Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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freute sich, daß Herr Morse nicht anwesend war. Es war schwer genug, mit ihr, ihrer Mutter und ihrem Bruder Norman bekannt zu werden. Arthur kannte er schon ein wenig. Der Vater, das wußte er, hätte dem Faß den Boden ausgeschlagen. Ihm schien, daß er sich noch nie im Leben so abgemüht hätte. Die schwerste Arbeit war Kinderspiel dagegen. Winzige Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn, und sein Hemd war durchnäßt, weil er sich bemühte, soviel Ungewohntes auf einmal zu tun. Er mußte essen, wie er noch nie gegessen hatte, mußte mit seltsamen Geräten hantieren und dabei verstohlene Blicke auf die anderen werfen, um zu sehen, wie sie mit jedem neuen Dinge umgingen; er mußte die Flut von Eindrücken bewältigen, die über ihm zusammenschlug und in seinem Bewußtsein gesichtet und geklärt werden sollte. Dazu fühlte er eine heftige Sehnsucht nach ihr, eine Sehnsucht, die die Form dumpf nagender Rastlosigkeit annahm, und spürte einen heftigen Drang, sich emporzuschwingen zu der Höhe des Lebens, auf der sie sich befand. Immer wieder verirrten sich seine Gedanken in unklaren Plänen, wie er sich auf ihre Höhe schwingen könnte. Wenn sein Blick heimlich zu Norman, der ihm gerade gegenüber saß, oder zu den anderen glitt, um herauszubekommen, welches Messer oder welche Gabel bei einer bestimmten Gelegenheit zu gebrauchen war, so nahm das Gesicht des Betreffenden seine Gedanken in Anspruch, und er versuchte mechanisch zu erraten, was er – stets im Verhältnis zu ihr – war.

      Dann mußte er wieder sprechen, hören, was zu ihm gesprochen wurde, und was die anderen unter sich sprachen, und, wenn nötig, antworten mit einer Zunge, die die unangenehme Neigung hatte, durchzugehen, und stets gezügelt werden mußte. Und um seine Verwirrung noch zu vermehren, war der Diener da, eine beständige Drohung, die sich lautlos hinter ihn schlich, ein unheimlicher Spion, der ihm unangenehme Rätsel aufgab, die er stets sofort lösen mußte. Während der ganzen Mahlzeit bedrückte ihn der Gedanke an die Spülkummen. Immer wieder, unaufhörlich mußte er darüber nachdenken, wann sie in die Erscheinung treten und wie sie aussehen würden. Er hatte von diesen Dingen gehört und wußte, daß er sie im Laufe weniger Minuten sehen sollte, daß er mit höheren Wesen bei Tische saß und sie wie diese benutzen sollte. Und das Wichtigste von allem: auf dem Grunde seiner Gedanken und doch stets dicht an der Oberfläche lag die große Frage, wie er sich diesen Leuten gegenüber benehmen sollte. Welche Haltung sollte er einnehmen? Mit diesem Problem kämpfte er andauernd und furchtsam. Da waren feige Einwendungen, die ihn Komödie spielen lassen wollten, und noch feigere, die ihm sagten, daß ein solcher Versuch mißlingen mußte, daß seine Natur sich nicht dazu eignete, und daß er sich zum Narren machen würde. Während des ersten Teiles des Essens rang er mit sich, wie er sich verhalten sollte, und war sehr still. Er wußte nicht, daß er durch sein Schweigen Arthur Lügen strafte, der am Tage zuvor gesagt hatte, er würde einen Wilden mit zu Tisch bringen, daß sie aber keine Angst zu haben brauchten, denn es sei ein interessanter Wilder. Martin Eden hätte sich nicht vorstellen können, daß ihr Bruder sich eines solchen Verrats schuldig machte, zumal er ja ebendiesem Bruder bei einer schlimmen Prügelei geholfen hatte. Und so saß er denn bei Tische, bedrückt durch seine eigene Unwürdigkeit und doch zugleich von allem, was um ihn her vorging, bezaubert. Zum erstenmal erkannte er, daß Essen etwas anderes als eine nützliche Funktion war. Er hatte keine Ahnung, was er aß. Es war eben Essen. Er stillte seinen Schönheitsdurst an diesem Tisch, wo Essen eine ästhetische Funktion war. Aber es war auch eine geistige Funktion. Sein Geist war angestachelt. Er hörte Worte, die keinen Sinn für ihn hatten, und andere Worte, die er nur in Büchern gefunden hatte, und die keiner der Männer oder Frauen seiner Bekanntschaft imstande gewesen wären auszusprechen. Wenn er diese Worte von den Lippen dieser wundervollen Familie – ihrer Familie – aussprechen hörte, als ob es das Natürlichste von der Welt wäre, wurde er von Entzücken durchbebt. Die Romantik und Schönheit, das Erhabene, von dem er in Büchern gelesen hatte, wurde hier Wirklichkeit. Er befand sich in dem seltsamen, seligen Zustand, in dem ein Mann seinen Traum aus den Winkeln der Phantasie herausspazieren und Wirklichkeit werden sieht. Noch nie hatte er auf solchen Höhen des Lebens gestanden, und er hielt sich selbst im Hintergrund, lauschend, beobachtend und sich freuend, während er einsilbig Ja und Nein antwortete. Er mußte sich Mühe geben, daß er ihren Brüdern nicht dieselbe Ehrerbietung wie ihr und ihrer Mutter erwies. Aber er sagte sich, daß das unmöglich sei, wenn er je hoffen wollte, SIE zu gewinnen. Außerdem lehnte sich sein Stolz dagegen auf. »Weiß Gott!« sagte er einmal bei sich, »ich bin genau so gut wie sie, und wenn sie auch vieles wissen, was ich nicht weiß, so könnte ich sie doch auch ein ganz Teil lehren.« Als aber sie oder ihre Mutter ein paar Augenblicke später ihn »Herr Eden« ansprach, vergaß er seinen anmaßenden Stolz und wurde von Freude ganz rot und warm. Er war ein zivilisierter Mensch, jawohl, und er saß hier, Schulter an Schulter, bei Tisch mit Leuten gleich denen, über die er in Büchern gelesen hatte. Jetzt war er selbst mit im Buche, mitten in einem Abenteuer, das die Druckseiten eines dicken Bandes füllte.

      Während er aber Arthurs Beschreibung auf diese Art Lügen strafte, und eher ein frommes Lamm als ein Wilder zu sein schien, zerbrach er sich die ganze Zeit den Kopf, wie er auftreten sollte. Er war kein frommes Lamm, und die zweite Geige zu spielen, paßte seiner hochfliegenden Herrschernatur durchaus nicht. Er sprach nur, wenn er mußte, und seine Rede war wie sein Gang, abgebrochen und stolpernd.

      Er suchte in seinem Sprachschatz, grübelte, welche Worte wohl bei dieser oder jener Gelegenheit paßten, fürchtete aber, daß er sie nicht aussprechen könnte, und verwarf wieder andere Worte, von denen er wußte, daß sie sie nicht verstanden, oder daß sie in ihren Ohren roh und gewöhnlich klingen würden. Aber die ganze Zeit bedrückte ihn das Bewußtsein, daß diese Vorsicht in der Wahl seiner Worte ihn dumm machte und ihn verhinderte, seinem Innern Ausdruck zu verleihen.

      Dazu empörte sich seine Freiheitsliebe gegen diesen Zwang ungefähr ebenso, wie sein Hals von dem steifen Kragen irritiert wurde, und endlich wußte er, daß es auf die Dauer doch nicht gehen würde. Er war ein Kraftkerl, er konnte denken, und der schöpferische Geist in ihm hob das Haupt und wollte sich geltend machen. Er wurde schnell übermannt von dem Gefühl, das sich in ihm in Geburtswehen wand, um Ausdruck und Form zu finden, und dann vergaß er sich und seine Umgebung, und die alten Worte – die Werkzeuge der Rede, die er kannte – schlüpften heraus.

      Als der Diener ihm einmal etwas anbot, ihn dabei unterbrach und an seine Schulter stieß, lehnte er mit einem kurzen, entschiedenen »Pau!« ab.

      Sofort richteten sich alle Augen bei Tische erwartungsvoll auf ihn, der Diener war offenbar belustigt, und Martin Eden schämte sich sehr. Aber er gewann schnell seine Selbstbeherrschung wieder.

      »Das ist ein Kanakenwort für ›fertig‹«, erklärte er. »Und es kam ganz von selbst!«

      Er sah, wie ihre Blicke neugierig seine Hände suchten, und da er einmal Mut gefaßt hatte, redete er weiter: »Ich kam auf einem Schiff von der Pacific-Postlinie die Küste herunter. Wir waren verspätet, und in allen Häfen am Puget-Sund schufteten wir wie die Nigger, um die Ladung zu verstauen – Stückgut, wenn Sie wissen, was das heißt. Dabei hab' ich mir die Haut abgeschrammt.«

      »Ach, das meinte ich nicht«, erklärte sie schnell. »Ihre Hände scheinen zu klein für Ihren Körper.«

      Er errötete. Er dachte, daß wieder eine seiner Unvollkommenheiten ans Tageslicht gebracht worden sei.

      »Ja«, sagte er ärgerlich. »Sie sind nicht groß genug, Arme und Schultern hab' ich wie ein Maultier. Die sind zu stark, und wenn ich einem Mann die Fresse zerhaue, werden mir die Hände dabei auch zerhauen.«

      Was er gesagt hatte, gefiel ihm nicht. Er war wütend auf sich. Er hatte seine Zunge gelöst und Dinge gesagt, die sich nicht schickten.

      »Es war brav von Ihnen, daß Sie Arthur auf diese Weise zu Hilfe kamen – Sie, als Fremder«, sagte sie taktvoll, als sie seine Verlegenheit sah, obwohl sie den Grund nicht kannte.

      Er hingegen verstand sehr gut, was sie getan hatte, eine warme Welle der Dankbarkeit überspülte ihn, und er vergaß seine lose Zunge.

      »Das war nicht der Rede wert«, sagte

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