen rieb, bekam er Frostbeulen an den Backenknochen, und das Fleisch wurde schwarz und gefühllos. Seine Lungenspitzen schmerzten – ein gefährliches Anzeichen, und allein schon ein Grund, daß ein Mann sich nicht im Freien bei fünfundsechzig Grad Kälte übermäßig anstrengen soll. Aber er klagte nie, und Daylight fühlte sich ebenso warm unter seinen sechs Pfund Kaninchenfell, wie der andere unter seinen zwölfen.
Am zweiten Abend schlugen sie nach weiteren fünfzig Meilen ihr Lager nahe der Grenze zwischen Alaska und dem nordwestlichen Territorium auf. Der Rest der Reise ging bis auf das letzte kurze Stückchen nach Dyea durch kanadisches Gebiet. Bei der schnellen Fahrt und da kein Neuschnee gefallen war, gedachte Daylight am vierten Abend das Lager von Forty Mile zu erreichen. Aber am dritten Tag begann die Temperatur zu steigen, und das bedeutete am Yukon, wie sie wußten, Schnee. Auch mußten sie sich an diesem Tage zehn Meilen weit ihren Weg durch Eisschollen bahnen und den Schlitten über riesige Eisblöcke heben. Hier nützten die Hunde nur wenig, und sowohl sie wie die Männer mühten sich ab, ohne viel weiter zu kommen. Eine Stunde Überarbeit am Abend brachte ihnen nur einen Teil der verlorenen Zeit wieder ein.
Als sie am Morgen erwachten, lag der Schnee zwei Zoll hoch auf ihren Schlafsäcken. Die Hunde waren ganz unter der weißen Decke begraben und wollten nur ungern ihr warmes Nest verlassen. Der Neuschnee bedeutete schwere Arbeit. Die Kufen sanken ein, und einer der Männer mußte beständig vorausgehen und den Schnee mit den Schneeschuhen festtreten, damit sie nicht umwarfen. Der Schnee ist in diesen Gegenden ganz anders, als man ihn in südlichen Ländern kennt. Er ist hart, fein und trocken wie Zucker. Er läßt sich nicht ballen und wirbelt wie loser Sand unter den Füßen auf. Er besteht nicht aus Flocken, sondern aus Kristallen – winzigen geometrischen Frostkristallen. Es war wärmer geworden, kaum zwanzig Grad unter Null, und die beiden Männer schwitzten bei der Arbeit, obwohl sie die Ohrenklappen hochgeschlagen und die Handschuhe ausgezogen hatten. Sie erreichten Forty Mile an diesem Abend nicht mehr, und als sie am nächsten Tage dort eintrafen, machte Daylight nur halt, um Post und neuen Proviant aufzunehmen. Am folgenden Nachmittag lagerten sie an der Mündung des Klondike-River. Seit Forty Mile hatten sie nicht eine lebende Seele getroffen und sich beständig ihren Weg selbst bahnen müssen. Seit dem Herbst war noch keiner den Fluß hinauf südwärts von Forty Mile gekommen, und es konnte gut sein, daß sie den ganzen Winter die einzigen blieben. In jenen Tagen war Yukon ein einsames Land. Zwischen dem Klondike-River und Salt Water bei Dyea lagen sechshundert Meilen schneebedeckte Wildnis, und auf der ganzen Strecke gab es nur zwei Stellen, wo Daylight möglicherweise Menschen treffen konnte. Beides waren isolierte Poststationen, Sixty Mile und Fort Selkirk. Im Sommer stellten sich wohl an der Mündung des Stewart- und des White-River, bei Big und Little Salmons und am Le-Barge-See Indianer ein, im Winter jedoch folgten sie, wie er wohl wußte, den Elchherden bis weit in die Berge.
An diesem Abend, an der Mündung des Klondike, legte sich Daylight nach verrichteter Abendarbeit nicht nieder. Einem Weißen hätte er gesagt, daß er die »Chance« in sich spürte. Er schnallte sich die Schneeschuhe an, verließ die Hunde, die sich im Schnee verkrochen hatten, und Kama, der schwer atmend unter seinem Kaninchenfell lag, und kletterte den hohen Erdhang empor auf die weite Hochfläche. Aber dichte Tannen versperrten ihm die Aussicht, und so schritt er über die Ebene und erklomm die ersten Ausläufer der darunterliegenden Berge. Hier konnte er den Klondike, der im rechten Winkel aus Osten heranströmte, und den Yukon, der einen weiten Bogen von Süden her machte, sehen. Links, stromabwärts, gegen die Moosehide-Berge, zeigte sich der mächtige weiße Fleck, von dem sie ihren Namen hatten, klar im Sternenlicht. Leutnant Schwatka hatte ihnen den Namen gegeben, aber er, Daylight, hatte sie als erster gesehen, lange bevor