Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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wurde größer, und die erste an ein Doppelkinn gemahnende Falte zeigte sich. Der frühere asketische Ausdruck, eine Folge des genügsamen, harten Lebens, war verschwunden; die Züge waren breiter und schwerer geworden, gleichsam gezeichnet von dem Leben, das er führte.

      Sogar sein Geselligkeitstrieb ließ nach. Er spielte am liebsten allein und verachtete die meisten seiner Mitspielenden. Da er weder Sympathie noch Verständnis für sie hatte und unabhängig von ihnen war, gab er sich nur wenig mit den Männern ab, die er zum Beispiel im Alta-Pacific-Klub traf. Als der Kampf mit den Schiffahrtsgesellschaften am heißesten tobte und seine Angriffe unberechenbaren Schaden in der Hafenwelt anrichteten, wurde er sogar aufgefordert, aus dem Klub auszutreten. Das paßte ihm im Grunde genommen ausgezeichnet, und er schlug sein Quartier jetzt in den Klubs auf, die von den eigentlichen Machthabern der Stadt gegründet waren und unterhalten wurden. Diese Männer gefielen ihm tatsächlich besser. Sie waren ehrliche Seeräuber, die freimütig erklärten, daß sie nur um des Gewinnes willen spielten und sich nicht hinter eleganter Heuchelei versteckten.

      Der seit Monaten tobende Sturm der gesamten Presse hatte an Daylights Charakter nicht ein Tüttelchen Gutes gelassen. Es gab keinen Punkt in seiner Geschichte, der nicht zum Verbrechen oder zum Laster verzerrt war. Der Umstand, daß er auf diese Weise öffentlich zu einem schändlichen Ungeheuer gestempelt war, hatte fast die letzte schwache Hoffnung in ihm ertötet, Dede Mason näher kennenzulernen. Er fühlte, daß ein Mann seines Kalibers nicht die geringste Aussicht hatte, mit freundlichen Augen von ihr angesehen zu werden, und nur durch eine Gehaltserhöhung auf fünfundsiebzig Dollar den Monat konnte er sie zwingen, an ihn zu denken. Die Aufbesserung wurde ihr durch Morrison mitgeteilt, sie bedankte sich später bei Daylight, und damit war die Sache erledigt.

      Als er sich eines Sonnabends müde und von der Stadt bedrückt fühlte, gehorchte er seiner Eingebung, die eine so große Rolle in seinem Leben zu spielen bestimmt war. Der Wunsch, aus der Stadt zu flüchten, frische Landluft zu atmen und andere Eindrücke zu erhalten, war die Ursache. Aber vor sich selbst entschuldigte er sich damit, daß er nach Glen Ellen wollte, um die Ziegelei, die er einmal Holdsworthy zuliebe gekauft hatte, zu besichtigen.

      Er verbrachte die Nacht in einem kleinen ländlichen Gasthof und ritt am Sonntagmorgen aus dem Dorfe. Alles, was irgendwie ans Geschäft erinnerte, hing ihm zum Halse heraus, die bewaldeten Höhen riefen ihn. Er hatte ein Pferd unter sich, ein gutes Pferd; es erinnerte ihn an die Mustangs, die er als Knabe in Oregon zugeritten. Er war früher ein guter Reiter gewesen, und er hatte seine Freude daran, wie das Pferd jetzt auf dem Gebiß kaute, und wie das Sattelzeug knirschte.

      Er wollte sich erst das Vergnügen gönnen und hinterher die Ziegelei besichtigen, und ritt aufwärts, indem er nach einem Wege spähte, der ihn auf den Gipfel bringen konnte. Beim ersten Gatter verließ er die Landstraße und galoppierte über eine Wiese, auf der Heu gemäht war. Zu beiden Seiten des Weges stand das Korn hoch, und er atmete entzückt den warmen Wohlgeruch ein. Lerchen flogen vor ihm auf, und von allen Seiten klangen weiche Töne. Nicht ein Gehöft war zu sehen, und nach dem Trubel der Städte genoß er die Stille. Er ritt jetzt durch offene Wälder, über kleine, blumenübersäte Lichtungen, bis er zu einer Quelle kam. Flach auf dem Boden liegend, trank er in tiefen Zügen, und aufblickend durchfuhr es ihn plötzlich, wie schön die Welt war. Es überkam ihn wie eine Entdeckung. Die wichtigsten Geschäfte hatten ihm keine Zeit gelassen, daran zu denken. Während er die Luft, die Schönheit um sich her und den Gesang der Lerche in der Ferne einatmete, kam er sich wie ein Pokerspieler vor, der vom Spieltisch aufsteht, an dem er die ganze Nacht verbracht hat, und der nun aus der stickigen Luft in den frischen Morgen kommt.

      Am Fuße der niedrigen Hügel fand er ein verfallenes Holzgatter, vermutlich noch aus der Zeit der ersten Ansiedler, die nach der Goldgräberperiode das Land urbar gemacht hatten. Die Bäume standen hier sehr dicht, aber es gab nur wenig Unterholz, so daß er unbehindert unter dem Gewölbe der Zweige reiten konnte. Er befand sich jetzt in einem mehrere Morgen großen Winkel, wo statt Eichen und Madronjos stattliche Fichten wuchsen. Am Fuße eines steilen Hanges stieß er auf eine prachtvolle Gruppe, die um eine kleine murmelnde Quelle standen.

      Er hielt sein Pferd an, denn neben der Quelle sah er eine wilde kalifornische Lilie. Es war eine wundervolle Blume, die in diesem Kirchenschiff von hohen Bäumen wuchs. Wenigstens acht Fuß hoch, erhob sich ihr Stengel, gerade und schlank, grün und nackt, bis zu zwei Drittel seiner Höhe, und dort brach eine Fülle schneeweißer, wachsartiger Glocken hervor. Es waren Hunderte dieser Blüten, alle an einem Stengel, fein abgewogen und ätherisch zart. Daylight hatte nie etwas Ähnliches gesehen. Mit einem unklaren religiösen Gefühl nahm er den Hut ab. In diesem Frieden war kein Raum für Verachtung und schlimme Gedanken.

      An dem steilen Hang über der Quelle wuchsen zierliche Farnkräuter; gestürzte, mit Moos bewachsene Baumriesen lagen hier und dort, sanken langsam und wurden eins mit dem Waldboden. Auf einer kleinen Lichtung, etwas weiter fort, schlangen sich wilder Wein und Jelängerjelieber in grünem Überfluß um die alten knorrigen Eichenstämme. Ein graues Eichhörnchen huschte auf einen Zweig und betrachtete ihn. Irgendwoher erklang das Hämmern eines Spechtes. Diese Töne störten nicht die feierliche Ruhe des Ortes, sie gehörten hierher und machten die Einsamkeit erst vollkommen.

      »Als wäre es eine andere Welt«, flüsterte Daylight leise.

      Er band sein Pferd an einen Baum und wanderte zu Fuß durch die Hügel. Die Höhen waren gekrönt von Jahrhunderte alten Tannen, die Hänge von Eichen, Madronjos und Christdorn bewachsen. Hier gab es keinen Weg für sein Pferd, und er kehrte zu der Lilie am Bach zurück. Zu Fuß, strauchelnd und stolpernd, das Pferd am Zügel führend, erkletterte er die Hügel. Farnkräuter bildeten einen Teppich zu seinen Füßen, der Wald stieg mit ihm und wölbte sich über seinem Haupte, und immer spürte er die reine Freude und Süßigkeit in seinem Herzen.

      Auf dem Gipfel kam er durch ein seltsames Gebüsch samtstämmiger Madronjos, und dann tauchte der offene Hang vor ihm auf, der in ein kleines Tal hinabführte. Im ersten Augenblick blendete ihn der helle Sonnenschein, und er blieb stehen, um ein Weilchen auszuruhen, denn er keuchte vor Anstrengung. In alten Tagen hatte er keine Atemnot, keine so leichte Ermüdung der Muskeln gekannt. Ein kleiner Bach floß talabwärts über eine Wiese, auf der kniehohes Gras und blaue und weiße Anemonen wuchsen. Die Hänge des Hügels waren mit Lilien und wilden Hyazinthen bedeckt, die sein Pferd langsam, fast zögernd durchschritt.

      Daylight ritt durch den Bach, folgte einem kaum erkennbaren Viehsteig über eine niedrige felsige Anhöhe und durch einen von Wein umrankten Manzanitawald und gelangte schließlich in ein anderes kleines Tal, in das ebenfalls ein Bach hinabrieselte. Ein Kaninchen sprang vor den Hufen seines Pferdes aus dem Gebüsch und verschwand im Grase des gegenüberliegenden Hanges. Daylight sah ihm bewundernd nach und ritt weiter dorthin, wo die Wiese begann. Hier schreckte er einen Bock mit vielzackigem Geweih auf, der scheinbar schwebend über das Gatter setzte und – immer schwebend – drüben in einem schirmenden Gebüsch verschwand.

      Daylights Entzücken war grenzenlos. Ihm schien, er sei noch nie so glücklich gewesen. Die Erinnerung an das alte Leben in den Wäldern war wieder erwacht, und alles, was er sah, beschäftigte ihn – das Moos auf Stämmen und Zweigen, die Misteldolden, die von den Eichen herabhingen, das Nest einer Waldratte, die Wasserkresse, die in den schützenden Wirbeln des Bächleins wuchs, die Schmetterlinge, die auf ihrem Fluge Sonnenschein und Schatten spalteten, die blauen Häher, die in bunten Farben funkelnd durch die Seitenschiffe des Waldes huschten, die kleinen, zaunkönigartigen Vögelchen, die im Gebüsch umherhüpften und den Schrei der Wachteln nachahmten, der rotköpfige Specht, der mit dem Klopfen aufhörte und den Kopf auf die Seite legte, um ihn zu betrachten. Er überschritt den Bach und fand die schwache Andeutung eines Waldweges, der augenscheinlich seit Generationen nicht mehr benutzt worden war, seit die Eichen auf der Wiese gefällt waren.

      Der alte Waldweg führte auf eine Lichtung, wo auf weinrotem Boden in einer Ausdehnung von einem Dutzend Morgen Weinreben wuchsen. Dann kam ein Viehsteig, wieder Bäume und Gebüsch und schließlich ein

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