Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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Glut in dem, was er las, gefühlt, aber sein Wortschatz reichte nicht hin. Er konnte nicht ausdrücken, was er fühlte, und er verglich sich selbst mit einem Seemann, der sich in dunkler Nacht auf einem fremden Schiffe befand und sich mit einer Takelung abquälte, mit der er nicht vertraut war. Nun ja, sagte er sich, ich muß eben sehen, mich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Er hatte noch nie etwas gesehen, hinter das er nicht gekommen war, wenn er es ernstlich darauf anlegte, und es war Zeit, daß er lernte, sich über das, was in seinem Innern vorging, verständlich zu machen. Sie erweiterte seinen Horizont mächtig.

      »Longfellow zum Beispiel –«, sagte sie.

      »Ja, den habe ich gelesen«, unterbrach er sie, angespornt von dem Ehrgeiz, soviel wie möglich von seinen Kenntnissen zu zeigen, und bemüht, ihr verständlich zu machen, daß er kein dummer Tölpel war. »Der Psalm des Lebens«, »Elysium« und ... ich glaube, das ist alles.«

      Sie nickte lächelnd, und er hatte das Gefühl, daß ihr Lächeln ein wenig nachsichtig war – mitleidig nachsichtig. Er war ein Narr, daß er versuchte, sich auf diese Weise aufzuspielen. Dieser Longfellow hatte wahrscheinlich zahllose Gedichtbücher geschrieben. »Entschuldigen Sie, Fräulein, daß ich so drauflosschwatze. Ich weiß ja eigentlich nicht viel von diesen Sachen. Es gehört nicht zu meinem Beruf. Aber ich will es zu meinem Beruf machen.«

      Das klang wie eine Drohung. Seine Stimme war entschieden, seine Augen blitzten, die Linien in seinem Gesicht wurden hart. Ihr schien, daß sein Kinn sich verändert hätte; es wirkte fast unangenehm anmaßend. Gleichzeitig aber war es, als ob ihr eine Woge starker Männlichkeit von ihm entgegenschlug.

      »Ich glaube wirklich, Sie sollten es zu Ihrem ... Beruf machen«, schloß sie lachend. »Sie sind sehr stark.«

      Ihr Blick weilte einen Augenblick auf dem muskulösen, sehnigen, fast stierartigen Nacken, der von der Sonne gebräunt war und von roher Kraft und Gesundheit strotzte. Und obwohl er rot und verlegen dasaß, fühlte sie sich doch von ihm angezogen. Zu ihrer eigenen Überraschung schoß ihr plötzlich ein toller Gedanke durchs Hirn. Ihr schien, sie müsse ihre beiden Hände um seinen Hals legen, und all seine Stärke und Kraft würden auf sie überströmen. Ihr schien, daß sich ihr plötzlich eine ungeahnte Verderbnis ihrer Natur offenbarte. Zudem war Stärke für sie etwas Grobes, Brutales. Ihr Ideal männlicher Schönheit war immer schlanke Anmut gewesen. Aber der Gedanke verließ sie nicht. Es verwirrte sie, daß sie wirklich den Wunsch verspüren sollte, ihre Hände um diesen sonnenverbrannten Hals zu legen. Tatsächlich war sie selbst zart, und das, was ihr Körper und ihre Seele brauchten, war eben Stärke. Aber das wußte sie nicht. Sie wußte nur, daß kein Mann je eine solche Wirkung auf sie ausgeübt hatte wie dieser, der sie jeden Augenblick durch seine schreckliche Sprache erschreckte.

      »Nein, ein altes Weib bin ich nicht«, sagte er. »Wenn es darauf ankommt, kann ich altes Eisen verdauen. Aber jetzt bin ich gerade ein bißchen verstopft. Das meiste von dem, was Sie gesagt haben, kann ich nicht verdauen. Ich habe mich nie mit dem Zeug abgegeben, wissen Sie. Ich habe Bücher und Poesie gern, und wenn ich mal Zeit hatte, habe ich gelesen, aber ich habe nie so drüber nachgedacht wie Sie. Darum kann ich nicht drüber reden. Mir geht es wie einem Seemann, der ohne Karte und Kompaß auf einem fremden Meer treibt. Jetzt möchte ich gern peilen. Vielleicht können Sie mir dabei helfen. Wie haben Sie all das gelernt, was Sie da erzählen?«

      »In der Schule wohl und durch Studium«, antwortete sie.

      »Ich bin auch zur Schule gegangen, als ich klein war«, wandte er ein.

      »Ja; aber ich meine das Gymnasium und Kurse und die Universität.«

      »Sie sind auf der Universität gewesen?« fragte er ehrlich erstaunt. Er fühlte, daß sie einen Abgrund von mindestens einer Million Meilen zwischen sich und ihn gelegt hatte.

      »Ich besuche jetzt noch die Universität. Ich höre Vorlesungen im Englischen.«

      Er verstand nicht, was sie mit »Englisch« meinte, merkte sich aber diesen Mangel in seinem Wissen und fragte weiter:

      »Wie lange müßte ich lernen, um auf die Universität kommen zu können?«

      Sie lächelte ermutigend über seinen Lerneifer und sagte: »Das hängt davon ab, was Sie schon gelernt haben. Sie haben nie ein Gymnasium besucht? Natürlich nicht. Aber haben Sie die Gemeindeschule ganz durchgemacht?«

      »Es fehlten zwei Jahre, als ich abging«, erwiderte er. »Aber ich war immer sehr gut in der Schule.«

      Im nächsten Augenblick ärgerte er sich so über seine Prahlerei, daß er die Stuhllehne packte, bis die Fingerspitzen ihm förmlich brannten. Da bemerkte er, daß eine Frau ins Zimmer trat. Er sah, wie das Mädchen vom Stuhl aufstand und der Eintretenden entgegeneilte. Sie küßten sich und kamen dann Arm in Arm auf ihn zu. Das muß ihre Mutter sein, dachte er. Sie war eine hochgewachsene blonde Frau, schlank, stattlich und schön. Ihre Kleidung war so, wie er sie in einem solchen Hause erwartet hatte. Seine Augen hingen mit Entzücken an den anmutigen Linien. In ihrer Tracht erinnerte sie ihn an Frauen, die er auf der Bühne gesehen hatte. Dann erinnerte er sich, daß er ähnlich gekleidete Damen in die Londoner Theater hatte hineingehen sehen. Er hatte ihnen nachgesehen, bis der Schutzmann ihn in den Sprühregen vor der Markise geschoben hatte. Gleich darauf machten seine Gedanken einen Sprung nach dem Grand Hotel in Yokohama, wo er auch vom Bürgersteig aus große Damen gesehen hatte. Dann begann Yokohama selbst mit seinem Hafen in tausend Bildern vor seinen Augen zu erscheinen. Aber er löste sich schnell von diesem Kaleidoskop der Erinnerung, in dem Bewußtsein, daß er jetzt seine ganze Geistesgegenwart nötig hatte. Er wußte, daß er aufstehen mußte, um vorgestellt zu werden, und so erhob er sich denn beschwerlich und stand da, mit Hosen, die sich an den Knien beutelten, mit hängenden Armen und zusammengebissenen Zähnen, bereit, die bevorstehende Prüfung über sich ergehen zu lassen.

      Zweites Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Der Weg ins Speisezimmer war ein böser Traum für ihn. Er stolperte und stieß sich, machte entschlossen einen Schritt vorwärts und blieb wieder stehen, und zuweilen schien ihm fast, als würde er nie hineingelangen. Schließlich aber war er drinnen und wurde neben SIE gesetzt. Der Überfluß an Messern und Gabeln jagte ihm Schrecken ein. Sie drohten mit unbekannten Gefahren, und er starrte sie benommen an, bis ihr Glanz der Hintergrund für eine Reihe von Bildern aus der Back wurde, wo er und seine Kameraden saßen und Salzfleisch mit dem Taschenmesser und den Fingern aßen oder dicke Erbsensuppe mit Blechlöffeln in sich hineinschaufelten. Er konnte geradezu den Geruch von verdorbenem Fleisch spüren und das Schmatzen der Essenden zum Knarren der Hölzer und Ächzen der Schoote hören. Er sah die Kameraden essen und kam zu dem Ergebnis, daß sie wie Schweine aßen. Nun, er wollte sich hier schon zusammennehmen. Er wollte kein Geräusch machen. Er wollte ununterbrochen auf sich achten.

      Er ließ seinen Blick über den Tisch schweifen. Ihm gegenüber saßen Arthur und Arthurs Bruder Norman. Er dachte daran, daß es ihre Brüder waren, und fühlte warme Freundschaft für sie. Wie alle in dieser Familie sich liebten! Er dachte wieder daran, wie SIE und ihre Mutter sich geküßt hatten und ihm Arm in Arm entgegengekommen waren. In seiner Welt zeigten Eltern und Kinder ihre Gefühle nicht so. Es war eine Offenbarung von den Höhen des Lebens, die man in dieser hoch über der seinen liegenden Welt erreichen konnte. Dieser kleine Einblick in eine neue Welt hatte ihm das Schönste gezeigt, das er je gesehen. Es machte einen tiefen Eindruck auf ihn, und sein Herz strömte über vor mitfühlender Zärtlichkeit. Sein ganzes Leben hatte ihn nach Liebe gehungert. Sein Wesen brauchte Liebe. Sie war eine Lebensbedingung für seinen Organismus. Und dennoch hatte er sie entbehren müssen, aber er war hart dabei geworden. Er hatte selbst nicht gewußt,

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