Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Daylight liebte die Höhen, und gab es in seinem Gesichtskreis auch nur wenige Höhen, so hatte er sich doch vorgenommen, die höchste zu erklimmen, die zu finden war. Die Welt draußen hatte nie seinen Namen gehört, aber in dem schweigenden Norden war er weit und breit bekannt, bei Weißen, Indianern und Eskimos, von der Beringsee bis zu den Pässen, von den Quellen der entlegensten Flüsse bis zu den Tundren von Point Barrow. Der Wunsch zu herrschen war stark in ihm, und es war ihm gleich, ob er mit den Elementen selbst, mit Männern oder mit dem Glück ein hohes Spiel spielte. Das Leben und alles, was dazu gehörte, war ein einziges großes Spiel. Und er war Spieler vom Scheitel bis zur Sohle. Risiko und Chancen waren für ihn Essen und Trinken. Zwar spielte er nicht ins Blaue hinein, denn er gebrauchte Witz, Geschicklichkeit und Stärke, aber hinter alledem stand das ewige Glück, dieses Etwas, das sich zuzeiten gegen seine Anbeter wandte, die Klugen vernichtete und die Toren segnete, – das Glück, das alle Menschen suchten und zu besiegen träumten. Auch er. Tief in seinen Lebensfunktionen sang das Leben selbst sein Sirenenlied von der eigenen Hoheit, immer hörte er ein Flüstern und Drängen, das ihn überredete, er könne mehr als andere Menschen, er könne gewinnen, wo sie verloren, siegen, wo sie untergingen. Es war der gesunde, starke Sporn des Lebens, der nicht Schwäche und Verfall kennt, der sich am eigenen Wohlbefinden berauscht, sich an sich selber begeistert, an seinem eigenen mächtigen Optimismus entzückt. Und immer, im schwächsten Flüstern wie im hellsten Trompetenton, hörte er die Botschaft, daß er einmal irgendwo und irgendwie das Glück besiegen, sich selbst zum Herrn darüber machen und ihm sein Brandzeichen aufdrücken würde. Spielte er Poker, so flüsterte es von vier Assen und »flush royal«. Suchte er Gold, so wisperte es von Gold unter Graswurzeln, Gold in Flußbetten, von Gold überall. Bei den größten Wagnissen, auf Schlittenreisen, Flußreisen und Hungerlagern, erklang die Botschaft, daß andere Männer sterben müßten, wo er selbst triumphierte. Es war die alte, alte Lüge des Lebens – des Lebens, das sich selbst narrte, sich selbst für unsterblich und unvergänglich hielt und glaubte, nach Herzenswunsch über alle andern siegen zu können.
Und so kehrte Daylight das Unterste zu oberst, walzte sich frei vom Schwindel und stürmte als erster die Bar. Aber nun ertönte energischer Protest von allen Seiten. Seine Theorie, daß der Gewinner bezahlen müßte, wurde nicht länger geduldet. Es verstieß gegen jeden guten Ton, und obgleich es das Gefühl guter Kameradschaft betonte, mußte es nun gerade im Namen der Kameradschaft aufhören. Gerechterweise mußte Ben Davis ausgeben. Ferner sollten alle Getränke und Runden, zu denen Daylight eingeladen hatte, zu Lasten des Etablissements gehen, denn Daylight war jedesmal, wenn er losgelassen war, eine Attraktion für die Gäste. Bettles hatte das Wort, und seine Gründe, die in einer bündigen, wenn auch nicht gerade eleganten Sprache vorgebracht wurden, fanden starken Beifall.
Daylight grinste, trat an den Roulettetisch und kaufte einen Haufen gelber Chips. Nach Verlauf von zehn Minuten stand er an der Wage, und für zweitausend Dollar Goldstaub wanderten in seinen und einen Extrabeutel. Das Glück, wenn auch nur das Glück eines Augenblicks, war sein. Sein Selbstgefühl wuchs immer mehr. Er lebte, und die Nacht gehörte ihm. Er wandte sich zu seinen wohlmeinenden Kritikern.
»Nun muß aber der Gewinner bezahlen«, sagte er.
Und sie gaben nach. Es war unmöglich, Daylight zu widerstehen, wenn er auf dem Rücken des Lebens herumsprang und es mit Sporen und Zügel ritt.
Um ein Uhr nachts sah Daylight, wie Elijah Davis den Henry Finn und Joe Hines, den Holzfäller, zur Tür trieb. Er legte sich dazwischen.
»Wo wollt ihr hin, Leute?« fragte er und versuchte sie zum Schanktisch zu ziehen.
»Zu Bett«, antwortete Elijah Davis.
Er war ein magerer, tabakrauchender Neuengländer, der den Ruf aus dem Westen gehört hatte und ihm über die Weiden und Wälder des Mount Desert gefolgt war.
»Laß uns nur gehen«, fügte Joe Hines entschuldigend hinzu. »Wir müssen morgen früh fort.«
Aber Daylight hielt sie zurück.
»Wohin? Was habt ihr vor?«
»Nichts Aufregendes«, erklärte Elijah. »Wir wollen nur deine Chance im Oberland untersuchen. Willst du mit?«
»Aber gewiß«, versicherte Daylight.
Doch die Frage war nur im Scherz getan, und Elijah tat, als hörte er nicht das Ja des andern.
»Wir wollen den Stewart in Angriff nehmen«, fuhr er fort. »Al Mayo hat mir erzählt, daß er das erstemal, als er den Stewart hinunterkam, einige Spalten gesehen hat, die so aussahen, als wäre etwas draus zu machen, und wir wollen es versuchen, solange der Fluß noch gefroren ist. Hör' zu, Daylight, was ich sage, und pass' gut auf, es wird die Zeit kommen, da man im Winter gräbt. Dann wird man sich über unsere Sommerarbeit und unser Wälzen im Schlamm lustig machen.«
Damals ließ man sich am Yukon noch nichts davon träumen, im Winter Gold zu suchen. Von Moos und Gras bis zur Felsunterlage war der ganze Boden gefroren, und die Erde, die hart wie Granit war, trotzte der Hacke und der Schaufel. Im Sommer wühlte man den Boden auf, soweit die Sonne ihn auftaute. Dann war es Zeit zum Goldsuchen. Während des Winters verfrachteten sie Proviant, gingen auf die Elchjagd, bereiteten alles für die Sommerarbeit vor und vertrieben sich die dunklen, traurigen Monate in den großen Lagern wie Circle City und Forty Mile, so gut es eben ging.
»Gewiß wird man im Winter graben«, stimmte Daylight zu. »Wartet nur, bis der große Fund am Flusse oben gemacht ist. Dann werdet ihr eine neue Art von Goldgraben erleben, Jungens! Warum sollte man nicht Feuer anmachen, Schächte graben und auf der Felsunterlage arbeiten können? Man braucht sie nicht einmal zu zimmern. Der gefrorene Schutt wird stehen, bis die Hölle gefriert und der Höllenpfuhl zu Eiscreme wird. Ja, in kommenden Tagen wird man in Lagern arbeiten, die hundert Fuß tief unter der Erde liegen. Gewiß gehe ich mit euch, Elijah!«
Elijah lachte, rief seine beiden Kameraden und machte einen neuen Versuch, die Tür zu erreichen.
»Halt!« rief Daylight. »Es ist mein Ernst.«
Da wandten die drei Männer, mit freudiger Überraschung auf den Gesichtern, sich plötzlich um.
»Ach was, du machst dich nur über uns lustig«, sagte Finn, der andere Holzfäller, ein ruhiger, zuverlässiger Mann aus Wisconsin.
»Da sind meine Hunde und mein Schlitten«, antwortete Daylight. »Das gibt zwei Gespanne und das halbe Gewicht; wir können allerdings in der ersten Zeit nicht sehr schnell reisen, denn die Hunde sind müde.«
Die drei Männer waren außer sich vor Freude, aber immer noch ungläubig.
»Hör' mal,« platzte Joe Hines heraus, »halt uns nicht zum besten, Daylight. Es ist Geschäft. Willst du mit?«
Daylight ergriff seine Hand und schüttelte sie.
»Dann tätest du am besten, auch ins Bett zu gehen«, rief Elijah. »Wir wollen um sechs Uhr fort, und vier Stunden Schlaf ist nicht viel.«
»Vielleicht warten wir noch einen Tag, damit er sich ausruhen kann«, schlug Finn vor.
Das verletzte aber Daylights Stolz.
»Auf keinen Fall«, schrie er. »Um sechs geht's los. Wann wollt ihr geweckt werden? Um fünf? Schön, ich hol' euch 'raus.«
»Du müßtest doch auch etwas Schlaf haben«, riet Elijah ernsthaft.